Eingewachsener Nagel: Neue Leitlinie Unguis incarnatus: Was die neue Leitlinie empfiehlt

Autor: Birgit Maronde

Die zunehmend umstrittenen Nagelspangen werden durch Podologische Maßnahmen wie Entlastungsschnitte ersetzt. Die zunehmend umstrittenen Nagelspangen werden durch Podologische Maßnahmen wie Entlastungsschnitte ersetzt. © Parilov - stock.adobe.com

Neue S1-Leitlinie verbessert die Behandlung des Unguis incarnatus: Fußbäder sind passé, Nagelspangen umstritten. Welche Therapien Ärztinnen und Ärzte jetzt empfehlen sollten.

Für die Behandlung eingewachsener Nägel gibt es jetzt einen Leitfaden. Keinen Platz haben darin herkömmliche Fußbäder, Steroide und topische Antibiotika. Kritisch gesehen werden zudem Nagelspangen. 

Beim Unguis incarnatus dringt die seitliche Nagelplatte in das Weichgewebe ein und führt zur entzündlichen Reizung des Nagelwalls und überschießender Bildung von Granulationsgewebe. Typischerweise korreliert das klinische Ausmaß nicht mit den subjektiven Beschwerden. Am häufigsten finden sich eingewachsene Nägel an den Großzehen, heißt es in der aktuellen S1-Leitlinie zum Management des eingewachsenen Nagels (und Zangennagels), die unter Federführung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft erstellt wurde. Ursache ist meist eine falsche Nagelpflege der Patientinnen und Patienten, weil sie z. B. beim Abrunden der seitlichen Nagelenden einen Restdorn stehen lassen, der sich in die Nagelfurche gräbt. Zudem kann es bei falscher Pediküre zu Verletzungen des periungualen Gewebes kommen.

Per definitionem unterscheidet man drei klinische Stadien, je nachdem ob ein  seröses oder purulentes Sekret bzw. Eiter (auf Druck) austritt oder nicht (II bzw. I) oder, ob sich zusätzlich Granulationsgewebe auch gebildet hat (III), das seitlich bis über die Nagelplatte hinausreicht. Die Diagnose wird klinisch und anamnestisch gestellt, unter Berücksichtigung der möglichen Differenzialdiagnosen (s. Kasten rechts) und der Erfassung von Triggerfaktoren (Traumata, Nagelpflege etc.). 

Verschiedene Möglichkeiten, um den Druck zu nehmen

Therapeutisch kommen in allen drei Stadien podologische Maßnahmen zum Einsatz. In der Akutsituation erfolgt möglichst eine Druckentlastung, um die Schmerzen zu lindern. Dies gelingt durch einen Entlastungsschnitt im Winkel von max. 20°, Tamponaden zwischen Nagelfalz und Nagel oder Nagelfalz-Tapes. Eine weitere Möglichkeit sind Kunststoff- oder Silikonschienen, die über den seitlichen Nagelrand geschoben werden, um den seitlichen Kontakt des Nagels mit dem umgebenden Gewebe zu reduzieren (Sulci-Protektoren). Zudem sollte man die Betroffenen im Hinblick auf Risikofaktoren und Präventionsmaßnahmen beraten (s. Kasten unten) und die Wunde regelmäßig reinigen und kontrollieren.

Einwachsen vermeiden

  • Die Prophylaxe des Unguis incarnatus beginnt mit der Nagelpflege. Prinzipiell sollte man Fußnägel gerade kürzen und die lateralen Nagelenden nicht klippen bzw. abschrägen.
  • Enge, spitze und zu hohe sowie das ständige Tragen geschlossener Schuhe fördern via Druck und feuchtem Milieu eine chronische Nagelentzündung. Gleiches gilt für zu enge und ungewaschene Strümpfe. Empfohlen werden atmungsaktive Schuhe, Baumwollstrümpfe und, wenn Kompressionsstrümpfe benötigt werden, dann solche mit sogenannter Softspitze.
  • Eine regelmäßige und adäquate Fußhygiene ist essenziell.
  • Schweißfüße, inklusive einer in der Pubertät hormonell bedingte Hyperhidrose, sollten behandelt werden.

