Sepsis bleibt oft unerkannt Sepsis: Klinikscreening wird ab 2026 Pflicht
Jedes Jahr erkranken in Deutschland knapp 280.000 Menschen an einer Sepsis.
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Bei der Sepsis ist nicht nur die hohe Akutsterblichkeit ein Problem. Überlebende haben langfristig häufig mit erheblichen Folgen zu kämpfen. Mit einem neuen Qualitätssicherungsverfahren soll der Kampf gegen die Sepsis verschärft werden.
Jedes Jahr erkranken in Deutschland knapp 280.000 Menschen an einer Sepsis. Diese ist definiert als lebensbedrohliche Organdysfunktion, die durch eine fehlregulierte Wirtsantwort auf eine Infektion hervorgerufen wird. Laut einer prospektiven multizentrischen Beobachtungsstudie aus Deutschland sterben 40 % der hospitalisierten Sepsispatientinnen und -patienten an ihrer Erkrankung. Auf der Intensivstation beträgt die Letalität rund 34 % und liegt damit 5,5-fach höher als bei anderen Intensivpflichtigen, berichtete Prof. Dr. Stefan Kluge, Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf.
Bei der Sepsis ist aber nicht nur die Akutsterblichkeit ein Problem, sondern auch die langfristige Prognose. Wie Prof. Kluge in seinem Skript zum Vortrag schreibt, haben Überlebende häufig mit einem Post-Sepsis-Syndrom zu kämpfen, das durch kognitive Defizite und psychische Störungen, etwa ein posttraumatisches Belastungssyndrom, gekennzeichnet ist. Zudem können chronische Organschäden resultieren. Eine monozentrische Registerstudie aus Jena zeigte zudem eine massive Übersterblichkeit nach überstandenem Ereignis: Die Gesamtsterblichkeit betrug 48 Monate nach der Diagnosestellung 74 %.
Notärztinnen und -ärzte denken fast nie an eine Sepsis
Obwohl die Inzidenz der Sepsis hoch ist, denkt präklinisch kaum jemand daran. Ein entsprechender Verdacht wird vom Rettungsdienst nie und von Notärztinnen und -ärzten nur in 0,1 % der Fälle dokumentiert. Auch in den überlasteten Notaufnahmen und den Pflegestationen – immerhin werden ca. 57 % der zugrundeliegenden Infektionen im Krankenhaus erworben – besteht Optimierungsbedarf. Dabei wäre durch Früherkennung in den ersten 24 Stunden der Erkrankung therapeutisch am meisten zu gewinnen, betonte Prof. Kluge.
Um die Situation zu verbessern, wird in Krankenhäusern ab Januar 2026 das „Qualitätssicherungsverfahren Sepsis“ eingeführt. Bei gesetzlich Versicherten über 18 Jahre mit Sepsis sind eine kontinuierliche fallbezogene Dokumentation und eine jährliche Übermittlung der Daten gefordert. Geprüft wird u. a., wie oft bei den Betroffenen ein Screening erfolgt war. Liegt die Quote unter 90 %, gilt die Klinik als auffällig. Von dem neuen Verfahren ausgenommen sind nur Pädiatrien, Psychiatrien und Augenkliniken.
Nach Aussage von Prof. Kluge bedeutet dies, dass bei allen Patientinnen und Patienten regelmäßig, d. h. bei der Aufnahme und am besten in jeder Pflegedienstschicht, geprüft werden muss, ob eine Sepsis vorliegt. Dafür stehen verschiedene Scores zur Verfügung, die sich in unterschiedlicher Zusammensetzung auf Parameter wie Temperatur, Herzfrequenz, Blutdruck, Atemfrequenz, Glasgow-Coma-Scale, Sauerstoffpartialdruck, Sauerstoffzufuhr und Leukozytenzahl stützen. In der Klinik von Prof. Kluge hat man den Early-warning-Score etabliert, der zwei- bis dreimal täglich erfasst wird – ein nach Aussage des Kollegen „unglaublicher Aufwand“.
Quelle: Infektiologie-Update-Seminar