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AYA-Cancer-Survivors Prof. Dr. Inken Hilgendorf über die speziellen Bedürfnisse der AYA-Cancer-Survivors

Autor: Dr. Miriam Sonnet

Auch nach erfolgreicher Therapie kämpfen AYA-Cancer-Survivors oftmals mit verschiedenen Problemen. In diesem Interview klärt Prof. Dr. ­Inken ­Hilgendorf auf. Auch nach erfolgreicher Therapie kämpfen AYA-Cancer-Survivors oftmals mit verschiedenen Problemen. In diesem Interview klärt Prof. Dr. ­Inken ­Hilgendorf auf. © jaime – stock.adobe.com
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Heranwachsende und junge Erwachsene – englisch adolescents and young adults, kurz AYA – stehen mitten im Leben. Eine Krebsdiagnose stellt es völlig auf den Kopf. Auch nach erfolgreicher Therapie kämpfen die Betroffenen oftmals mit verschiedenen Problemen: von gesundheitlichen Folgen bis hin zu sozialen Erschwernissen. Prof. Dr. ­Inken ­Hilgendorf erläutert, wo AYA Unterstützung erhalten.

Frau Prof. Hilgendorf, wie wird die Altersgruppe der AYA definiert und wo werden sie betreut?

Prof. Dr. Inken Hilgendorf: Die Altersdefinition der AYA ist in der internationalen Literatur uneinheitlich. Die größte Altersspanne umfasst 15–39 Jahre; diese hat sich auch in Deutschland durchgesetzt. Ab dem 18. Lebensjahr werden die Patient:innen von Hämatolog:innen und Onkolog:innen betreut und in den Landeskrebsregistern erfasst.

Welche gesundheitlichen Probleme haben AYA nach einer erfolgreichen Krebsbehandlung?

Prof. Hilgendorf: Jugendliche und junge Erwachsene haben aufgrund einer Heilungsrate von über 80 % einerseits und des jungen Lebensalters zum Diagnosezeitpunkt andererseits ein gesteigertes Risiko für Spät- und Langzeitfolgen. Dazu zählen eine Vielzahl sehr unterschiedlicher Beeinträchtigungen wie Infertilität, sexuelle Dysfunktion, krebsspezifische Fatigue, kognitive Einschränkungen, endokrine Funktionsstörungen, kardiovaskuläre Erkrankungen bis hin zu Sekundär­neo­plasien.

Zudem befinden sich junge Betroffene in einer Lebensphase, in der sie vielfältige Entwicklungsaufgaben bewältigen müssen. Die Konfrontation mit der Diagnose Krebs kann den Prozess der Identitätsfindung und Selbstverwirklichung nachhaltig stören und sich somit auch langfris­tig auf psychosozialer Ebene auf die Lebensqualität auswirken.

Wie kann man diesen Folgen begegnen?

Prof. Hilgendorf: Das Risiko möglicher Spät- und Langzeitfolgen ist abhängig von der Tumorerkrankung selbst, ihrer Therapie und anderen Faktoren, z.B. der familiären Disposition. Strukturierte Nachsorgeprogramme können dazu beitragen, Spätfolgen zu vermeiden oder früh zu diagnostizieren. Wichtig ist insbesondere die Aufklärung der Patient:innen über das Risiko von Spätfolgen. So müssen Behandler:innen die Betroffenen bei einer drohenden Infertilität aufgrund der geplanten Tumortherapie über das Risiko und die Option von fertilitätserhaltenden Maßnahmen frühzeitig informieren.

Zudem sollten die Patient:innen zum Abschluss der Behandlung eine zusammenfassende Epikrise erhalten, die alle tumorspezifischen und nachsorgerelevanten Informationen zur durchgeführten Therapie, deren Komplikationen und weiteren Risikofaktoren für Spätfolgen enthält. Außerdem sollte im Abschlussgespräch festgelegt werden, wer die weitere Nachsorge koordiniert und als Ansprechpartner:in dient.

Welche besonderen Bedürfnisse haben AYA?

Prof. Hilgendorf: Im jungen Erwachsenenalter ist das Informationsbedürfnis höher als in anderen Altersgruppen, weshalb die Mehrheit der jungen Betroffenen im Internet nach weiterführenden Informationen sucht und dabei nicht immer auf vertrauenswürdige Inhalte stößt. Dementsprechend kann die Internet­recherche die Entstehung von Ängsten triggern.

Kommunikation ist also besonders wichtig?

