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Transfusionen: Spender und Empfänger unterschiedlicher Herkunft passen häufig nicht zusammen

Autor: Friederike Klein

Gegebenenfalls muss national oder sogar international nach einem Spender gesucht werden. Gegebenenfalls muss national oder sogar international nach einem Spender gesucht werden. © iStock/Rawpixel
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Bei Erythrozyten-Membranantigenen werden häufig und selten vorliegende Varianten unterschieden. Populationen aus verschiedenen Kontinenten können in ihrem „Standard“ aber sehr voneinander abweichen. Das kann zu Problemen bei Transfusionen führen.

Europäische Blutspender können für Menschen anderer Herkunft, die eine Transplantation benötigen, ungeeignet sein, erläuterte Privatdozent Dr. Christoph Frohn, Facharzt für Transfusionsmedizin aus Geesthacht. Hierzulande sind etwa die Antigene U oder Fy3 auf der Erythrozytenmembran sehr häufig, kommen aber bei Menschen aus Afrika seltener vor. Bei Personen aus Äquatorialafrika fehlen sie sogar fast gänzlich.

Benötigt nun ein afrikanischstämmiger Patient mit Blutgruppe 0, dem Rhesusmuster ccddee und Antikörpern gegen Fy3 eine Transfusion, so passt rein rechnerisch nur einer von zehntausend Blutspendern in Europa zu diesem Profil. „Der Patient ist mit europäischen Blutspendern nicht zu versorgen!“, resümierte Dr. Frohn.

Kaiserschnitt könnte Probleme bereiten

Er berichtete von einer 29-jährigen Frau aus Syrien in der zweiten Schwangerschaft. In der Routineuntersuchung im Rahmen der Mutterschaftsvorsorge fand sich ein auffälliger Befund: Die Antikörpersuche reagierte mit allen Testzellen, die Eigenprobe war negativ. Das Zentrallabor des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) in Baden-Baden fand Anti-U-Antikörper – es gibt nur wenige Labore in Deutschland, die solche Antikörper überhaupt analysieren, erläuterte Dr. Frohn.

Mit den Anti-U-Antikörpern scheiden bei einer etwaigen Bluttransfusion fast alle Spender aus Europa oder dem arabischen Raum aus: Die Häufigkeit des U-Antigens liegt in Europa bei 99,58 %, in Arabien immerhin noch bei 92 %. Anti-U-Antikörper können zu einem Morbus haemolyticus neonatorum und Transfusionsreaktionen führen. Es drohte also eine Schädigung des Feten und bei Transfusionsbedarf auch der Mutter, z.B. im Rahmen eines Kaiserschnitts.

Glücklicherweise ergab die Kontrolle mit einer fetalen Doppler­sonographie keinen Hinweis auf eine fetale Hämolyse, schilderte der Referent. Wegen einer Beckenendlage war aber absehbar, dass eine Sektio notwendig werden könnte. Daher wurde geprüft, ob Blutprodukte für die Frau verfügbar sind – die Sektio kam nur infrage, wenn ein Erythrozytenkonzentrat (EK) innerhalb von 24 Stunden verfügbar ist.

Internationale Suche nach Spender war erforderlich

In Deutschland gibt es praktisch keinen Spender. In Hagen waren die einzigen zwei U-negativen Spender registriert, die aber ABO-inkompatibel waren. Aus Paris wäre ein kryo­konserviertes EK lieferbar gewesen und es war ein Spender bekannt. Die Kosten für das EK beliefen sich auf 300 Euro, der Transport hätte allerdings mehr als 1000 Euro gekostet. In Amsterdam verfügbare Blutprodukte wären noch teurer gewesen. Dabei ist ein Bestellen „auf Abruf“ nicht möglich, betonte Dr. Frohn. Wenn die Entscheidung fällt und das EK geliefert wird, muss es bezahlt werden. Egal, ob es am Ende gegeben wurde oder nicht.

Letztlich kam das Kind per Kaiserschnitt gesund und ohne Anämie zur Welt. Auch die Mutter benötigte kein Erythrozytenkonzentrat. Sie hat sich das Problem aber zu Herzen genommen und will nach Beendigung der Stillzeit Blut spenden gehen, so der Experte.

Spendersuche läuft

Zur Verbesserung der Situation gibt es derzeit intensive Bemühungen vonseiten der Blutspendeeinrichtungen, berichtete Dr. Frohn. Einige Blutspendedienste bemühen sich darum, vermehrt afrikanische Spender zu gewinnen. Ein Beispiel: Der DRK-Blutspendedienst West mit Sitz in Hagen engagiert sich im Projekt BluStar.NRW – Verbund zur Typisierung potenzieller Blut- und Stammzellspender unter Flüchtlingen und Migranten in Nordrhein-Westfalen.

Im Alltag, beispielsweise bei transfusionspflichtigen Patienten mit Mye­lodysplastischem Syndrom, empfiehlt Dr. Frohn:
  • Bei auffälligen serologischen Befunden bei Patienten mit afrikanischen Wurzeln und möglichem Transfusionsbedarf sollte immer ein Speziallabor involviert werden.
  • Wenn ein in Europa ungewöhnlicher Antigen- oder Antikörperbefund vorliegt, muss die Spendersuche gegebenenfalls national oder sogar international durchgeführt werden.
  • Wenn ein Spender gefunden wurde, müssen die Logistik und die Kos­tenübernahme geklärt werden.

Quelle: DGHO-Jahrestagung 2019