Manche Sportarten belasten die Füße erheblich und schädigen die Zehen wiederholt mechanisch. Dazu gehören u. a. Fußball, Handball, Basketball, Squash, Tennis, Bouldern und Ballett. Bei entsprechender Disposition kann es zum Einwachsen der Nägel kommen. Man sollte daher die Sportlerinnen und Sportler über mögliche Präventionsmaßnahmen aufklären. 

Hinsichtlich des Setzens von Nagelspangen sind sich die Autorinnen und Autoren beim eingewachsenen Nagel (anders als beim Zangennagel) uneinig. Podologisch argumentiert, könne man durch die medizinischen Hilfsmittel der Chronifizierung einer Entzündung entgegenwirken, da sie das umliegende Gewebe von Druck entlasten. Aus ärztlicher Sicht besteht jedoch die Gefahr, dass sich die Nagelplatte durch das Aufheben der Hyperkurvatur relativ verbreitert und so das Einwachsen verstärkt wird. „Der tatsächliche Nutzen einer Spangentherapie in dieser Indikation ist aktuell nicht durch wissenschaftliche Studien belegt und kann aufgrund derzeit unzureichender Evidenz … nicht generell empfohlen werden“, heißt es in der Leitlinie begleitend mit dem Hinweis auf eine individuelle Indikationsstellung. Bei einem Zangennagel wird die Spange als konservative Dauertherapie dagegen empfohlen, wenn andere podologische Behandlungsmaßnahmen (Ausdünnen der Nagelplatte, Beschleifen des distalenNagelrandes) nicht ausreichend sind.

Keinen Platz mehr im Therapieregime haben Fußbäder, insbesondere die mit Schmierseife, da sie die Mazeration des periungualen Gewebes verstärken und zum Aufquellen führen. Liegen nässende Hypergranulationen vor, kann man allerdings Povidon-Jod-Fußbäder mit anschließender Lufttrocknung der Füße erwägen. Indiziert sind in einem solchen Fall dagegen antiseptische Lösungen sowie das mechanische Ausräumen von Krusten und Belägen mit befeuchteten Kompressen. Nicht zum Einsatz kommen sollten topische Antibiotika, intraläsionale bzw. topische Steroide und harnstoffhaltige Externa. Die Gabe von oralen Antibiotika erscheint nur bei manifester Weichteilinfektion (Erysipel, Phlegmone) gerechtfertigt.

Operiert wird ein eingewachsener Nagel, wenn die konservativen Maßnahmen erfolglos geblieben sind oder bereits initial eine Dringlichkeit aufgrund von Schmerzen oder Funktionseinschränkungen vorliegt. Auch kann aufgrund von pathologisch-anatomischen Gegebenheiten eine beschleunigte Sanierung sinnvoll erscheinen. Bei breiter Nagelplatte erfolgt eine Verödung (nach mechanischer Entfernung des eingewachsenen Nagelteils) oder mechanische Resektion des proximalen Matrixhorns. 

Wichtige Differenzialdiagnosen
 

  • Zangennagel (häufiger bei Menschen über 60 Jahre)
  • Glomustumor, Fibrom, Hämangiom
  • subunguale Exostose
  • Fremdkörper im Nagelwall (nicht-unguinal)
  • Phlegmone
  • Panaritium, Paronychie anderer Ursache
  • Nagelpilz
  • Krallennagel

Die Exzision des kompletten Nagelbetts ist obsolet

Liegt eine ausgeprägte Hypertrophie des Nagelwalls vor oder ist es zu einem Rezidiv gekommen, kann man andere resezierende Verfahren in Erwägung ziehen. Eindeutig abgeraten wird in der Leitlinie von einer Exzision des kompletten Nagelbetts, einer kompletten Nagelplattenentfernung sowie der (Teil-)Amputation der Zehe. Lässt sich die Retronychie nicht konservativ beherrschen und ist progredient wird zu einer schonende Avulsion der Nagelplatte geraten.

Quelle: S1-Leitlinie „Management des eingewachsenen Nagels (Unguis incarnatus, Onychocryptosis) und des Zangennagels (Unguis in turriculo, Pincer-nail)“; AWMF-Register-Nr. 013-106; www.awmf.org