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Hepatosplenomegalie Wenn die Lysosomen am Messie-Syndrom leiden

Autor: Dr. Andrea Wülker

Ein markantes Krankheitszeichen der lysosomalen Speicherkrankheiten ist die Hepatosplenomegalie. Ein markantes Krankheitszeichen der lysosomalen Speicherkrankheiten ist die Hepatosplenomegalie. © Science Photo Library/ VSEVOLOD ZVIRYK
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Fallen bei einem erwachsenen Patienten eine vergrößerte Leber und eine geschwollene Milz auf, vermutet man wahrscheinlich zuerst eine fortgeschrittene Leber­erkrankung oder ein hämatologisches Problem. Aber es könnte auch etwas Seltenes dahinterstecken – eine lysosomale Speicherkrankheit beispielsweise.

Als zentrales Stoffwechselorgan ist die Leber bei genetischen Stoffwechselerkrankungen – wie Hämochromatose, Morbus Wilson oder Alpha-1-Anti­trypsinmangel – oft betroffen. Doch auch andere Erbkrankheiten wie lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) können sich an der Leber manifestieren und eine Hepato­splenomegalie bedingen, schreiben Prof. Dr. ­Vanessa ­Stadlbauer-­Köllner, Medizinische Universität Graz, und Prof. Dr. ­Elmar ­Aigner, Universitätsklinikum Salzburg. Zwar werden die meisten LSK im Kindesalter diagnostiziert, doch können leichtere Verlaufsformen auch erst im Erwachsenenalter auffallen (s. ­Kasten). 

Lysosomale Speicherkrank­heiten

Lysosomen sind Zellorganellen, die vom Körper nicht mehr benötigte Makro­moleküle verstoffwechseln. Sie enthalten zahlreiche Enzyme, die z.B. Lipide, Mukopolysaccharide etc. abbauen. Funktioniert eines dieser Enzyme nicht mehr richtig oder fehlt es, sammelt sich die abzubauende Substanz an, was verschiedene Störungen nach sich zieht.

Heute sind über 70 Enzymdefekte und damit verschiedene lysosomale Speicherkrankheiten (LSK) bekannt, die jeweils sehr selten sind. Schwere Formen manifestieren sich bereits bei Babys oder Kleinkindern, während sich leichtere Varianten oft erst im Erwachsenenalter bemerkbar machen.

Da man als Mediziner bei Erwachsenen nicht unbedingt eine LSK auf dem Schirm hat und die Symptomatik recht unspezifisch sein kann, verstreicht oft viel Zeit bis zur Diagnosestellung.
Wenn sich also ein Erwachsener mit einer Hepatosplenomegalie in der Praxis vorstellt, sollte man differenzialdiagnostisch auch an folgende Erkrankungen denken:

  • Morbus Gaucher
  • Mangel an saurer Sphingomyelin­ase (ASMD), Morbus Niemann-Pick Typ B
  • Mangel an lysosomaler saurer Lipase (LAL-D), Cholesterinester-Speicher­erkrankung

Die Zeichen und Symptome dieser drei seltenen Erkrankungen sind in der Tabelle aufgelistet.

Symptome der drei lysosomalen Speicherkrankheiten im Überblick

Morbus Gaucher

Mangel an saurer Sphingomyelinase (ASMD)

Mangel an lysosomaler saurer Lipase (LAL-D)

  • Hepatosplenomegalie

  • Hyperferritinämie

  • Thrombopenie

  • Anämie

  • Blutung

  • Fatigue

  • Hypergammaglobulinämie, monoklonale Gammopathie unklarer Signifikanz (MGUS), Myelom

  • Knochenerkrankung

  • Parkinsonsymptome

  • Gallensteine 

  • interstitielle Lungenerkrankung

  • Raumforderung der Milz

  • Hepatosplenomegalie

  • Thrombopenie

  • Anämie

  • Blutung

  • progrediente Lebererkrankung

  • atherogene Dyslipidämie

  • prämature Atherosklerose

  • interstitielle Lungenerkrankung

  • Fatigue

  • Hyperferritinämie

  • Polyneuropathie

  • Knochenerkrankung

  • kirschroter Makulafleck 

  • Diarrhö

  • Hepatosplenomegalie

  • kryptogene, progrediente Lebererkrankung

  • Thrombopenie

  • Fettleber

  • mikrovaskuläre Steatose

  • atherogene Dyslipidämie

  • Atherosklerose

  • Hyperferritinämie

  • Diarrhö

  • Wachstumsverzögerung

Spezialisierte Labors bieten Tests mit Trockenblut an

Wie weist man eine LSK nach? Wichtigster Schritt in der Diagnostik ist es, bei Erwachsenen überhaupt an die Möglichkeit einer Speicherkrankheit zu denken, betonen die Kollegen aus Österreich. 
Verdacht sollte man schöpfen, wenn Laborbefunde wie Anämie, Thrombopenie, Hyper­ferritin­ämie und/oder ein auffälliger Lipidstatus vorliegen, die sich nicht durch eine fortgeschrittene Leber­erkrankung oder eine hämatologische Erkrankung mit gesicherter Ätiologie erklären lassen.

Die Verdachtsdiagnose LSK lässt sich über eine Bestimmung der jeweiligen Enzymaktivität in Leukozyten oder Fibroblasten aus einer Haut­biop­sie sichern. Es gibt heute aber auch unkomplizierte Testverfahren zur Bestimmung der Enzymaktivität mithilfe von Trockenblut. Sie werden von spezialisierten Labors angeboten. 

Mit Multitest gleich auf drei Speicherkrankheiten screenen

Inzwischen steht mit der sogenannten Trockenblutkarte ein Multitest zur Verfügung, der bei unklarer Hepato­spleno­megalie mit klinischem Verdacht auf LSK durchgeführt werden sollte. Auf diese Filterkarte wird in markierte Bereiche Blut des Patienten getropft. Anschließend muss sie getrocknet und ans Labor geschickt werden. Mit dem Test kann in einem einzigen Untersuchungsschritt auf M. ­Gaucher, ASMD und LAL-D gescreent werden. Fällt eine verminderte Enzymaktivität auf, ist eine Sicherung der Diagnose mittels Mutations­nachweis durch Sequenzierung des jeweiligen Gens ­angezeigt.

Für die LSK stehen wirksame Behandlungen zur Verfügung. Bei der Enzym­ersatztherapie wird das defekte Enzym durch ein biotechno­logisch hergestelltes Enzym ersetzt. In der Regel erfolgt die Behandlung alle zwei Wochen intravenös. Ziel der Substratreduktionstherapie ist es, die Biosynthese des schädlichen oder des nicht mehr abgebauten Metaboliten zu hemmen. Für M. ­Gaucher ist das in Form einer oralen Therapie möglich.

Die Enzym­ersatztherapie ist bei M. ­Gaucher, ASMD und LAL-D recht erfolgreich. Die Leber­größe nimmt ab und die Laborwerte normalisieren oder verbessern sich deutlich. Die Behandlungserfolge bei hepatischen LSK unterstreichen die Bedeutung einer rechtzeitigen ­Diagnose­stellung, fassen die Autoren zusammen.

Quelle: Stadlbauer-Köllner V, Aigner E. internistische praxis 2023; 66: 238-248