
Nach der Diagnose noch genauer hinsehen Sexuell übertragbare Erkrankungen bei Kindern wichtige Marker für Missbrauch

Behandelt man ein Kind mit einer sexuell übertragbaren Infektion (sexually transmitted infection, STI), ist es wichtig, sich genau mit der epidemiologischen Lage, Transmissionswegen (siehe Kasten) und der Entwicklung des Kindes auseinanderzusetzen. Aus epidemiologischen Kohortenstudien geht hervor, dass bei weniger als 10 % der Kinder, die im Verdacht stehen, sexuell missbraucht zu werden eine STI diagnostiziert wird. Die am häufigsten gefundenen STI-Erreger bei Kindern sind Neisseria gonorrhoe, Chlamydia trachomatis und Trichomonas vaginalis. Infektionen mit dem humanen Papillomavirus oder Herpesviren kommen zwar vor, sie können aber auf anderen Wegen erworben worden sein, was die Interpretation erschwert, erklärte Prof. Dr. George-Sorin Tiplica von der Carol Davila University of Medicine and Pharmacy in Bukarest.
Alle Leitlinien zu dem Thema betonen, wie wichtig es ist, ganzheitlich zu arbeiten und medizinische, psychosoziale und forensische Expertise zu bündeln, so der Referent. Gleichzeitig sollte man im Gespräch mit der Familie vorsichtig vorgehen. Wie Prof. Tiplica unterstrich, bestätigt sich nur bei einem Teil der Verdachtsfälle der Tatbestand. Kinderschutzdienste sollten seiner Meinung nach dennoch immer bei Verdacht auf möglichen Missbrauch verständigt, aber auch über bestehende Zweifel (andere, nicht-sexuelle Transmissionswege) informiert werden.
Beweismittelkette sehr sorgfältig dokumentieren
Wichtig bei der Erfassung sind der Infektionszeitpunkt in Bezug auf die Geburt und der Zeitpunkt der klinischen Präsentation. Als sehr wahrscheinlich wird ein Missbrauch angesehen bei Kindern ab dem 28. Lebenstag mit Gonorrhö, Chlamydien, Trichomonas, nicht-kongenitaler Syphilis sowie mit einer nicht-perinatalen HIV-Infektion.
Für die Diagnose sollte man auf hochspezifische Tests zurückgreifen und die Probenahme akribisch dokumentieren (Beweismittelkette), damit die Ergebnisse einer juristischen Prüfung standhalten können. Eine Wiederholung der Tests empfiehlt Prof. Tiplica nach ein bis zwei Wochen sowie nach vier Wochen und drei Monaten, um auch Infektionen mit einer längeren Inkubationszeit (HIV, Syphilis) finden zu können. Die Interpretation der Ergebnisse erfolgt in Bezug auf Patientenhistorie, der klinischen Untersuchung und anderen Offenlegungen.
Transmissionswege der STI
- perinatale Infektion
- sexueller Kontakt (genitale oder digitale Penetration)
- nicht sexuelle Wege (selten, z. B. Objekte (bei HPV-Infektionen) oder Autoinokulation)
Nach US-Daten können perinatal erworbene Infektionen mit Chlamydien zwei bis drei Jahre persistieren, bei HPV sind es bis zu fünf Jahre.
Das positive Testergebnis kann zu einem zentralen juristischen Beweismittel werden – inklusive eigener Aussage vor Gericht. Auszuschließen sind daher falsch-positive Ergebnisse, Kontaminationen sowie eine perinatale Infektion. Gleichzeitig sollte man darauf achten, das Kind vor weiteren traumatischen Erfahrungen – auch durch Untersuchungen – so gut es geht zu schützen. Verpflichtungen gegenüber der Familie (Vertraulichkeit, Diskretion) müssen gegen die Schutzpflicht des Kindes abgewogen werden.
Die Identifikation einer STI im Kindesalter sollte immer eine umfassende Beurteilung vorbeugender Maßnahmen zum Schutz des Kindes (Safeguarding) nach sich ziehen, erinnerte der Experte. Auf Diagnose und Therapie folgt eine psychologische Betreuung. Diese beinhaltet neben der unmittelbaren Krisenintervention auch mittel- und langfristige Ansätze, um posttraumatische Belastungsstörungen, Depression und Angststörungen zu adressieren. „Die Genesung des Kindes hängt von diesen Maßnahmen genauso ab, wie von dem medizinischen Management der Infektion“, hob Prof. Tiplica hervor.
Missbrauchte tragen oft lebenslang an den Folgen
Betrachtet man die Statistik, zeigten Menschen, die im Kindesalter sexuellen Missbrauch erlebt haben, häufiger ein sexuelles Risikoverhalten und haben eine lebenslang erhöhte Wahrscheinlichkeit für STI und ungewollte Schwangerschaften. Auf gesellschaftlicher Ebene ist es daher wichtig, Missbrauch früh zu identifizieren und Betroffene entsprechenden Aufklärungs- und Impfprogrammen zuzuführen.
*European Academy of Dermatology and Venerology
Quelle: Kongressbericht EADV* Congress Paris 2025