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Apraxie wegstimulieren? Transkranielle Magnet- und Gleichstrombehandlungen unterstützen die Rehabilitation

DGN 2023 Autor: Friederike Klein

Eine tDCS-Behandlung kann die Verbesserung der Apraxie beschleunigen. Eine tDCS-Behandlung kann die Verbesserung der Apraxie beschleunigen. © Simography2019 – stock.adobe.com
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Menschen mit Apraxie haben Schwierigkeiten, bedeutungslose Gesten zu imitieren, Werkzeuggebrauch pantomimisch darzustellen und zielgerichtet Objekte und Werkzeuge einzusetzen. Ursache sind Läsionen in den zuständigen neuronalen Netzwerken, meist in der motordominanten linken Hemisphäre.

Apraxie zeigt sich klinisch darin, dass die Patienten beispielsweise Schwierigkeiten haben, Gesten zu imitieren, Werkzeuggebrauch pantomimisch darzustellen und Gegenstände zielgerichtet einzusetzen. Ursache für eine Apraxie sind meist Läsionen in Netzwerken der motordominanten linken Hemisphäre, erläuterte Prof. Dr. ­Cornelius ­Weiller, Direktor der Neurologischen und Neurophysiologischen Universitätsklinik in Freiburg. Mithilfe einer Trakto­grafie lassen sich die kortikalen Netzwerke identifizieren, in denen die apraktischen Defizite ihren Ursprung haben. Diese stellen Ansatzpunkte für transkranielle Stimulationsverfahren dar, so Prof. Weiller.

Die transkranielle Magnetstimulation (TMS) ermöglicht eine präzise Stimulation bestimmter Hirnregionen, indem dort Aktionspotenziale ausgelöst werden. Die transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) dagegen ist ein etwas gröberes Stimulationsverfahren. Letzteres aber könnte für komplexe Netzwerkstörungen durchaus ein Vorteil sein, glaubt Prof. Dr. Peter­ Weiß-­Blankenhorn, Leiter der AG Kognitive Neurologie  am Universitätsklinikum Köln. Die Stimulation mit tDCS führt zu einer Modulation des Membranpotenzials. Die anodale Stimulation erhöht und die kathodale Stimulation erniedrigt die Wahrscheinlichkeit, dass es an den Neuronen zu einer Entladung kommt. Es gibt einfache, mobile tDCS-Geräte, die auch gut in der Reha einzusetzen sind, erklärte Prof. Weiss-Blankenhorn. Die Stimulation merkt der Behandelte kaum.

Beide Verfahren sind prinzipiell dazu geeignet, Erregung zu fazilitieren oder zu inhibieren. Weil es in Fragen der Motorik eine interhemisphärische Rivalität gibt, kann man entweder die geschädigte Hemisphäre direkt stimulieren oder die Funktion der nicht betroffenen Hemisphäre hemmen, was dann zu einer Disinhibition in der kontra­lateralen Hirnhälfte führt. Forscher aus Luzern setzten 2022 in einer Studie eine Theta-Burst-TMS inferior parietal rechts ein, um diese Hemisphäre bei Patienten mit linkshemisphärischer Läsion herunterzufahren. Die Behandlung führte im Vergleich zur Shamstimulation zu einer signifikant verbesserten Nachahmung von Gesten. Je schwerer das Apraxie-Defizit war, desto deutlicher war der Effekt der TMS. Außerdem hatte die Stärke der Verbindung der beiden Hemisphären im Splenium einen Effekt auf die Wirksamkeit. Das unterstreicht, wie bedeutend die Zusammenarbeit der Hirnhälften für apraktische Phänomene ist.

In einer anderen Studie kam die tDCS am linken posterioren parie­talen Kortex von sechs Patienten mit ideomotorischer Apraxie zum Einsatz. Sechs gesunde Probanden dienten als Kontrollen. In beiden Gruppen reduzierte die anodale Stimulation die Exekutions- und die Planungszeit. Dabei veränderte die Stimulation des primär motorischen Kortex die Exekutionszeit, die des parie­talen Kortex die Planungszeit, erläuterte Prof. Weiß-Blankenhorn. Nur nach der parie­talen Stimulation aber zeigte sich bei den Patienten eine tatsächliche Verbesserung der Apraxie.

Diese Studie war der Aufhänger für eine weitere shamkontrollierte Untersuchung mit einer anodalen tDCS (fazilitierend) über dem linken parietalen Kortex bei 30 Patienten mit einer Apraxie nach Schlaganfall. Im Gegensatz zu den anderen Studien wurde allerdings fünf Mal (einmal täglich von montags bis freitags) und nicht nur einmal stimuliert. Parallel dazu gab es ein motorisches Training. Das könnte laut Prof. Weiss-Blankenhorn wichtig sein, um die Plastizität des anvisierten Systems anzuregen. In der Studie zeigte sich ein deutlicher Effekt auf die Apraxie nach dem Kölner Apraxie-Score. Drei Monate später gab es allerdings keinen Unterschied zwischen den Gruppen mehr, weil die in der Studie shamstimulierten Patienten inzwischen aufgeholt hatten. „Wir können die Besserung also beschleunigen“, war das Resümee von Prof. Weiss-Blankenhorn. Aktuell läuft eine große randomisierte und shamkontrollierte Studie mit tDCS zur Unterstützung der Rehabilitation von 110 Patienten mit schlaganfallinduzierter Apraxie. Die Ergebnisse werden für das nächste Jahr erwartet.

Quelle: Kongressbericht DGN*-Kongress 2023 (Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V.)