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Gastroenteritis nach Fernreise  Traumurlaub mit üblen Nachwirkungen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Das Erregerspektrum in Risikogebieten unterscheidet sich deutlich von dem in Mitteleuropa. Das Erregerspektrum in Risikogebieten unterscheidet sich deutlich von dem in Mitteleuropa. © Tryfonov - stock.adobe.com
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Im Winter zieht es Viele in wärmere Gefilde. Doch so manches Reiseland gilt als Hochrisikogebiet für die Reisediarrhö. Und einige Urlauber bringen den Durchfall nach Hause mit. Was bei einer Gastroenteritis von Reiserückkehrern zu tun ist und was vor der Reisediarrhö schützt, fasst eine neue Leitlinie zusammen.

Die Definition ist einfach: Eine Reisediarrhö besteht, wenn ein Patient im besuchten Land mindestens drei ungeformte Stühle pro Tag ausscheidet. Ein Durchfall, der nach der Rückkehr persistiert, wird Diarrhö bei Reiserückkehrern genannt. Für einen schweren Verlauf sprechen Fieber, blutige Fäzes und eine vorbestehende Komorbidität (z.B. Immunsuppression). Besonders gefährdet sind Säuglinge und Senioren. 

Das Erregerspektrum in Risikogebieten unterscheidet sich deutlich von dem in Mitteleuropa. So treten häufiger Infektionen mit enterotoxischen E.-coli-Stämmen (ETEC) auf. Auch andere pathogene Kolibakterien (EAEC, EIEC*) sowie Shigellen und Protozoen (Giardia lamblia, Entamoeba histolytica) werden vermehrt nachgewiesen, in den letzten Jahren zunehmend Noroviren, schreiben die Leitlinienautoren um Dr. ­Carolyn ­Manthey aus Witten. 

Eine mikrobiologische Abklärung ist bei Reiserückkehrern indiziert, wenn mindestens eine der folgenden Konstellationen vorliegt: 

  • fieberhafte oder blutige Diarrhö, 
  • Krankheitsdauer länger als fünf Tage, 
  • schwerer Verlauf mit Exsikkose, Hypotonie und/oder Tenesmen. 

Aus epidemiologischen Gründen ebenfalls empfohlen wird die mikrobiologische Diagnostik in Ausbruchssituationen und bei Gruppenerkrankungen.

Rückkehrer aus Malariagebieten mit Fieber und Diarrhö sollen umgehend auf eine Infektion mit Plasmodien untersucht werden, fordern die Verfasser der Leitlinie. Schließlich leiden bis zu 25 % der Patienten mit M. tropica an Durchfällen. Eine klinische Differenzierung von der fieberhaften Diarrhö anderer Genese ist wegen überlappender Beschwerden oft nicht möglich. 

Anhaltende Diarrhö erforderteine Erregerdiagnostik

Außerdem wird bei allen Durchfallpatienten mit einer Körpertemperatur über 38,5 °C die Anlage von Blutkulturen empfohlen. So lassen sich bakteriämische Verläufe einer Shigellose, Salmonellose oder Campylobacterinfektion erfassen. Auch andere wichtige Differenzial­diagnosen wie der Typhus abdominalis können ausgeschlossen werden. 

Patienten mit anhaltender Diarrhö (> 14 Tage) nach einer Fernreise sind primär auf bakterielle Erreger (Campylobacter, Salmonellen, Shigellen), Entamoeba histolytica und Lamblien zu untersuchen. Das weitere Vorgehen hängt von der Situation ab. Wenn die initiale Diagnostik keinen pathologischen Befund ergibt, ist vor allem bei Immunsupprimierten nach Yersinien, Mykobakterien, Kokzidien, Mikrosporidien und Helminthen zu fahnden. Eine vorausgegangene Antibiotika- oder Chemotherapie lenkt den Verdacht auf Clostridioides difficile. Eine Eosinophilie lässt sich eventuell auf Strongyloides stercoralis oder Isospora belli zurückführen. Nach einem Langzeitaufenthalt im Reiseland ist mit einer tropischen Sprue zu rechnen (Dünndarmbiopsie). 

