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Meldepflichtige virale Zoonosen Tierisch bis tödlich

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Rötelmäuse sind in Deutschland für etwa 780 Hantavirusinfektionen pro Jahr verantwortlich. Rötelmäuse sind in Deutschland für etwa 780 Hantavirusinfektionen pro Jahr verantwortlich. © Henning Harmelink – stock.adobe.com
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SARS-CoV-2 und das Mpox-Virus haben gezeigt, wie empfänglich die Bevölkerung auch in Deutschland für Krankheitserreger aus dem Tierreich ist. Neben diesen beiden haben in den vergangenen Jahren aber noch einige weitere virale Zoonosen an Bedeutung gewonnen.

Die Erreger viral bedingter Zoo­nosen verbreiten sich dauerhaft in bestimmten Tierarten. Diese Reservoirwirte tolerieren die Infektion meist ohne Symptome. Wenn das Virus beim sogenannten Spillover auf den Menschen überspringt, kann das für ihn tödlich enden, schreiben Prof. Dr. Rainer­ Ulrich­ vom Friedrich-Loeffler-Institut auf der Insel Riems bei Greifswald und Kollegen.

Hantaviren

In regelrechten Wellen treten in Deutschland Hantavirus-Erkrankungen auf, meist als Folge einer Infektion mit dem Hantavirus-Typ Puumala­. Reservoir des Erregers ist ausschließlich die Rötelmaus (Myodes­ glareolus­, Syn.: Clethrionomys­ glareolus­). In Jahren mit einer starken Vermehrung dieses Nagers steigen die Fallzahlen steil an. Die Übertragung erfolgt überwiegend indirekt, etwa beim Einatmen von kot- und urinkontaminiertem Staub, wohl aber auch direkt durch Mäusebisse. 

Das Puumala-Virus ist im westlichen, südlichen und nordwestlichen Deutschland verbreitet. Ein Großteil der Infektionen verläuft asymptomatisch oder mit unspezifischen, oft grippeähnlichen Beschwerden. Schwere Verläufe manifestieren sich in Europa als hämorrhagisches Fieber mit renalem Syndrom. Die Letalität liegt dann zwischen 0,1 und 12 %. In Amerika droht aufgrund der dort vorherrschenden Spezies ein hantavirus-induziertes kardiopulmonales Syndrom mit deutlich höherer Sterblichkeit von bis zu 35 %. Gemeldet werden hierzulande derzeit durchschnittlich 780 Hanta­virus-Infektionen pro Jahr. 

Hepatitis-E-Virus

Die Ansteckung mit dem Hepatitis-E-Virus (HEV) erfolgt überwiegend durch den Verzehr von unzureichend erhitztem Fleisch vom Haus- oder Wildschwein. Auch die Übertragung durch kontaminiertes Trinkwasser, über Blutprodukte und den direkten Kontakt mit Schweinen, aber auch über Kaninchen, Ratten oder andere Tiere ist möglich.

Bei Schweinen verläuft die Infektion symptomlos und fällt auch beim Schlachten nicht auf. HEV ist sehr stabil und übersteht gängige Methoden zur Haltbarmachung des Fleisches wie Trocknen, Pökeln oder das Reduzieren des pH-Werts.

Die meisten HEV-Infektionen beim Menschen verursachen allenfalls leichte Symptome. Kommt es zur akuten Hepatitis, fallen grippeähnliche Beschwerden auf, Oberbauchschmerzen und Ikterus. Chronische Erkrankungen können bis zur Leberzirrhose fortschreiten. Deutschlandweit werden jährlich etwa 3.400 Hepatitis-­E-Virus-Infektionen gemeldet.

Bornaviren

Infektionen mit dem Borna Disease­ Virus 1 (BoDV-1­) sind mit derzeit sechs bis sieben gemeldeten Fällen in Deutschland zwar selten, sie enden aber nahezu immer tödlich. Die Betroffenen klagen anfangs meist über Fieber und Kopfschmerzen, später fallen neurologische Symptome wie Sprachstörungen und Verwirrtheit auf. Kommt es zur progressiven Enzephalitis, liegt die Letalität bei mehr als 95 %. Der früher viel diskutierte Zusammenhang einer BoDV-1-­Infektion mit psychiatrischen Erkrankungen hat sich nicht bestätigt.

