Prävention wirkt Strategien für das multimorbide Zeitalter
Berlin. Eine frühzeitige Lebensstiländerung oder der frühe Einsatz von Metformin kann die Erkrankung an Typ-2-Diabetes bei Menschen mit Prädiabetes um bis zu 3,5 Jahre verzögern.
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Die Studie mit über 3.000 Erwachsenen mit Prädiabetes zeigt, dass sowohl eine intensive Lebensstiländerung als auch die Einnahme von Metformin das Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken, deutlich senken können.1 Die Studienergebnisse unterstreichen, dass Prävention differenziert wirksam ist – je nach Alter, Risikoprofil und Geschlecht. Besonders Frauen mit vorangegangenem Gestationsdiabetes profitieren nachweislich von strukturierten Lebensstilprogrammen. Neben der Verzögerung des Diabetes zeigte sich auch eine anhaltend höhere gesundheitsbezogene Lebensqualität in der Lebensstilgruppe – insbesondere bei Frauen. In der Lebensstilgruppe entwickelten Frauen seltener mikrovaskuläre Komplikationen – möglicherweise, weil sie stärker von der Intervention profitierten oder diese konsequenter umsetzten. „Wir brauchen Programme, die individuelle Lebensrealitäten und Belastungen mitdenken – etwa von Frauen in Familienverantwortung. Nur so gelingt Prävention dort, wo sie am meisten bewirken kann. Erste gesundheitsökonomische Analysen deuten zudem auf ein langfristig günstiges Kosten-Nutzen-Verhältnis hin“, bilanziert Professorin Dr. Julia Szendrödi, Präsidentin der DDG, Heidelberg.
Längeres Leben ohne Diabetes durch frühe Interventionen
In der Diabetes Prevention Program (DPP) Study konnte bei Proband*innen innerhalb von drei Jahren durch Lebensstilintervention die Diabetesrate um 58 % und durch Metformin um 31 % im Vergleich zur Placebogruppe reduziert werden.2 Die Nachbeobachtungsstudie DPP Outcomes Study (DPPOS) bestätigte diese positiven Effekte: Nach 21 Jahren war die Lebensstilgruppe um 24 % seltener von Diabetes betroffen als die Placebogruppe. Mit der Lebensstilintervention konnte die Hälfte der Gruppe den Diabetes um 3,5 Jahre hinauszögern. Die Metformingruppe erkrankte wiederum 17 % weniger an Diabetes als die Placebogruppe und die Hälfte der Betroffenen hatte ein um 2,5 Jahre längeres diabetesfreies Leben. Die Ergebnisse zeigen aber auch: Nicht jede Maßnahme wirkt bei jedem gleich. Während Lebensstilprogramme in allen Altersgruppen erfolgreich sind, profitiert von Metformin vor allem die Altersgruppe der 25- bis
44-Jährigen. „Metformin ist zurzeit nicht zur Behandlung des Prädiabetes zugelassen – eine Neubewertung erscheint jedoch angesichts der Evidenz sinnvoll“, betont Prof. Szendrödi.
| DDG und DANK: Prävention braucht Struktur und politischen Willen |
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| Aus den Studienergebnissen leitet sich laut DDG und DANK ein klarer Handlungsauftrag für die politischen Entscheider ab: Prävention muss früher ansetzen, es braucht klare politische Rahmenbedingungen, die ein gesundheitsförderndes Umfeld schaffen. „Wir wissen, was wirkt – nun braucht es auch den politischen Willen, Prävention allen zugänglich zu machen“, fordert Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der DDG und Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK). „Gesundheitsförderung darf nicht von Wohnort oder Einkommen abhängen. Prävention ist keine Privatsache – sie ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung.“ |
Immer mehr Menschen leben mit mehreren Krankheiten
Immer mehr Menschen erkranken früher, leben mit mehreren chronischen Krankheiten gleichzeitig – ein Phänomen, das die Fachwelt als multimorbides Zeitalter beschreibt. Die Ursachen sind klar: ein steigendes Lebensalter, zunehmende soziale Ungleichheiten und ein immer früherer Krankheitsbeginn, wie eine aktuelle Nature-Analyse zeigt.3 „Wir müssen diese Entwicklung ernst nehmen und handeln, bevor die Gesellschaft von der steigenden Krankheitslast überwältigt wird“, mahnt Prof. Szendrödi. „Steigt die Zahl chronischer Erkrankungen weiter, geraten Gesundheitssysteme zunehmend an ihre Grenzen“, sagt sie. „Ohne strukturierte Prävention wird Typ-2-Diabetes voraussichtlich früher auftreten und vermehrt mit weiteren Erkrankungen einhergehen.“
1. Knowler WC et al. Lancet Diabetes Endocrinol 2025 Jun; 13(6): 469-481; doi: 10.1016/S2213-8587(25)00022-1
2. Diabetes Prevention Program (DPP) Research Group. Diabetes Care 2002 Dec; 25(12): 165-71; doi: 10.2337/diacare.25.12.2165
3. Gregg EW et al. Commun Med 5, 42 (2025); doi: 10.1038/s43856-025-00742-9