Empirisch mit Antibiotika behandelt werden sollten Patienten mit Fieber und/oder Blutabgängen oder erhöhtem Komplikationsrisiko. Empfohlen wird eine möglichst kurze Therapiedauer, beispielsweise 1.000 mg Azithromycin als Einzeldosis. Bei unblutigen Diarrhöen können als nicht-resorbierbare Wirkstoffe Rifamycin oder Rifaximin verordnet werden. 

Wenn eine Infektion mit Ent­amoeba histolytica vermutet wird, soll vor dem Beginn der antibiotischen Behandlung eine mikrobielle Diagnostik stattfinden. Schwer kranke Patienten können auch empirisch therapiert werden. Dafür eignet sich z.B. Metronidazol in einer Dosierung von dreimal täglich 10 mg/kgKG (max. 3 x 800 mg). Die Applikation erfolgt intravenös oder oral über zehn Tage. Zur anschließenden Zystenelimination eignet sich ­Paromomycin (25–35 mg/kgKG per os für 7–10 Tage).

Therapeutisch steht die Rehydratation an erster Stelle

Vor der Reise empfehlen die Leitlinienautoren eine sorgfältige Aufklärung über Möglichkeiten zur Selbstbehandlung. Der Patienten sollte wissen, dass im Ausland akquirierte Diarrhöen überwiegend leicht und selbstlimitierend verlaufen. Therapeutisch steht die Rehydratation an erster Stelle. Geeignet ist neben kommerziellen Produkten die WHO-Trinklösung mit einer Osmolarität von 245 Osm/l. Folgende Zu­sammen­setzung auf 1 Liter Wasser wird empfohlen: Natrium­ci­trat 2,9 g, Natrium­chlorid 2,6 g, Glukose 13,5 g, Kalium­chlorid 1,5 g. Die Wirkung von Tannin, Kaolin, Pektin und Carbo medicinalis ist bisher nicht belegt. 

Wenn eine ausreichende Flüssigkeitsaufnahme oral nicht möglich ist, sollte umgehend ein Arzt aufgesucht werden, erinnern die Leitlinienautoren. Dieser Rat gilt auch bei fieberhaften oder blutigen ­Diarrhöen, anhaltendem Erbrechen, reduziertem Allgemeinzustand (Exsikkose, Hypertonie, Kollapsneigung) und relevanter Komorbidität, z.B. einer Immunsuppression. 

Eine Beratung im Vorfeld der Reise ist sinnvoll

Patienten mit ausgeprägten Durchfallsymptomen dürfen vorübergehend Loperamid einnehmen. Der Einsatz des Motilitätshemmers muss aber auf zwei Tage und maximal 16 mg/d begrenzt werden. Bei blutigen Stühlen und Fieber ist die Anwendung wegen der erhöhten Gefahr für ein toxisches Megakolon kontraindiziert. Alternativ kommt der Enkephalinase-Inhibitor ­Racecadotril in Betracht. 

Im Vorfeld einer Reise ist eine Beratung zu Nahrungsmittelhygiene und zu individuellen Risikofaktoren sinnvoll. Am besten gibt man den Patienten die Informationen schriftlich mit, empfehlen die Autoren. Dann würden sie eher ernst genommen. Keine Indikation besteht für den vorsorglichen Einsatz von Probiotika. Auch eine Antibiotikaprophylaxe wird nicht generell empfohlen. Für Risikopatienten z.B. mit Immunsuppression oder einer chronisch-entzündlichen Darmerkrankung kommt sie in Ausnahmefällen infrage.

*    enteroaggregative E. coli, enteroinvasive  E. coli

Quelle: S2k-Leitlinie „Gastrointestinale Infektionen“, AWMF-Register-Nr. 021-024, www.awmf.org