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Schritt-für-Schritt-Anleitung zur Ursachenfindung der Thrombozytopenie

Autor: Dr. Alexandra Bischoff

Petechien, vor allem an den Beinen, sind ein typisches klinisches Zeichen für eine Thrombozytopenie. Petechien, vor allem an den Beinen, sind ein typisches klinisches Zeichen für eine Thrombozytopenie. © wikipedia/James Heilman, MD
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Medikamente, Schwangerschaft, Alkohol – eine verminderte Thrombozytenzahl ist ein häufiger Zufallsbefund im Blutbild. Bei den meisten Patienten reichen Verlaufskontrollen durch den Hausarzt völlig aus. Trotzdem sollte der Auslöser unbedingt abgeklärt werden.

Hinter einer Verminderung der in der Regel relativ konstanten Thrombozytenzahl können pathophysiologisch grob zwei Ursachen stecken: Bildungsstörung und/oder vermehrter Abbau/abnormale Verteilung. Stellen Sie im Rahmen einer Routine-Blutbilduntersuchung eine Thrombozytopenie fest, ist dies erst einmal nichts Außergewöhnliches. Häufigster Grund ist ein beschleunigter Abbau, meist immunologisch bedingt. Eine abnormale Verteilung (Pooling) wird beispielsweise im Rahmen einer Splenomegalie beobachtet. Unter bestimmten Umständen (Schwangerschaft, Massenblutung) ist auch eine Thrombozytopenie durch Verdünnung möglich.

Ursachen einer Thrombozytopenie

1. Produktionsstörung:
  • Medikamente
  • Bestrahlung
  • Malignome (z.B. Leukämie, Lymphom, Knochenmarkmetastasen)
  • aplastische Anämie
  • myelodysplastisches Syndrom
  • Thrombasthenie Glanzmann
  • Bernard-Soulier-Syndrom
2. Beschleunigter Abbau/ abnormale Verteilung:
  • autoimmun (idiopathisch, sekundär)
  • alloimmun (z.B. Posttransfusions-Purpura)
  • thrombotische Mikroangiopathien
  • mechanische Zerstörung
  • Infektionen
  • Massenblutung
  • Splenomegalie

Da es sich in den meisten Fällen um einen Zufallsbefund handelt, ist die überwiegende Zahl der Patienten asymptomatisch. Typische klinische Zeichen einer Thrombozytopenie sind Petechien, die bevorzugt an den unteren Extremitäten auftreten. Bei schweren Formen lassen sich zudem Schleimhautblutungen, Ekchymosen oder größere Hämatome feststellen. Schwere gastrointestinale oder zerebrale Organblutungen treten nur selten auf und hängen zudem mit weiteren Risikofaktoren wie Alter, Komorbiditäten (z.B. Gerinnungsstörung) und Medikamenten zusammen (z.B. Antikoagulanzien, Thrombozytenaggregationshemmer).

Wenn möglich, frühere Blutbilder beschaffen

Damit dem behandelnden Arzt aufgrund des breiten Ursachenspektrums nichts durch die Lappen geht, empfehlen Privatdozent Dr. Andreas­ Holbro und Professor Dr. Jakob Passweg von der Klinik für Hämatologie des Universitätsspitals Basel eine systematische Vorgehensweise, wenn die Thrombozytenzahlen die untere Grenze des Referenzbereichs 150–450 G/l unterschreiten. Zunächst sollten in einer ausführlichen Anamnese folgende Punkte geklärt werden:
  • Medikamenteneinnahme
  • Reiseverhalten in den letzten Monaten (insb. Tropenaufenthalt)
  • Infektionen n Alkoholkonsum n Schwangerschaft
  • Begleiterkrankungen
  • familiäre Vorgeschichte (z.B. kongenitale Syndrome)
Außerdem raten die Experten, sich frühere Blutbilder zu beschaffen. Als Nächstes ist es wichtig, eine Pseudothrombopenie (EDTA-induzierte Thrombozytopenie) auszuschließen. Hinweise darauf liefert das handdifferenzierte, mikroskopische Blutbild, z.B. wenn darin Thrombozytenhaufen zu erkennen sind. Eine wiederholte Analyse mit Bestimmung der Thrombozytenzahl im Citrat- oder Spezialröhrchen kann dann Klarheit bringen. Ferner deuten beispielsweise Fragmentozyten auf eine thrombotische Mikroangiopathie hin und erfordern eine weitergehende Abklärung (mit Verlegung in ein Zentrum). Diese wird auch empfohlen, wenn
  • Zeichen einer Anämie und/oder ein Ikterus vorliegen,
  • Blutungen, Petechien auftreten,
  • Lymphknoten oder Organe geschwollen bzw. vergrößert sind,
  • spezielle Infekte wie Malaria vermutet werden,
  • der Hämoglobinwert 60 g/l unterschreitet oder 180 g/l (Mann) bzw. 160 g/l (Frau) überschreitet,
  • die Leukozytenzahl unter 1,5 G/l oder über > 30 G/l,
  • die Thrombozytenzahl unter 100 G/l oder über 450 G/l liegt n der Verdacht auf Blasten oder Vorstufen besteht oder
  • eine entsprechende Kennzeichnung in den Ergebnissen des Blutbildautomaten vorliegt.
Ebenfalls in der Basisdiagnostik erfasst werden sollten Gerinnung, Blutchemie (insb. Kreatinin, Leberwerte und CRP) sowie eine Serologie bezüglich Hepatitis B/C und HIV.

Diagnose kann auch Familienmitgliedern helfen

Ist der Fall weiterhin unklar, können Knochenmarkpunktion, Immunphänotypisierung und mole-kulargenetische Untersuchungen helfen, die definitive Diagnose zu stellen. Diese ist nicht nur für die adäquate Behandlung notwendig, sondern sollte gegebenenfalls auch genutzt werden, um beispielsweise bei einer genetischen Ursache betroffene Familienangehörige frühzeitig zu identifizieren. In bestimmten Situationen wie bei einer Hämophilie oder schweren Thrombozytopenie sollte unter Rücksprache mit einem Häma­tologen bereits parallel zur Diagnostik eine Therapie eingeleitet werden

Quelle: Holbro A, Passweg JR. Ther Umsch 2020; 77: 379-384; DOI: 10.1024/0040-5930/a001207