
Hasenpest als Biowaffe? Warum man über die Tularämie Bescheid wissen sollte

Die Tularämie kommt zwar nach wie vor sehr selten vor, jedoch steigt die Zahl der gemeldeten Fälle seit Jahren an. Von 2004 bis 2013 wurden in Deutschland durchschnittlich 15,8 Erkrankungen pro Jahr erfasst, 2014 bis 2023 waren es schon 65,0. Das Jahr 2024 markiert mit 214 gemeldeten Fällen den bisherigen Höchststand.1 Die Inzidenz folgt einem saisonalen Muster mit einem Peak im Spätsommer. Gefährdet sind vor allem Menschen mit Kontakt zu Natur und Tieren, etwa in der Jagd, der Land- und Forstwirtschaft, in Gartenbau und Fleischverarbeitung, erklärte Prof. Dr. Santiago Ewig vom Thoraxzentrum Ruhrgebiet.
Die Übertragung erfolgt u. a. über den direkten Kontakt mit infizierten Tieren. Neben Hasen und Kaninchen können alle Nagetiere (u. a. Mäuse, Biber und Eichhörnchen) betroffen sein, aber auch Füchse und Wildschweine, seltener Vögel. Zu den für Menschen relevanten Vektoren zählen blutsaugende Arthropoden wie Stechmücken, Zecken und Flöhe. Das Einatmen infektiöser Aerosole (z. B. Stäube von Exkrementen) kommt als Infektionsweg ebenfalls infrage, genauso die Einnahme von kontaminiertem Trinkwasser oder Lebensmitteln (z. B. unzureichend erhitztes Fleisch). Eine Mensch-zu-Mensch-Übertragung ist nicht bekannt.
Tückisch ist, dass sich jedes grippal beginnende Krankheitsbild als Tularämie entpuppen kann, vor allem außerhalb der Influenzasaison und bei Risikogruppen. Eine „merkwürdige“ oder unklare Histologie bei Granulomen sollte ebenfalls das Augenmerk auf die Erkrankung lenken.
Klinisch präsentiert sich die Tularämie je nach Eintrittspforte unterschiedlich. Nach kutanem Kontakt kommt es entweder zur ulzeroglandulären Form mit einem Ulkus der Haut und Lymphadenopathie oder zur rein glandulären Form. Bei der selteneren okuloglandulären Manifestation fällt eine einseitige Konjunktivitis auf. Auch mit oropharyngealen, pulmonalen und typhoiden Formen (mit unklarer Eintrittspforte und septischem Krankheitsbild) muss man rechnen. Neben der labordiagnostischen Bestätigung ist eine klinisch-epidemiologische Diagnose möglich, wenn es nachweislich Kontakt mit einem infizierten Tier gab oder ein kontaminiertes Lebensmittel verzehrt wurde.
Von F. tularensis gibt es zwei Subspezies: Der hochpathogene Typ A tritt nur in Nordamerika auf. In Europa und Asien kommt fast ausschließlich Typ B vor, mit meist milderen Infektionen. Das Bakterium wächst im Wesentlichen intrazellulär. Die antibiotische Therapie muss daher länger als üblich durchgeführt werden, was bei mildem Verlauf auch ambulant mit Ciprofloxacin oder Doxycyclin möglich ist.
Wegen seiner Eignung als Biowaffe könne F. tularensis leider künftig an Bedeutung gewinnen, so Prof. Ewig. Die US-amerikanischen CDC* schreiben dem Erreger „höchstes Gefährdungspotenzial“ zu, wie Bacillus anthracis und Yersinia pestis.
Die Infektionsdosis von nur 10–50 Organismen und die fehlende Übertragung von Mensch zu Mensch machten das Bakterium zu einer Biowaffe „par excellence“, so der Experte. Hinweise auf möglichen Bioterrorismus können u. a. eine plötzliche Häufung von Tularämie-Erkrankungen sein, das Auftreten außerhalb von naturnahen Gebieten, ein massives Tiersterben oder ungewöhnliche Resistogramme. Prof. Ewig hofft jedoch, dass dieses Wissen niemals gebraucht wird.
* Centers for Disease Control and Prevention
Quellen:
1. Robert Koch-Institut: SurvStat@RKI 2.0, survstat.rki.de, Abfrage am 07.05.2025
2. Kongressbericht - 131. Kongress der DGIM