Prof. Hilgendorf: Eine gelungene Kommunikation ermög­licht im Idealfall den Aufbau einer Vertrauensbeziehung zwischen den Patient:innen und ihren Behandler:innen. Junge Betroffene berichten allerdings immer wieder, dass ihre initialen Beschwerden von den Ärzt:innen nicht ernst genommen wurden und die Diagnose erst verzögert gestellt wurde. Im Podcast „O-Ton Onkologie“ geben ein Betroffener und ich Einblicke, welche Bedeutung die Kommunikation zwischen Ärztin bzw. Arzt und den AYA-Patient:innen hat (s. Kasten).

Welche sozialen und ökonomischen Aspekte gibt es?

Prof. Hilgendorf: AYA stehen am Beginn ihres Berufslebens. Dementsprechend sind die finanziellen Rücklagen eher gering und Rentenansprüche wurden entweder gar nicht oder nur in geringem Umfang erworben. BAföG-Empfänger:innen erhalten bis zur Wiederaufnahme des Studiums keine Zahlungen mehr, wenn dieses aufgrund von Krankheit oder Behinderung für einen Zeitraum von mind. drei Monaten unterbrochen wird. Die Therapien erstrecken sich oft über recht lange Zeiträume, sodass die Betroffenen regelmäßig Grundsicherung beantragen müssen. Somit wiegen die finanziellen Folgen einer Tumor­erkrankung in dieser Altersgruppe besonders schwer. Die DGHO und die Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs (DSfJEmK) fordern deshalb u.a. die Zuzahlungsbefreiung für Krebspatient:innen von Anfang an und die Einführung eines Überbrückungsgeldes für Bedürftige ohne Anspruch auf Krankengeld, z.B. Studierende, für einen Zeitraum von bis zu drei Jahren.

Viele Jahre nach erfolgreich abgeschlossener Tumortherapie werden Langzeitüberlebende außerdem oftmals z.B. bei der Vergabe von Krediten, dem Abschluss von Versicherungs- oder Handyverträgen oder der Verbeamtung benachtei­ligt. Die Organisation Youth Cancer Europe fordert deshalb europaweit ein „Recht auf Vergessen“.

So können Sie die DSfjEmK unterstützen

Die Grundlage der Stiftungsarbeit ist das gesellschaftliche Engagement aktiver und interessierter Menschen. Die DSfjEmK ist spendenfinanziert und lebt von der intensiven Kooperation mit Betroffenen einerseits und den ehrenamtlichen Berater:innen des JUNGEN KREBSPORTALs andererseits. Die Stiftung freut sich über jede Form der Unterstützung.
Spenden sind möglich an:
EMPFÄNGER: Deutsche Stiftung für junge Erwachsene mit Krebs
IBAN: DE33 1002 0500 0001 8090 01 BIC: BFSW DE33 XXX

Welche Anlaufstellen gibt es für die Betroffenen?

Prof. Hilgendorf: Während Selbsthilfegruppen den Austausch ermöglichen, bieten die Landesverbände der Deutschen Krebsgesellschaft psychosoziale Beratung an und organisieren in Kooperation mit der Stiftung Deutsche Krebshilfe Patient:innen-Informationsveranstaltungen, z.B. die German Cancer Survivors Week.

Eine wichtige Anlaufstelle mit unterschiedlichen Angeboten ist auch die DSfjEmK: Das onlinebasierte JUNGE KREBSPORTAL ermöglicht jungen Erwachsenen, die an Krebs erkrankt sind, waren oder an einem Rezidiv leiden, eine individuelle Beratung durch Expert:innen zu verschiedenen Fragestellungen. Im Tandembereich des Portals besteht die Option, von den persönlichen Erfahrungen anderer Krebspatient:innen direkt zu profitieren.

Zudem können sich die jungen Erwachsenen in den bundesweit 37 Treffpunkten der DSfjEmK austauschen und gegenseitig unterstützen. Auf der Homepage gibt es unter der Kategorie „Wissen für dich“ nützliche und praxisnahe Informationen für junge Betroffene, interessierte Angehörige und Ärzt:innen. Wer lieber hört, dem sei der Podcast „Jung & Krebs – Wissen für junge Betroffene“ empfohlen.

Was bietet das Informationsportal AYApedia für die Betroffenen?

Prof. Hilgendorf: AYApedia wurde vom ­DGHO-Arbeitskreis AYA-Netzwerk aufgebaut und liefert Infos zum Umgang mit der Krebserkrankung sowie Therapienebenwirkungen. Auch finden Betroffene Tipps & Tricks bis hin zu Übungskatalogen und Kochrezepten. Die Themen umfassen achtsamkeits­orientierte Verfahren, Ausbildung, Fruchtbarkeit und viele mehr.

Interview: Dr. Miriam Sonnet

Prof. Dr. Inken Hilgendorf; Universitätsklinikum Jena
Prof. Dr. Inken Hilgendorf; Universitätsklinikum Jena © zVg