Als Reservoir gilt gegenwärtig die Feldspitzmaus (Crocidura­ leucodon­). Die Tiere tragen das Virus vermutlich lebenslang in sich und scheiden den Erreger über den Speichel, Urin und Kot aus, ohne zu erkranken. Neben dem Menschen sind etliche Säugetiere für ­BoDV-1 empfänglich, allen voran Pferde, Schafe sowie Lamas und Alpakas.

FSME-Virus

Das Frühsommer-Meningoenzephalitis-Virus wird hierzulande vor allem durch die Stiche des Gemeinen Holzbocks (Ixodes­ ricinus­) übertragen. Zur manifesten Infektion kommt es allerdings nur bei 5–10 % der Stiche, während die Transmission durch Lebensmittel nahezu immer zur Erkrankung führt.

Die natürliche Übertragung erfolgt zwischen den Zecken und verschiedenen Kleinsäugern. Letztere entwickeln eine ausreichende Vir­ämie, sodass blutsaugende Zecken den Erreger aufnehmen können. Der Mensch ist ebenso wie größere Waldtiere und viele Haustiere ein Fehlwirt. Ziegen, Schafe und Kühe scheiden das Virus aber mit der Milch aus, weshalb kontaminierte Molkereiprodukte zur Infektion führen können.

In Deutschland kommt es pro Jahr zu 350 bis 700 FSME-Fällen, von denen etwa 85 % auf Bayern und Baden-Württemberg entfallen. Die Impfung wird allen Menschen empfohlen, die sich in Landkreisen mit erhöhtem Risiko aufhalten und dort womöglich Zecken ausgesetzt sind. 

West-Nil-Virus

Das West-Nil-Virus kommt inzwischen in vielen südeuropäischen Ländern vor. In Deutschland ist es seit 2018 endemisch. Es zirkuliert in der Natur zwischen Stechmücken und Vögeln. Die Blutsauger können den Erreger an Wildschweine, Hunde und Schafe übertragen, die normalerweise nicht erkranken. Bei Pferden und dem Menschen hingegen kann es zur klinisch apparenten Infektion kommen.

Nach maximal zweiwöchiger Inkubationszeit entwickeln 10–20 % der Infizierten grippeähnliche Beschwerden wie Fieber, Schüttelfrost, Kopf- und Gliederschmerzen. Die Symptome klingen meist nach etwa einer Woche ab. Eine Meningoenzephalitis entwickelt nur einer von hundert Infizierten. Sie äußert sich je nach betroffenem Hirnareal mit schlaffen Lähmungen, Ataxien oder Bewusstseinsstörungen. Die Letalität liegt dann bei etwa 10 %. Eine kausale Therapie steht nicht zur Verfügung. Impfstoffe sind hierzulande bisher nur für Pferde zugelassen. 

Influenza-A-Viren

Zu den zoonotischen Influenza-A-Viren zählen hochvirulente aviäre Erreger des Typs H5N1 und H7N9, die vor allem in Asien auftreten. In Deutschland wurde bislang keine Infektion eines Menschen mit einem Vogel-­Influenzavirus festgestellt. Das zoonotische Potenzial der aktuell in Deutschland bei Wildvögeln zirkulierenden hochpathogenen H5N1-Viren halten die Autoren für gering. 

Anders sieht das mit Influenza­viren des Schweins aus. Bekanntes Beispiel ist das H1N1-Virus von 2009, das die sog. Schweinegrippe verursacht. Zwar kommt es gelegentlich zu Infektionen mit einem porkinen Influenzavirus. Betroffen sind aber fast nur Personen mit Kontakt zu Schweinen.

Quelle: Ulrich RG et al. Bundesgesundheitsbl 2023; 66: 599-616; DOI: 10.1007/s00103-023-03709-0