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Implantierbare Defibrillatoren Über die Deaktivierung am Lebensende reden

Autor: Ulrike Viegener

Den implantierten Defibrillator wieder abzustellen ist technisch möglich, aber ist es auch ethisch und rechtlich korrekt? Den implantierten Defibrillator wieder abzustellen ist technisch möglich, aber ist es auch ethisch und rechtlich korrekt? © iStock/LeslieLauren
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Implantierbare Defibrillatoren können ein friedliches Sterben verhindern. Deshalb fordern internationale Leitlinien eine frühzeitige Aufklärung der Patienten über die Option der Deaktivierung zum Lebensende hin. In der Praxis gibt es jedoch aufseiten der Ärzte große Unsicherheit im Umgang mit diesem Thema.

Die automatische Korrektur schwerer ventrikulärer Arrhythmien durch einen implantierbaren Defibrillator (ICD) kann einen plötzlichen Herztod verhindern und die Lebenserwartung von Risikopatienten deutlich steigern. In der Regel sterben die Betroffenen im Alter schließlich infolge anderer Ursachen, z.B. an einer Herzinsuffizienz, schreiben Megan Freemantle und Professor Dr. Fliss Murtagh vom Wolfson Palliative Care Centre der University of Hull.1

Unabhängig von der eigentlichen Todesursache kommt es im Verlauf des Sterbeprozesses zu ventrikulären Rhythmusstörungen, auf die das ICD-System mit Elektroschocks reagiert. Diese Schockereignisse können das Sterben komplizieren und zur Qual werden lassen. Das passiert nicht zwangsläufig, kommt aber laut den verfügbaren Daten häufig vor.

Viele bestehen auf ein Weiterführen der ICD-Therapie

Die Deaktivierung des ICD-Systems – technisch kein Problem – kann deshalb bei Palliativpatienten sinnvoll sein. Entscheiden muss dies letztlich der Patient. Dabei sei erwähnt, dass viele in erster Linie auf die Weiterführung der ICD-Therapie bestehen. Deshalb ist es wichtig, dass Menschen, die mit so einem Device versorgt werden, über mögliche Auswirkungen auf den Sterbeprozess aufgeklärt und zur Option der ICD-Deaktivierung am Lebensende beraten werden. Darüber herrscht Konsens.

Die zum Thema vorliegenden Leitlinien und Konsensuspapiere scheinen jedoch nicht alle relevanten Fragen erschöpfend zu beantworten. Denn aufseiten der Ärzte herrscht ein hohes Maß an Unsicherheit, was das Handling der ICD-Deaktivierung und eine entsprechende Aufklärung der Patienten anbelangt, so die beiden Autoren. Hinzu kommen die typischen Schwierigkeiten der Palliativbetreuung, auch was das Familienumfeld anbelangt, sowie das fehlende Verständnis der Betroffenen hinsichtlich Krankheit und Device. Das hat ihre Auswertung der internationalen Literatur zu dem Thema bestätigt.

Häufig wird bis zum „letzten Moment“ gewartet, bevor mit den Patienten über die Option gesprochen wird, den Defibrillator abzuschalten. Welcher Zeitpunkt für ein solches Gespräch am günstigsten ist, lässt sich möglicherweise nicht pauschal sagen – angesichts des nahenden Todes ist es aber sicher zu spät, den Patienten mit diesem Thema zu konfrontieren und eine Entscheidung zu erwirken. Viele Patienten sind zu diesem Zeitpunkt auch gar nicht mehr fähig, ihre Einwilligung zu geben. Einige Studien schlagen den Beginn der Palliativphase vor, da die sich verändernde Situation einen guten Ansatzpunkt bieten könnte.

Idealerweise unterschreiben die Patienten frühzeitig eine Patientenverfügung mit entsprechendem Zusatz, in dem sie dem Abschalten des Schrittmachers zustimmen, wenn er ein friedliches Sterben zu behindern droht. Dieses Vorgehen sehen nationale und internationale Leitlinien übereinstimmend vor. Bereits vor der ICD-Implantation sollte die Deaktivierung zum Lebensende hin angesprochen werden, forderte die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) bereits 2017 in einer Stellungnahme zum verantwortlichen Umgang mit implantierten Defis.2

Viele Ärzte sind nicht richtig informiert

Denn mögliche Probleme während des Sterbeprozesses gehören zu den Risiken und Folgewirkungen der Therapie. Eine detaillierte Beratung zum Thema könne dann später erfolgen. Der „richtige“ Zeitpunkt liegt von Fall zu Fall im Ermessensspielraum der behandelnden Ärzte.

Viele tun sich jedoch mit dem Thema schwer und weichen ihm aus. Maßgeblich sind dabei Befürchtungen, eine ICD-Deaktivierung – d.h. das Aufheben einer lebensrettenden Therapie – sei juristisch problematisch und könne als passive oder gar aktive Sterbehilfe ausgelegt werden. Dazu noch einmal die deutsche Gesellschaft für Kardiologie: Das Abschalten eines ICD-Systems mit dem Ziel, einen friedlichen, würdevollen Tod zu ermöglichen, ist „rechtsethisch grundsätzlich zulässig“. Problematisch sei vielmehr die Nicht-Aufklärung der Patienten, die zum Verantwortungsbereich der behandelnden Ärzte zählt und die dann zu Fehlentscheidungen führt.

Megan Freemantle und Professor Dr. Fliss Murtagh beschreiben in ihrem Review, der 12 Studien aus den USA, sieben aus der EU und drei aus Großbritannien erfasst, die Unsicherheit in puncto ICD-Deaktivierung zum Lebensende hin als internationales Problem.

Das Fazit aus internationaler Sicht

  • Internationale Leitlinien zur ICD-Deaktivierung am Lebensende liegen vor, sind aber in Fachkreisen nicht ausreichend bekannt. Auch die Patienten wissen oft nichts von dieser Möglichkeit.
  • Die Patientenaufklärung erfolgt häufig zu spät, und nicht selten unterbleibt eine ICD-Deaktivierung in der Sterbephase.
  • Proaktives Training von Ärzten mit Blick auf die ICD-Deaktivierung am Lebensende ist dringend erforderlich.

Auch Deutschland ist da keine Ausnahme. 2015 führte die DGK eine Online-Umfrage bei Ärzten aus kardiologischen und herzchir­urgischen Abteilungen in deutschen Kliniken durch. Nur 44 % der Befragten waren der Meinung, dass die ICD-Deaktivierung am Lebensende straf- wie standesrechtlich geklärt sei. Auch fehle es an Handlungsnormen in den Kliniken. Das Patientengespräch zur ICD-Deaktivierung findet laut der Umfrage in rund 80 % der Fälle erst in der letzten Lebensphase statt.

Quellen:
1. Freemantle M, Murtagh F. BMJ Supportive & Palliative Care 2021; DOI: 10.1136/bmjspcare-2021-002894
2. Walternberger et al. Kardiologe 2017; 11: 383-397; DOI: 10.1007/s12181-017-0185-6