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Dermatologische Krankheitsbilder Reiben, kratzen, löffeln

Autor: Birgit Maronde

Abb.3: Der Morbus Grover wird häufig nicht erkannt. Abb.3: Der Morbus Grover wird häufig nicht erkannt. © wikimedia commons/Tvbanfiled
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Hinter Juckreiz können etliche dermatologische Krankheitsbilder stecken. Um die potenzielle Ursache besser einordnen zu können, lohnt der Blick auf die Art und Weise, wie der Patient auf den Pruritus reagiert. 

Reibt er, kratzt er oder löffelt er? Je nachdem, wie ein Pruritus­patient seine juckenden Hautstellen traktiert, liegt eher die eine oder die andere Hauterkrankung vor, erklärte Prof. Dr. Thomas Dirschka von der Centroderm Klinik Wuppertal. Reiben oder drücken ist als Hinweis auf ein urtikarielles Exanthem (Abb. 1), etwa im Rahmen einer Urtikaria, zu werten. „Ein Urtikariapatient kratzt nicht.“ Behandelt wird die akute Urtikaria mit einem Antihistaminikum, das viermal am Tag eingenommen wird. Für welches Präparat man sich entscheidet, ist nach Aussage von Prof. Dirschka relativ egal. Bei chronischer Urtikaria wird z.B. erfolgreich der IgE-Antikörper Omalizumab gegeben. 

Urtikaria oder bullöses Pemphigoid?

Eine Urtikaria kann auch die frühe Manifestation eines bullösen Pemphigoids sein. Charakteristisch für diese chronische Autoimmunerkrankung mit Antikörperbildung gegen Basalmembran sind schwerste Juckreizattacken. Besteht der Verdacht auf die Erkrankung, kann man eine Histologie mit Immunfluoreszenz­testung veranlassen und zirkulierende Autoantikörper im Serum nachweisen. Ekzematiker kratzen sich. Häufigster Anlass ist laut Prof. Dirschka ein Exsikkationsekzem, das vor allem ältere Menschen entwickeln. Durch häufiges Duschen, schäumende Reinigungsprodukte und Nicht-Nachfetten fehlt es in der Epidermis an Natural Moisturizing Factor. 

Potenzielle Juckreizursachen

  • Hautkrankheiten
  • trockene Haut: asteatotisches Ekzem
  • internistische Erkrankung: nephrogener, cholestatischer, hämatologischer, paraneoplastischer Pruritus
  • Arzneimittelreaktionen
  • neurologische Erkrankungen: z.B. brachioradialer Pruritus
  • Allergie
  • psychischer Krankheiten, etwa Angststörungen, Depressionen, Schizophrenie

Weniger duschen, mehr cremen

Es kommt zu oberflächlichen Einrissen, die mitunter ein netzartiges Muster bilden (Craquelémuster, Abb. 2), proinflammatorische Zytokine werden freigesetzt, die den Juckreiz verursachen. Patienten mit solch einem Ekzem sollte man hinsichtlich der Hautpflege beraten und ihnen eine harnstoffhaltige Lipolotion verordnen, riet Prof. Dirschka: „Weniger duschen, mehr cremen!“ Gar nicht so wenige ältere Menschen, vor allem Männer, zeigen am Stamm kleine juckende Papeln. Dabei handelt es sich um eine transitorisch-akantholytische Dermatose, auch Morbus Grover genannt (Abb. 3). Sie wird häufig gar nicht erkannt, konstatierte der Dermatologe. Wodurch die Veränderungen entstehen, weiß man nicht genau, womöglich sind sie infektallergisch bedingt. Nach einigen Monaten verschwinden die Knötchen wieder. In der Zwischenzeit sollte sich der Patient mit einer harnstoffhaltigen Lotion eincremen. 

Heftig gekratzt wird auch bei Skabies. Den Milbenbefall erkennt man in der Auflichtmikroskopie durch den Nachweis des sogenannten Drachenfliegers am Ende des Milbengangs. Damit gemeint ist der Chitinpanzer im Nacken der Milbe, der die Form eines kleinen dunklen Dreiecks hat (Abb. 4). Die Therapie erfolgt mit topischem Permethrin. Zweimal im Abstand von 7–10 Tagen cremt sich der Patient am ganzen Körper ein. Das Gesicht bleibt in der Regel ausgenommen, denn nur bei HIV-Patienten und schwer Immunkompromittierten breiten sich die Parasiten bis dorthin aus. Provoziert durch die Milbenreste kann der Juckreiz trotz Therapie noch Wochen bis Monate bestehen bleiben. Zum Teil wandeln sich die Läsionen in Granulome um. In diesen Fällen werden topische Steroide (z.B. Prednisolon, Prednicarbat) gegeben. Für die Ganzkörpertherapie reicht allerdings keine kleine Tube, eventuell muss man sogar sys­temisch behandeln. 

Bei pruriginösen, knötchenartigen Exanthemen löffeln die Betroffenen die Läsionen sozusagen raus, bis es blutet. Der Juckreiz ist anschließend verschwunden. Bisher behandelt man pruriginöse Ekzeme mit lokalen Steroiden oder Calcineurininhibitoren und in schweren Fällen mit zentral wirksamen Substanzen, etwa Gabapentin 3 x 300 mg/d oder Pregabalin 75–225 mg/d. Hoffnung für schwer Betroffene besteht durch die Entwicklung des Interleukin-31-Rezeptorantagonisten Nemolizumab. Prof. Dirschka: „Er wirkt exzellent, schon nach einer Gabe hört die Juckerei auf, die Knoten heilen ab. “