Anzeige

Leitlinie Radon in der Raumluft

Autor: Dr. Angelika Bischoff

Das radioaktive, geruchlose Edelgas gelangt aus dem Boden über undichte Mauerwerke ins Haus. Das radioaktive, geruchlose Edelgas gelangt aus dem Boden über undichte Mauerwerke ins Haus. © iStock/Francesco Scatena
Anzeige

Die Strahlenexposition der Allgemeinbevölkerung geht zu einem wesentlichen Anteil auf radonbelastete Raumluft zurück. Dosisabhängig erhöht sie das Risiko für Lungenkrebs und sollte deshalb in allen Wohngebäuden, öffentlichen Räumen und Arbeitsplätzen minimiert werden.

Alle Isotope des natürlich vorkommenden Edelgases Radon sind radioaktiv. Einige kurzlebige Isotope (Polonium-214 und -218) emittieren Alphastrahlung, die zwar eine geringe Reichweite und Eindringtiefe besitzt, aber dicht ionisiert und damit biologisch sehr wirksam ist. Radon entweicht aus Gestein und Erdreich, in dem sich Spuren von Uran und Thorium finden. In Deutschland kommt es vermehrt unter anderem im Erzgebirge, im Schwarzwald, im Bayerischen Wald und im Fichtelgebirge vor.

Mit dem Grundwasser oder direkt aus dem Erdreich kann Radon über undichte Fundamente und Mauerwerk in Häuser eindringen. Dort reichert es sich in der Raumluft an. Die Radonkonzentration in Gebäuden zeigt tages- und jahreszeitliche Schwankungen und hängt nicht zuletzt von Klimatisierung und Lüftung ab. Vom Kellergeschoss bis in höhere Etagen beobachtet man ein Konzentrationsgefälle. Um die Radonaktivitätskonzentration in Gebäuden zu messen, empfiehlt das Bundesamt für Strahlenschutz, Exposimeter mit einer Nachweisgrenze von 20 Bq/m3 einzusetzen. Die Messungen sollten fachgerecht und qualitätsgesichert durchgeführt werden.

Anreicherung vor allem in fetthaltigem Gewebe

In den Körper gelangt Radon vor allem durch Inhalation, in geringem Maß aber auch durch belas­tetes Trinkwasser. Das gasförmige Radon wird nahezu vollständig wieder ausgeatmet, aber die kurzlebigen Zerfallsprodukte lagern sich am Bronchialepithel an. Dort geben sie energiereiche Alphastrahlung ab, die schon in kurzer Zeit erhebliche DNA-Schäden hervorrufen kann. Insbesondere die kurzlebigen Zerfallsprodukte werden über die Lunge in den Blutstrom aufgenommen. Die Organ­dosen außerhalb der Lunge und des übrigen Respirationstrakts liegen dann um mindestens eine Zehnerpotenz niedriger. Radon selbst reichert sich vor allem in Geweben mit höherem Fettgehalt an (z.B. Knochenmark, weibliche Brust).

Bei schwangeren Frauen gelangen Radon und seine Zerfallsprodukte über das Blut auch zum Fötus – allerdings nur in äußerst geringen Konzentrationen. Das Bundesamt für Strahlenschutz geht deshalb davon aus, dass Ungeborenen von der Exposition in Gebäuden her keine relevanten Schädigungen drohen.

Durch Radon und seine Zerfallsprodukte ausgelöster Lungenkrebs ist schon seit etlichen Jahren ein unter Bergwerksarbeitern bekanntes Krankheitsbild. Es handelt sich hierbei um den häufigsten beruflich verursachten Strahlenschaden in Deutschland.

Mittlerweile gilt auch der Zusammenhang zwischen Radon­exposition in Innenräumen und dem Auftreten von Lungenkrebs in der Allgemeinbevölkerung als erwiesen. Die derzeit verfügbaren Daten sprechen dafür, dass das Risiko einer linearen Dosis-Wirkungs-Beziehung ohne Schwellenwert folgt. Die europäische Pooling-Studie hat errechnet, dass das relative Risiko für Lungenkrebs pro 100 Bq/m3 langzeitiger Radonexposition um 8,4 % steigt – unkorrigiert für Unsicherheiten in der Expositionsabschätzung. Berücksichtigt man diesen Einflussfaktor, steigt das Risiko sogar um 16 %. Bei einer durchschnittlichen Radonaktivitätskonzentration von 49 Bq/m3 in Innenräumen ist anzunehmen, dass 5 % aller Lungenkrebsdiagnosen in Deutschland auf diesen Faktor zurückgeführt werden können.

Damit liegt die Radonexposition unter den Lungenkrebsrisiken auf dem zweiten Platz, gleich hinter dem Aktiv-, aber noch vor dem Passivrauchen­.

Ein klarer Zusammenhang zwischen Radonexposition und extrapulmonalen Malignomen oder anderen Erkrankungen wurde weder bei Beschäftigten im Bergbau noch in der Allgemeinbevölkerung gefunden. Die International Agency for Research on Cancer stuft Radon als Humankarzinogen (Gruppe I) ein. Wegen der Linearität der Dosis-Wirkungs-Beziehung gibt es keinen definierten Grenzwert, dessen Einhaltung das Risiko eliminiert.

Grenzwert für Privathaushalte wäre wünschenswert

Um die Gesundheitsgefahr möglichst gering zu halten, ­empfiehlt die WHO für Innenräume einen Grenzwert von 100 Bq/m3. Laut EU-Richtlinie sollen die Mitgliedsstaaten selbst nationale Referenzwerte festlegen, die aber 300 Bq/m nicht überschreiten dürfen. Diese Grenze gilt derzeit in Deutschland für Aufenthaltsräume und Arbeitsplätze. Liegen die gemessenen Werte darüber, sind geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um die Radonbelastung zu verringern. Für Privatwohnungen gibt es bisher keine verpflichtenden Regelungen.

Eine solche Regelung hätte jedoch erhebliche gesundheitliche Vorteile. Eine Absenkung des Höchstwerts in Wohnungen auf 100 Bq/m3 könnte in Deutschland 300 Todesfälle an Lungenkrebs verhindern.

Quelle: S1-Leitlinie „Radon in Innenräumen“, AWMF-Register-Nr. 002/035, www.awmf.org