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Mildes Asthma Symptomlast korreliert nur unzureichend mit Exazerbationsrisiko

ERS 2023 Autor: Manuela Arand

Die Kollegin plädierte dafür, auch beim milden Asthma inflammatorische Phänotypen zu unterscheiden. Die Kollegin plädierte dafür, auch beim milden Asthma inflammatorische Phänotypen zu unterscheiden. © Hanna Syvak - stock.adobe.com
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Die Diagnose „mildes“ Asthma zu stellen, hat aus klinischer Sicht keinen Sinn – zumindest, wenn man die bisher gängigen Definitionen nutzt. Es führt dazu, dass die Erkrankung unterschätzt und häufig inadäquat behandelt wird.

Zwei von drei Asthmapatienten kommen ohne eine Dauertherapie oder mit einem niedrig dosierten inhalativen Steroid (ICS) aus. Sie erfüllen somit die Kriterien, nach denen u.a. GINA eine Asthmaerkrankung als mild einstuft, erklärte  Prof. Dr. ­Florence ­Schleich, Universität Lüttich.  Statt die Diagnose post hoc anhand der Therapie zu stellen, ziehen andere Definitionen klinische Symptome, Lungenfunktion und Exazerbationsrate bei behandelten bzw. unbehandelten Patienten heran. Keine berücksichtigt jedoch, dass manche Asthmatiker ihre Symptome schlecht wahrnehmen, ihre Exazerbationen übersehen werden können und somit die Krankheit untertherapiert bleibt und die Lungenfunktion beschleunigt abnimmt. Für Prof. Schleich ist die aktuell bes­te Definition die, die kürzlich ein internationales Expertengremium im Auftrag der American Thoracic Society erarbeitet hat. Danach ist von einem milden Asthma auszugehen, wenn das Exazerbationsrisiko niedrig ist und mit oder ohne Therapie nur gering ausgeprägte Symptome vorliegen.

Die Kollegin plädierte dafür, auch beim milden Asthma inflammatorische Phänotypen zu unterscheiden. Wie Studien zeigen, finden sich unter den „milden“ Asthmatikern überdurchschnittlich viele Frauen, häufig mit niedrigem BMI und einer Sensibilisierung gegen Aeroallergene. Neben diesem allergisch geprägten Phänotyp gibt es aber auch den mit eosinophiler oder neutrophiler Inflammation. Vor allem Patienten mit hoher Eosinophilenzahl und/oder hohem FeNO sollte man im Auge behalten, weil sie besonders gefährdet sind, Exazerbationen zu entwickeln, betonte Prof. Schleich. Das legt zumindest eine Post-hoc-Analyse der START-Studie nahe, in der 19 % der Patienten mit > 300/µl Eosinophilen im Blut schwere Exazerbationen unter kurz wirksamen Beta-2-Agonisten in Monotherapie erlitten, aber nur 4–6 % derer mit niedrigeren Zellzahlen. Auch der Benefit der ICS-Dauertherapie, die in dieser Studie gegen SABA mono und gegen ICS/Formoterol bei Bedarf getestet wurde, stieg mit der Eosinophilenzahl

Prof. Schleich hält es deshalb für sinnvoll, bei mildem Asthma Risikofaktoren zu prüfen (schlechter ACQ-Score, FEV1 < 80 %, hoher SABA-Verbrauch, Komorbiditäten) und die Biomarker Eosinophile und FeNO zu nutzen, um das individuelle Risiko abzuschätzen. So lassen sich Patienten identifizieren, die dauerhaft oder bei Bedarf ein ICS bekommen sollten. Stehen die Messwerte nicht zur Verfügung, sollte man auf jeden Fall ICS/Formoterol verordnen, um einer möglichen eosinophilen Inflammation entgegenzuwirken.

Prof. Dr. J. ­Christian ­Virchow, Universität Rostock, hält den Terminus mildes Asthma nicht nur für überflüssig, sondern für irreführend und gefährlich. Er werde zumeist mit „alles in Ordnung und unter Kontrolle“ assoziiert und lege zudem nahe, dass die Krankheit einfach zu behandeln sei, so sie denn überhaupt eine Therapie brauche. „Das führt zu einer oberflächlichen Diagnostik, einem unangemessenen Vertrauen in Bronchodilatatoren und nicht zuletzt zum Verzicht auf weitere Forschung“, erklärte der Pneumologe. 

Mildes Asthma ist mehr als ein bisschen Bronchialobstruktion und reduzierte FEV1. Im Vergleich zu Gesunden bringen es Betroffene auf höhere Fehlzeiten bei der Arbeit, sie benötigen mehr Arztbesuche und landen häufiger in Notaufnahmen und Kliniken. 30–50 % aller intensiv­medizinisch behandelten Exazerbationen betreffen Patienten, die in den Monaten zuvor seltener als einmal wöchentlich Symptome hatten. Und selbst unvorhersehbare Todesfälle sind in dieser Patientengruppe keine Ausnahme. 15–20 % der Asthma­sterbefälle betreffen Patienten mit geringer Symptomlast. „Das lässt daran zweifeln, dass sich das Risiko bei dieser hochgradig variablen Erkrankung allein an Zahl und Art der verordneten Medikamente festmachen lässt, wie es GINA tut“, sagte Prof. Virchow. Dies müsse vor allem Hausärzten nahegebracht werden, die Biomarker wie Eosinophile und FeNO selten messen und daher schwer abschätzen können, wie es um die Inflammation in den Atemwegen bestellt ist. 

Für den Kollegen stellt sich die Frage, ob man dem Patienten, aber auch zuweisenden Ärzten und sich selbst einen Gefallen tut, wenn man Etiketten wie mild oder schwer benutzt. Besser und eingängiger sei es, Betroffenen das Risiko für künftige Komplikationen darzustellen, das mit ihrer Form der Erkrankung einhergeht, und sinnvolle Therapieziele zu besprechen. „Wenn wir den Begriff mildes Asthma weiter benutzen wollen, brauchen wir eine konzise Definition, die das künftige Risiko einschließt“, stimmte Prof. Schleich zu. Leider gebe es noch keinen in Langzeitstudien validierten Kalkulator für das individuelle Risiko. Eine Phänotypisierung sei ebenfalls wünschenswert, aber wohl nicht in jedem Setting möglich.

Quelle: ERS* International Congress 2023

*    European Respiratory Society