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Shared-Decision-Konzept erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Therapietreue

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Es braucht mehr als nur eine gründliche Patientenaufklärung, denn auch Empathie und Interesse am Patienten spielen eine wichtige Rolle. Es braucht mehr als nur eine gründliche Patientenaufklärung, denn auch Empathie und Interesse am Patienten spielen eine wichtige Rolle. © iStock/jacoblund
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Es ist frustrierend: Sie erklären einem Patienten ganz genau, warum er sein neues Medikament dringend braucht, und was macht er? Er nimmt es nicht ein. Dabei lässt sich mit einfachen Mitteln eine Top-Adhärenz erreichen.

Chronisch Kranke nehmen im Schnitt nur die Hälfte der verschriebenen Medikamentendosis, schreiben Dr. Ellen M. Driever und Professor Dr. Paul L. P. Brand vom Isala Hospital in Zwolle. Die wichtigste Ursache einer mangelnden Asthma-Kontrolle ist beispielsweise nicht etwa die unzureichende Wirksamkeit der verordneten Medikamente, sondern die Non-Adhärenz. Sogar bei Schwerkranken.

Wenn die mangelnde Therapietreue der Patienten auffällt, setzen viele Ärzte auf Erklärungen, wiederholen das Gesagte immer wieder – im Glauben, dass ein wohl informierter Patient schon mitmachen wird. Doch für sich genommen ist das ein Mythos, warnen die Autoren. Eine gründliche Aufklärung allein sorge noch nicht dafür, dass beispielsweise ein Asthmapatient sein inhalatives Steroid täglich anwende­.

Denn die meisten Patienten haben ihre eigenen Vorstellungen von Krankheit und Therapiebedarf. Diese werden durch frühkindliche Erfahrungen und familiäre Muster ebenso gespeist wie von der Laienpresse und über das Internet. Auch die Einschätzung möglicher Nebenwirkungen wird – bewusst oder unbewusst – durch psychosoziale Faktoren beeinflusst. Dadurch hängt die Adhärenz vor allem von der subjektiven Sicht des Patienten ab, nicht vom objektiven Nutzen einer Behandlung.

Kommunikation oft wichtiger als fachliche Kompetenz

Ein zusätzliches Problem in der Praxis: Die meisten Menschen erwähnen ihre unzureichende Therapietreue nicht von sich aus, z.B. weil es ihnen peinlich ist oder sie den Arzt in seinem Bemühen um ihre Gesundheit nicht enttäuschen wollen. Sie sind aber durchaus bereit, über das Problem zu sprechen. Die Bereitschaft hängt davon ab, ob sie Vertrauen fassen: Oft spielt der Kommunikationsstil des Doktors eine größere Rolle als die fachliche Kompetenz.

Fast alle Patienten möchten in die Entscheidung über ihre Therapie einbezogen werden. Damit das Shared-Decision-Konzept gelingt, empfehlen die Kollegen aus den Niederlanden, gezielt die Prioritäten der Behandlung abzufragen. Erfahrungsgemäß sind die meisten Patienten gern bereit, über ihre Motivation zu sprechen, wenn sie spüren, dass sich ihr Gegenüber dafür interessiert und ihnen mit Empathie begegnet. So können Sie viel über die Gründe und Formen einer möglichen Non-Adhärenz erfahren (siehe Kasten). Auch andere Barrieren wie Armut, gestörte Familienverhältnisse oder psychische Erkrankungen werden in einem solchen Gespräch eher erwähnt. Kritik an der mangelnden Therapietreue hingegen verstärkt nur die Angst vor Arztbesuchen.

Drei Formen der Non-Adhärenz

  • unbeabsichtigt: missverstandene Dosierung/Applikation, Verwechslung von Medikamenten, fehlendes Therapieverständnis.
  • unberechenbar: Probleme mit der Behandlung, weil diese zu komplex ist, oder aufgrund eines zu chaotischen Lebensstils.
  • absichtlich: Patient lehnt die Therapie ab, weil nach seiner Einschätzung der Schaden den Nutzen überwiegt (häufigste Form).

Zudem gilt: Auch wenn die Leitlinien noch so sehr für bestimmte Therapien plädieren, kann man sich trotzdem auch dagegen entscheiden. Die Autoren haben deshalb bei ihren besonders Medikamenten-kritischen Patienten das Wort „verschreiben“ abgeschafft. Stattdessen unterbreiten sie eine Therapie­option, die dem Patienten zur Wahl gestellt wird.

Nicht alle Informationen auf einmal an den Kopf knallen

Gemeinsam getroffene Entscheidungen erleichtern es dem Patienten, den Therapieplan einzuhalten. Um sicherzugehen, sollte man das ausdrückliche Einverständnis einholen. Dieses Konzept funktioniert auch bei Kindern, deren Eltern stellvertretend entscheiden müssen. Als Beleg dafür präsentieren die Autoren ihre eigene Patientenkohorte: Nach bis zu einem Jahr Follow-up lag die Adhärenz der jungen Asthmapatienten immer noch bei 84 % – ein sehr hoher Wert für chronisch Kranke.

Sieben Tipps für das Gespräch

  • Fragen Sie Ihren Patienten, was sie besprechen wollen.
  • Betonen Sie, dass Sie sich für seine Präferenzen und Ansichten interessieren.
  • Erkundigen Sie sich gezielt nach den Vorstellungen, die Ihr Patient von seiner Krankheit und der Behandlung hat sowie nach (möglichen) Barrieren, Therapieempfehlungen zu befolgen.
  • Hören Sie gut zu und antworten Sie mit Respekt und Empathie.
  • Informieren Sie Ihren Patienten nur, wenn er es wünscht.
  • Schlagen Sie eine Behandlung vor, statt sie zu "verordnen".
  • Suchen Sie das ausdrückliche Einverständnis des Patienten für die Therapie.

Abschließend betonen die Kollegen, dass insbesondere die partnerschaftliche Haltung dafür sorgt, dass die Informationen besser aufgenommen werden und somit die Grundlage für vernünftige Entscheidungen bildet. Denn natürlich muss der Patient für eine anhaltende Adhärenz Beweggründe und Logik hinter der Therapie verstehen. Daher ist die Patienteninformation in diesem Kontext kein Mythos, sondern eine Maxime. Allerdings sollte man immer fragen, ob der Patient die Infos auch hören möchte, und die Fakten portionsweise servieren, nicht alles auf einmal.

Quelle: Driever EM, Brand PLP. Breathe 2020; 16: 19033; DOI: 10.1183/20734735.0338-2019