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Chronische Meningitis Wenn die Inflammation nicht weichen will

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Die Liquoranalyse ist bei der Abklärung einer chronischen Meningitis Pflicht. Die Liquoranalyse ist bei der Abklärung einer chronischen Meningitis Pflicht. © Science Photo Library/Fraser, Simon/ Newcastle Upon Tyne/Royal Victoria Infirmary
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Eine Meningitis, die länger als vier Wochen besteht und persistierende Symptome verursacht, gilt als chronisch. Ihr können eine ganze Reihe Ursachen zugrunde liegen, die nicht immer leicht aufzudecken sind.

Zu den möglichen Symptomen einer chronischen Meningitis gehören Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit, Persönlichkeitsveränderungen und Fieber. Auch Hirnnerven-Dysfunktionen wie Hörverlust oder Doppelbilder können auf eine chronische Meningitis hinweisen. Weitere potenzielle Krankheitszeichen sind Hydrocephalus und erhöhter Hirndruck, Krampfanfälle, schlaganfallähn­­liche Episoden sowie kranielle Neuropathien oder Radikulopathien. Nackensteifigkeit tritt im Gegensatz zur akuten Meningitis selten auf.

Kognitive Veränderungen betreffen etwa 40 % der Patienten und sind manchmal das einzige Krankheitszeichen, warnte Dr. Allen Aksamit von der Mayo Clinic in Rochester. Bei Patienten mit einer schnell fortschreitenden Demenz müsse daher die chronische Meningitis als Differenzialdiagnose bedacht werden. Ein stetig zunehmender Kopfschmerz, vor allem in Verbindung mit mentalen Veränderungen, solle immer Anlass zu einer raschen Lumbalpunktion geben, mahnte der Kollege.

Aussaat von Tumorzellen in die Meningen?

Das Ursachenspektrum ist bei der chronischen Meningitis breit (s. Kasten). In puncto Infektionen sollte man beachten, dass je nach geographischer Region unterschiedliche Keime vorherrschen. In den USA z.B. sind Kryptokokken derzeit die am häufigsten zu findenden Erreger, wenn es bei Menschen mit eingeschränkter Immunfunktion und HIV/AIDS zu einer chronischen Hirnhautentzündung kommt.

Mögliche Auslöser einer chronischen Meningitis

infektiös: 
  • bakteriell: Mycobacterium tuberculosis, Listeria monocytogenes, Borrelia burgdorferi, Treponema pallidum, Tropheryma whipplei, Leptospiren, Brucellen, Nokardien, Pseudomonaden
  • viral: HIV, Enterovirus (chronisch)
  • durch Pilze: Cryptococcus neoformans/C. gattii, Histoplasma capsulatum, Blastomyces dermatitidis, Coccidioides immitis, Sporothrix schenckii, Aspergillus, Candida sp.
  • parasitär: Taenia solium (razemöse Form), Angiostrongylus cantonensis, Toxoplasma gondii
  • Parameningeale infektiöse Ursachen: chronischer Epiduralabszess, chronische Osteomyelitis des Schädels oder der Wirbel
nicht-infektiös 
  • neoplastisch: meningeale Karzinomatose/Lymphomatose/Gliomatose, leukämische Infiltration, andere primäre ZNS-Tumoren (z.B. Ependymom, Germinom)
  • chemisch: Kraniopharyngeom, Dermoid- oder Epidermoidzyste
  • autoimmun: Granulomatose mit Polyangiitis (früher M. Wegener), rheumatoide Arthritis, Sjögren-Syndrom, Morbus Still, Primäre ZNS-Angiitis, IgG4-Krankheit, idiopathische hypertrophe Pachymeningitis, Neurosarkoidose, neurologischer M. Behçet, Vogt–Koyanagi–Harada-Krankheit

