Diagnose im Wandel Schlafapnoe diagnostizieren: Warum eine Nacht im Schlaflabor oft nicht reicht

ERS 2025 Autor: Friederike Klein

Obstruktive Schlafapnoe bleibt ein Chamäleon Obstruktive Schlafapnoe bleibt ein Chamäleon © MQ-Illustrations - stock.adobe.com

Obstruktive Schlafapnoe bleibt ein Chamäleon: Neue Studien zeigen, dass der Apnoe-Hypopnoe-Index von Nacht zu Nacht stark schwankt – mit Folgen für Diagnose und Therapie.

Fixe Schwellenwerte im Apnoe-Hypopnoe-Index entscheiden über die Diagnose einer obstruktiven Schlafapnoe und die Indikation zur CPAP-Therapie. Doch scheinen Zweifel angebracht, ob die aus einer einzigen Nacht im Schlaflabor gewonnenen Daten überhaupt aussagekräftig sind.

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) ist sehr variabel. Das werde meist unterschätzt, erklärte Prof. Dr. Jean-Louis Pépin von der Abteilung für klinische Physiologie der Alpen-Universität in Grenoble. Das beginnt mit der Unterscheidung der Endotypen, wie sie die American Thoracic Society fordert. Der Endotyp kann sich im Laufe des Lebens mit dem Gesundheitszustand verändern, z. B. bei starker Gewichtszunahme oder der Entwicklung von Vorhofflimmern oder Herzinsuffizienz. Parallel dazu spielen physiologische Prozesse wie die Menopause eine Rolle. Zudem kommt der Endotyp nicht in jeder Nacht gleichermaßen zum Tragen. Somit werde die OSA bei 20–50 % der Patientinnen und Patienten auf Basis einer einzigen Nacht falsch klassifiziert, sagte Prof. Pépin. Man müsse damit rechnen, dass mehr als 11 % der Untersuchten nach einer einmaligen nächtlichen Polysomnografie (PSG) im Schlaflabor fälschlicherweise die Diagnose erhalten, andererseits würden etwa 18 % der OSA-Fälle durch dieses Vorgehen verpasst.

Auch klimatische Bedingungen haben einen Einfluss auf die Schlafapnoe. Anhand von kontaktlosen Sensoren, die im Bett von Betroffenen mit einem Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) ≥ 5 installiert wurden, ließ sich eine Assoziation von Jahreszeit und OSA-Schwere zeigen.1 Auf der Nordhemisphäre war der AHI im Sommer und im Winter um etwa 5 % höher als im Frühjahr und Herbst. Eine höhere Raumtemperatur im Schlafzimmer war mit einem AHI-Anstieg um mehr als 6 % assoziiert. Entsprechend könnte eine globale Erwärmung um mehr als 1,8 °C über dem präindustriellen Niveau bis zum Ende des Jahrhunderts einen 1,2- bis 3-fachen Anstieg der OSA-Last weltweit zur Folge haben.2

Die häusliche Messung demonstriert auch, wie das individuelle Verhalten die OSA-Schwere beeinflusst. Samstags ist die OSA-Last besonders hoch, insbesondere bei Männern und jüngeren Erwachsenen.3 Die Autoren der Studie sprechen von „sozialer Apnoe“. Einerseits führt die relative Schlafdeprivation der Arbeitswoche zu längeren Schlafzeiten am Wochenende. Andererseits ist der Tabak- und Alkoholkonsum am Wochenende erhöht.

Eine einzige PSG im Schlaflabor mit all den störenden Ableitungen und der durchgehenden Überwachung als Goldstandard für die OSA-Diagnose heranzuziehen, bezeichnete Prof. Dr. Silke Ryan, St. Vincent’s Private Hospital in Dublin, als naiv. Zudem seien die aktuell empfohlenen AHI-Schwellenwerte im Hinblick auf die von Nacht zu Nacht variierende Ausprägung der OSA problematisch. Die International Classification of Sleep Disorders, an der sich auch die deutsche S3-Leitlinie orientiert, gibt strikte AHI-Werte für die OSA-Diagnose vor. Wenn die Atemaussetzer durch keine andere Schlafstörung, Krankheit, Medikamente oder Substanzgebrauch zu erklären ist, wird in folgenden Fällen eine OSA diagnostiziert:

  • AHI ≥ 15/h Schlafzeit (Ereignis jeweils ≥ 10 s)
  • AHI ≥ 5/h Schlafzeit in Kombination mit typischen klinischen Symptomen (z. B. Tagesschläfrigkeit, Partnerberichte über Schnarchen und Atemaussetzer, relevante Komorbiditäten)

Diese Werte werden weltweit zur Diagnose sowie zur Indikation einer Therapie angesetzt. Eine einzelne Schlaflabornacht entscheidet also auch darüber, ob eine CPAP-Therapie verordnet wird und ob eine Kostenerstattung möglich ist. „Doch je nachdem kann man in der einen Nacht auf der einen, in der nächsten auf der anderen Seite des OSA-Grenzwerts landen“, betonte Prof. Ryan. Die Behandlungsentscheidung nur auf Basis des AHI sei unzureichend. Die Referentin forderte deshalb, sie durch personalisierte Behandlungsansätze im Einvernehmen mit der Patientin oder dem Patienten zu ersetzen. Einfließen sollten die Vortestwahrscheinlichkeit, Komorbiditäten und das Risikoprofil sowie die Patientenpräferenz.

Wünschenswert wären mehrere PSG in aufeinanderfolgenden Nächten, doch reichen die Ressourcen der Schlaflabors dafür bei Weitem nicht aus. Prof. Ryan hofft deshalb auf technische Entwicklungen. So korrelieren mit einem ersten kontaktlosen Sensorsystem erhobene Ergebnisse insgesamt relativ gut mit den PSG-Ergebnissen, berichtete sie. Auch zeigte sich dabei die intraindividuelle Variabilität, insbesondere bei niedrigem AHI-Niveau. 

Daher sieht Prof. Ryan die Rolle dieser Messgeräte vorrangig im Bereich der moderaten bis schweren OSA. Noch sind Heimmessungen kein medizinischer Standard. In der aktuellen Situation schlägt die Referentin vor, diejenigen für eine PSG über mehrere Nächte vorzusehen, bei denen die OSA nicht hochwahrscheinlich ist oder bei denen eine Diskrepanz zwischen dem klinischen Bild und den Befunden der PSG aus einer Nacht besteht.

Quelle: 1.Lechat B et al. Commun Med (Lond) 2025; 5: 314; doi: 10.1038/s43856-025-01016-0
2.Lechat B et al. Nat Commun 2025; 16: 5100; doi: 10.1038/s41467-025-60218-1
3.Pinilla L et al. Am J Respir Crit Care Med 2025; doi: 10.1164/rccm.202505-1184RL