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Muskelinvasives Harnblasenkarzinom Gemeinsam die Entscheidung treffen

Autor: Dr. Miriam Sonnet

Anhand eines Fallbeispiels klären Experten auf, wie man bei einem muskelinvasiven Harnblasenkarzinom vorgehen sollte. Anhand eines Fallbeispiels klären Experten auf, wie man bei einem muskelinvasiven Harnblasenkarzinom vorgehen sollte. © eddows – stock.adobe.com
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Wie sollte man bei einem muskelinvasiven Harnblasenkarzinom in Bezug auf Diagnostik, Therapie und Nachsorge vorgehen? Experten diskutierten dies anhand des Falls einer 55-jährigen Frau.

Prof. Dr. Hubert Rudolf­ Kübler vom Uniklinikum Würzburg präsentierte den Fall einer 55-Jährigen, die sich im Juli 2021 mit einer symptomfreien Makrohämat­urie vorstellte und an muskelinvasiven Urothelkrebs mit assoziiertem Carcinoma in situ erkrankt war. Der Referent zitierte die S3-Leitlinie Harnblasenkarzinom, laut der für ein Staging muskelinvasiver Urotheltumoren eine CT des Abdomens, des Beckens und des Thorax mit Kontrastmitteln durchgeführt werden soll. Eine Skelett­szintigrafie oder ein kraniales CT sollen nur bei klinischer Symptomatik und/oder auffälligen diagnostischen Befunden erfolgen.

So gingen auch die Ärzt:innen bei der Frau vor und diagnostizierten einen lokal fortgeschrittenen Tumor sowie einen auffälligen Lymphknoten auf der linken Seite. Zudem sahen sie in der Bildgebung einen pathologischen oberen Harntrakt mit einer deutlichen Erweiterung und beidseitige Verplumpung des Nierenbeckenkelchsystems. Der Harnleiter sei dabei nicht komplett durchgezeichnet.

Ein Isotopennephrogramm ergab eine rechtseitige Obstruktion, woraufhin eine Nierenfistel eingelegt wurde. Entsprechend der Leitlinie bestimmten die Kolleg:innen anfangs multi­disziplinär ein Therapiekonzept und besprachen (neo)adjuvante Strategien mit der Patientin. Generell müsse man den Erkrankten eine cisplatinbasierte Polychemotherapie anbieten, so der Referent. Damit ließe sich das Risiko, nach fünf Jahren am Tumor zu sterben, um rund 9 % verringern. Die Neoadjuvanz mit einer cisplatinhaltigen Kombinationschemotherapie für 3–4 Zyklen wird auch in der Leitlinie empfohlen. Die Daten für die Adjuvanz seien „dünner“, aber auch hier ließe sich eine rund 11%ige absolute Risikoreduktion für das Drei-Jahres-OS durch eine cisplatinbasierte Kombination erzielen.

Anamnese

Die Frau brachte einen Befund mit, der eine Antirefluxplastik beidseitig und eine Nierenbeckenplastik rechts, beides in der Kindheit durchgeführt, umfasste. Die Patientin rauchte und hatte eine jahrelange berufliche Exposition gegenüber Lacken, Klebern und Polyurethanschäumen.

Auf Basis des Tumorboards empfahlen die Ärzt:innen im September 2021 eine induktive Chemotherapie mit vier Zyklen Gemcitabin/Cisplatin und ein Staging jeweils nach zwei Zyklen. Der obere linke Harntrakt bildete sich deutlich zurück, der Tumor sprach gut an und die Lymphknotenmetastase ging zurück. Sie führten eine radikale Zystektomie mit partieller Kolpektomie, beidseitiger Tubenresektion, Hysterektomie und Ovarektomie links, durch.

10–16 Lymphknoten mindestens entnehmen

Prof. Kübler betonte, dass bei invasivem Harnblasenkrebs zeitgleich eine beidseitige pelvine Lymphaden­ektomie erfolgen sollte, mit Entnahme und Beurteilung von mind. 10–16 Lymphknoten. Studien deuten darauf hin, dass Erkrankte tendenziell von einer extendierten Lymph­adenektomie profitieren können.

Wichtig sei es, über die Formen der Harnableitung, und bei Frauen über das Risiko der Hyperkontinenz mit der Notwendigkeit des sterilen Einmalkatherismus, aufzuklären. Im vorliegenden Fall entschieden sich die Kolleg:innen mit der Patientin für eine Neoblase. Ein mögliches Harnröhren-Rezidiv dürfe kein Argument sein, einer Erkrankten einen orthotopen Blasenersatz zu verwehren, betonte Prof. Kübler. Das Risiko sei mit weniger als 2 % sehr gering.

Trotz neoadjuvanter Chemotherapie wuchs der Tumor persistierend muskelinvasiv und organüberschreitend. Die Frau erhielt adjuvantes Nivolumab; entsprechend der Daten aus CheckMate 274 profitieren Personen mit Hochrisiko muskelinvasivem Urothelkarzinom, die sich einer radikalen Operation unterziehen, von dieser Strategie. Die Geschichte der Patientin ende hier nicht, denn man müsse über die Notwendigkeit einer Nachsorge aufklären. 

Quellen:
Kübler HR. 74. Kongress der DGU; „Strukturierte Fallpräsentation: Muskelinvasives Harnblasenkarzinom – was man dem Patienten erklären muss“
74. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Urologie