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Obstruktive Schlafapnoe Wechselspiel mit chronischen Erkrankungen

Autor: Dr. Melanie Söchtig

Inzwischen ist klar: Zwischen obstruktiver Schlafapnoe und bestimmten anderen Krankheiten besteht ein wechselseitiger Zusammenhang. (Agenturfoto) Inzwischen ist klar: Zwischen obstruktiver Schlafapnoe und bestimmten anderen Krankheiten besteht ein wechselseitiger Zusammenhang. (Agenturfoto) © Paolese – stock.adobe.com
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Schon lange ist die obstruktive Schlafapnoe als Risikofaktor für bestimmte Erkrankungen bekannt. Seit einigen Jahren mehren sich die Hinweise darauf, dass umgekehrt einige Krankheiten die Problematik im oberen Atemtrakt begünstigen.

Die obstruktive Schlafapnoe (OSA) geht häufig mit Komorbiditäten einher, darunter Stoffwechsel-, Herz-Kreislauf-, Nieren-, Lungen- und neuropsych­iatrische Erkrankungen. Zunehmend wird klar, dass vielfach ein bidirektionaler Zusammenhang besteht, berichten Dr. ­Margaret ­Gleeson und Prof. Dr. ­Walter ­McNicholas von der Universität Dublin. Dabei spielen möglicherweise unterschiedliche Mechanismen eine Rolle.

Adipositas

Zwischen Adipositas und obstruktiver Schlafapnoe besteht in Bezug auf das kardiometabolische Risiko eine synergistische Beziehung: Durch das Zusammentreffen beider Erkrankungen wird eine Vielzahl von Prozessen (z.B. Entzündung, endotheliale Dysfunktion, Insulinresistenz) verstärkt. Bei Übergewicht können Fettansammlungen im Halsbereich eine oropharyngeale Verengung verursachen, was die Gefahr eines Kollapses der oberen Atemwege erhöht. Diese Problematik wird verschärft, wenn sich durch Bauchfett die Zugkraft auf die oberen Atemwege 
verringert. 

Diabetes

Gute Belege existieren dafür, dass sich auch OSA und Diabetes wechselseitig beeinflussen. So beeinträchtigt z.B. eine diabetesbedingte Neuropathie, die sich auf die Muskeln der oberen Atemwege auswirkt, die Atemkontrolle und prädisponiert auf diese Weise für die Schlafapnoe. Eine große retrospektive Kohortenstudie ergab eine um 48 % erhöhte OSA-Inzidenz bei Patienten mit Typ-2-Diabetes im Vergleich zu Menschen ohne diese Grunderkrankung. Dabei erwiesen sich Insulinverbrauch, diabetisches Fußsyndrom, Fettleibigkeit, kardiovaskuläre Erkrankungen und männliches Geschlecht als signifikante Risikofaktoren. 

In einer prospektiven Studie mit fast 300.000 in medizinischen Berufen tätigen Teilnehmern wurde festgestellt, dass OSA ein unabhängiger Risikofaktor für die Entwicklung eines Diabetes ist. Umgekehrt fungierte ein insulinpflichtiger Diabetes – bei Frauen – als unabhängiger Risikofaktor für eine OSA.

Herzinsuffizienz 

Die bidirektionale Beziehung zwischen Schlafapnoe und Herzinsuffizienz (HF) lässt sich teilweise durch gemeinsame Risikofaktoren wie Alter, hoher BMI und Bewegungsmangel erklären. Bei Patienten mit HF und OSA trifft man häufig einen Phänotyp mit einem verhältnismäßig niedrigen BMI an. Dies unterstützt die Hypothese, dass auch HF alleine eine schlafbezogene Atmungsstörung fördern oder verschlimmern kann, wenn andere gemeinsame Risikofaktoren wie Adipositas fehlen. Durch die nächtliche lagebedingte Umverteilung von Flüssigkeit (z.B. in das parapharyngeale Weichteilgewebe) kann sich der Widerstand der oberen Atemwege erhöhen und somit auch deren Kollapsneigung. 

Nierenerkrankung

Die Prävalenz von OSA ist bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung (CKD) bis zu zehnmal höher als in der Allgemeinbevölkerung. Die Häufigkeit steigt mit dem Schweregrad der CKD. Umgekehrt erhöht OSA das Risiko einer Nierenschädigung und geht mit einer fortschreitenden Verschlechterung der Nierenfunktion einher. Zu den Faktoren, die bei Patienten mit CKD potenziell zu einer OSA beitragen, gehört eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber dem CO2-Partialdruck bei metabolischer Azidose, was wiederum Ventilation und Apnoeschwelle beeinflusst. Darüber hinaus kann die Anhäufung urämischer Toxine und die damit verbundene Myopathie die Kollapsneigung in den oberen Atemwegen erhöhen. Weiterhin spielt vermutlich auch hier wie bei HF die Ansammlung und Umverteilung von Flüssigkeit eine wichtige Rolle.

Schlaganfall

Schlafbezogene Atmungsstörungen sind bei Patienten nach einem Schlaganfall häufig. Ob die ob­struktive Schlafapnoe einen provozierenden Faktor darstellt, indem sie bekannte vaskuläre Risikofaktoren wie Bluthochdruck potenziert, oder selbst eine Folge der schlaganfallbedingten Hirnschädigung ist, bleibt unklar. Zu den potenziell OSA-fördernden Mechanismen nach einem Schlaganfall zählt eine veränderte Schlafarchitektur, die womöglich die zentrale Atemkontrolle beeinträchtigt. Darüber hinaus kann ein Schlaganfall die Funktion der oberen Atemwegsmuskulatur verschlechtern und somit die Kollapsibilität 
erhöhen.

COPD

Der Zusammenhang zwischen COPD und OSA ist komplex: Einige Faktoren (z.B. Lungenüberblähung) wirken protektiv, während andere Faktoren wie Flüssigkeitsretention eine OSA begünstigen. Patienten mit COPD und OSA, die mittels CPAP erfolgreich behandelt werden, haben ähnliche Überlebenschancen wie Patienten mit alleiniger COPD. Demgegenüber weisen Patienten mit COPD plus OSA, die die CPAP nicht anwenden, eine höhere Sterblichkeit auf und müssen häufiger wegen akuter Exazerbationen ins Krankenhaus. Diese Befunde unterstreichen, wie wichtig es ist, eine koexistierende OSA bei Patienten mit schwerer COPD zu erkennen, um die Therapie entsprechend optimieren zu können.

Depression

Depressionen und obstruktive Schlafapnoe weisen teilweise ähnliche Symptome auf, darunter Konzentrations- und Gedächtnisprobleme sowie Fatigue. Zudem berichten depressive Patienten häufig von Schlafstörungen – möglicherweise tragen sie ein erhöhtes Risiko für eine OSA. Vermutungen über die zugrunde liegenden Mechanismen umfassen Schlaffragmentierung, häufiges Aufwachen und intermittierende hypoxische Episoden, die zu zerebraler Hypoperfusion und Dysfunktion der Neurotransmitter führen. Ein eindeutiger Nachweis für die bidirektionale Beziehung zwischen OSA und Depression steht noch aus.

Quelle: Gleeson M, McNicholas WT. Eur Respir Rev 2022; 31: 210256; DOI: 10.1183/16000617.0256-2021