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 Untersuchung Sicher auf den Berg

Autor: Dr. Elke Ruchalla

In jedem Fall sollten Menschen mit Vorerkrankungen, deren Symptome fluktuieren können, nur dann Höhen erklimmen, wenn die Krankheit gut kontrolliert ist. In jedem Fall sollten Menschen mit Vorerkrankungen, deren Symptome fluktuieren können, nur dann Höhen erklimmen, wenn die Krankheit gut kontrolliert ist. © iStock/AscentXmedia
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Während die einen im Urlaub lieber am Strand liegen wollen, zieht es die anderen in die Berge. Bei manchen Patienten sind allerdings besondere Vorsichtsmaßnahmen notwendig, ehe sie zum Gipfelsturm aufbrechen dürfen.

Reisende, die nach Höherem streben, müssen vor allem mit einer Abnahme des Umgebungsluftdrucks und damit des Sauerstoffpartialdrucks rechnen, schreiben Dr. Andrew Luks von der Division of Pulmonary, Critical Care, and Sleep Medicine an der University of Washington in Seattle und Kollege. Grundsätzlich können alle Bergsteiger, vorerkrankte wie gesunde, in großen Höhen, Probleme bekommen. Im Einzelnen geht es um Höhenkopfschmerz, akute Höhenkrankheit, Höhenhirn- oder -lungenödem sowie zentrale Schlafapnoe. Die beiden ersteren Diagnosen treten bei Weitem am häufigsten auf, meist ab etwa 2.500 Meter, die Ödeme für gewöhnlich erst ab 3.000 bis 3.500 Metern.

Richtige Tourenplanung hilft bei Akklimatisierung

Wichtigste Vorbeugungsmaßnahme ist ein langsamer Aufstieg: Daher sollte man schon vor der Reise feste Pläne für die beabsichtigten Touren machen. Diskutiert wird auch eine Präakklimatisierung, bei der man sich vor der Unternehmung kontrolliert einer Hypoxie aussetzt. Zusätzlich zu diesen allgemeinen Ratschlägen empfehlen die US-amerikanischen Kollegen bei Patienten, deren Erkrankung sie in großen Höhen besonderen Risiken aussetzt, eine spezielle Beratung. Vier Fragen genügen:

  1. Besteht für den Kranken das Risiko einer schweren Hypoxämie oder einer unzureichenden Gewebeoxygenierung in großen Höhen?
  2. Besteht das Risiko einer unzureichenden Anpassung der Atmung an den verminderten Sauerstoffgehalt der Umgebung?
  3. Bestehen Risiken durch pulmonalarterielle Reaktionen auf eine Hypoxie? (Bei alveolärem Sauerstoffmangel tritt normalerweise eine hypoxische pulmonale Vasokonstriktion auf.)
  4. Fördert die Hypoxie möglicherweise Komplikationen einer Grunderkrankung? Daraus ergeben sich zwei Gruppen: In Gruppe 1 wird mindestens eine der Fragen mit „Ja“ beantwortet. Das betrifft unter anderem Patienten mit COPD, interstitieller Lungenerkrankung, Rechtsherzinsuffizienz oder Hochrisikoschwangerschaft. In Gruppe 2 werden alle Fragen verneint. Menschen aus Letzterer können, unter Beachtung der allgemeinen Vorsichtsmaßnahmen, direkt in die Berge starten.

In Gruppe 1 sind zumindest weitere Spezialuntersuchungen nötig, beispielsweise Lungenfunktionstests, eine Blutgasanalyse, kardiopulmonale Belastungsprüfungen oder ein Höhentest (Hypoxietest). Je nach Ergebnis muss der hoffnungsvolle Alpinist danach seine Reisepläne ändern und die Tour bleiben lassen (siehe Kasten).

Kontraindikationen für Reisen über 2.500 m Höhe

  • fortgeschrittene COPD (FEV1 < 30 % des vorhergesagten Wertes)
  • fortgeschrittene zystische Fibrose (FEV1 < 30 % des vorhergesagten Wertes)
  • fortgeschrittene restriktive Lungenerkrankung (totale Lungenkapazität < 50 % des vorhergesagten Wertes)
  • dekompensierte Herzinsuffizienz
  • Herzinfarkt oder Schlaganfall in den letzten 90 Tagen
  • schlecht kontrollierte Epilepsie
  • pulmonale Hypertonie (systolischer pulmonal-arterieller Druck > 60 mm Hg)
  • Sichelzellanämie n instabile Angina pectoris
  • unbehandelte zerebrovaskuläre Hochrisikoabnormität (z.B. Aneurysma, arteriovenöse Mal-formation)

Die meisten Risikoscores, die Reaktionen auf einen verminderten Luftdruck bzw. Sauerstoffgehalt prüfen, stammen aus der Flugmedizin und beziehen sich auf den Kabinendruck – entsprechend einer Höhe von 1.500 bis ca. 2.400 Metern. Wenn jemand wesentlich größere Höhen anstrebt, nutzen diese Scores nicht viel. Eine Echokardiographie oder kardiopulmonale Belastungstests unter hypoxischen Bedingungen wären da schon geeigneter, allerdings verfügen nur wenige Spezialzentren über die entsprechenden Geräte. Demnach gilt als bester Test: Moderate Höhen ausprobieren, wie sie in vielen Skigebieten vorherrschen, und die Reaktion prüfen. Gibt es Probleme, stehen in solchen Touristenhochburgen erfahrene Mediziner vor Ort bereit. Geht es gut, können die Patienten langsam(!) weiter aufsteigen. Das beste Mittel gegen nahezu alle Höhenkrankheiten ist – neben dem Abstieg – Sauerstoff. Große Flaschen werden aber von Fluggesellschaften nicht befördert. Sie erlauben jedoch kleine, batteriebetriebene Sauerstoffkonzentratoren. Alternativ besteht an einigen Zielen, z.B. in manchen Skigebieten, die Möglichkeit, Sauerstoffgeräte zu mieten. In jedem Fall sollten Menschen mit Vorerkrankungen, deren Symptome fluktuieren können, z.B. Asthma oder Herzinsuffizienz, nur dann Höhen erklimmen, wenn die Krankheit gut kontrolliert ist. Idealerweise führen sie immer alle verordneten Medikamente, auch Bedarfspräparate, so mit, dass sie ständig greifbar sind. Und Achtung: Bestimmte Geräte, beispielsweise Glukosemonitore und Insulinpumpen, arbeiten nur bis zu bestimmten Höhen und Temperaturen zuverlässig. Die Reisenden sollten das vorher herausfinden und die Geräte warm einpacken oder auf alternative Methoden zurückgreifen.

Quelle: Luks AM, Hackett, PH. N Engl J Med 2022; 386: 364-373; DOI: 10.1056/NEJMra2104829