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Weniger Fehldiagnosen durch Gruppenarbeit

Autor: Michael Brendler

Stecken mehrere Ärzte die Köpfe zusammen, so wird eine Fehldiagnose unwahrscheinlicher. Stecken mehrere Ärzte die Köpfe zusammen, so wird eine Fehldiagnose unwahrscheinlicher. © iStock/Thomas_EyeDesign
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Fall-Konferenz, Teambesprechung, Tumorboard – bei der Diagnosefindung ist die konstruktive und unbefangene Arbeit in der Gruppe gefragt. Schon die Meinung nur eines weiteren Arztes macht das Ergebnis deutlich akkurater.

Dr. Michael L. Barnett von der T. H. Chan School of Public Health der Harvard-Universität und Kollegen nehmen kein Blatt vor den Mund. „Die Diagnosefindung in die Hand nur eines einzelnen Arztes zu legen, führt zu falschen Entscheidungen“, schreiben die Wissenschaftler. Denn um den Herausforderungen im beruflichen Alltag Herr zu werden, würden auch Experten vereinfachende Entscheidungsregeln nutzen – und die seien nun einmal fehleranfällig. Tatsächlich wurde gezeigt, dass selbst bei ausgewiesenen Spezialisten in 21 % der Fälle eine falsche Diagnose auf dem Überweisungsschein stehe, so die Autoren.

Im Team aber müssten sich derartige Irrtümer vermeiden lassen. Um zu klären, welchen Einfluss die Gruppengröße auf die Präzision der Diagnose hat, warfen die Wissenschaftler einen Blick in die Daten des Human Diagnosis Project. Auf dessen Webseite haben sich 2069 Ärzte vor und nach Abschluss ihrer Fachausbildung sowie Medizinstudenten an der Lösung von 1572 teils kniffligen medizinischen Fällen versucht.

Auf sich allein gestellt lagen die Teilnehmer in 37,5 % der Fälle mit ihren Diagnosen daneben. Selbst die Spezialisten irrten sich bei jedem dritten Patienten. Im Team aber waren die Ärzte und Studenten deutlich besser: Als Duo konnten sie ihre Fehlerquote auf 25 % senken, zu fünft sank sie auf 19,7 %, als Neunergruppe schafften sie sogar 14,4 %.

„Als Arzt sollte man sich seiner Grenzen bewusst sein“

Besonders im Vergleich von Einzelpersonen mit Zweier­teams fällt der Anteil der falschen Diagnosen steil ab. Letztendlich müsse sich ein solcher Aufwand jedoch in der Realität bewähren, schränken die Autoren ein. Denn die Abstimmung in der Gruppe brauche Zeit und bringe erhebliche Mehrarbeit mit sich. Die Möglichkeiten durch Smartphone und Internet dürften aber weiterhelfen.

„Als Arzt sollte man sich seiner Grenzen bewusst sein und die eigenen Schwächen anerkennen“, schreibt Dr. Stephan D. Fihn von der Universität Washington in einem begleitenden Kommentar. Ganz gleich, welche technologischen Hilfsmittel zur Verfügung stünden: Bescheidenheit und die Bereitschaft, den Rat von Kollegen anzuhören, seien entscheidend, um Fehldiagnosen zu vermeiden.

1. Barnett ML et al. JAMA Netw Open 2019; 2: e190096
2. Fihn SD. A.a.O.: e191071