Autoimmunerkrankungen rufen per se entzündliche Prozesse an den Meningen hervor und prädisponieren für opportunistische Infektionen. Neoplasien führen u.U. durch die Aussaat von Tumorzellen zu einer chronischen Meningitis, und schließlich geben manche Tumoren oder Zysten chemische Substanzen in die Zerebrospinalflüssigkeit ab, die eine inflammatorische Reaktion der Meningen hervorrufen. Auch parameningeale Infektionen zählen zu den möglichen Auslösern einer chronischen Meningitis. In der Diagnostik hat die Lumbalpunktion einen sehr großen Stellenwert. Die Zellzahl im Liquor ist bei einer chronischen Hirnhautentzündung fast immer erhöht, meist in Form einer Lymphozyten-prädominanten Pleiozytose. Eine hohe Zahl von Neutrophilen kann auf bestimmte infektiöse Ursachen wie Mycobacterium tuberculosis hinweisen. Eosinophile sind dagegen häufig bei Parasiten oder bestimmten Pilzen vermehrt. Einige infektiöse und nicht-infektiöse Ursachen (z.B. Sarkoidose, meningeale Metastasen) gehen mit einem erniedrigten Glukosespiegel einher. Folgende weitere Untersuchungen sollten mit dem Liquor laufen:
  • Kulturen auf Bakterien, Mykobakterien und Pilze (bis zu dreimal bei schwierig zu kultivierenden Erregern)
  • serologische Tests auf Syphilis und Pilzinfektionen
  • Test auf Kryptokokken-Antigen
  • Zytologie
  • Messung von Protein- und Glukosekonzentrationen
Zur Abklärung gehören außerdem eine kontrastmittelverstärkte MRT des Kopfes, der Check auf Syphilis, HIV und Lyme-Borreliose im Serum, eine CT des Thorax (zum Ausschluss von Lymphadenopathie, Granulomen oder Neoplasien) und ein Tuberkulin-Hauttest. Lässt sich mit all dem keine eindeutige Diagnose stellen bzw. der Erreger nicht identifizieren, kann man im Liquor mithilfe von Antigen-, serologischen und PCR-Tests nach weiteren möglichen Erregern fahnden. PCR-Tests auf multiple Organismen, die für akute Meningitiden entwickelt wurden, helfen bei chronischen Verläufen meist weniger. Next Generation Sequencing wird in der Forschung erprobt, ist aber noch nicht anwendungsreif. Bei Patienten mit chronischer Meningitis und zunehmender neurologischer Verschlechterung aber uneindeutigen Testergebnissen kommt eine Biopsie des Gehirns und der Meningen infrage. Allerdings gibt es kaum Daten dazu, in wie vielen Fällen dadurch eine klare Ursache ans Licht kommt. Doch selbst wenn der Erreger nicht eindeutig zu identifizieren ist, kann möglicherweise die Art der histologischen Veränderungen (z.B. granulomatös, vaskulitisch, nekrotisierend etc.) einen Hinweis darauf geben, welche Therapie sinnvoll sein könnte.

Bei erfolgloser Spurensuche an Tuberkulose denken

Lässt sich trotz aller Bemühungen kein Auslöser festmachen, versucht man typischerweise eine Therapie mit Antituberkulotika, Antimykotika oder Glukokortikoiden. Dabei sollte die Prävalenz der Tuberkulose in der Region beim Abschätzen der Erfolgswahrscheinlichkeit berücksichtigt werden. In einer US-amerikanischen Untersuchung wurde Ende der 1980er Jahre auf diese Weise letztendlich bei 40 % von über 80 Fällen ohne bekannte Ursache eine tuberkulöse Meningitis identifiziert. Eine generelle Aussage zur Prognose lässt sich wegen der großen Vielfalt der möglichen Ursachen nicht machen. Es steht zu hoffen, dass Fortschritte in der Diagnostik, zum Beispiel bei der Entwicklung von Antikörpernachweisen für Autoimmunerkrankungen oder beim Next Generation Sequencing, die Rate an eindeutigen Diagnosen erhöhen und damit eine gezielte Therapie erlauben werden.

Quelle: Aksamit AJ. N Engl J Med 2021; 385: 930-935; DOI: 10.1056/NEJMra2032996