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Wie Patienten auf tätowierte und gepiercte Mediziner reagieren

Autor: Michael Brendler

Körperkunst vs. Kompetenz? Patienten scheinen weniger Vorurteile zu haben als die Ärzte selbst. Körperkunst vs. Kompetenz? Patienten scheinen weniger Vorurteile zu haben als die Ärzte selbst. © iStock/LightFieldStudios und iStock/Vesnaandjic
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Body-Art ist ein Massenphänomen. Und so wundert es nicht, dass unter weißen Kitteln immer häufiger Tattoos hervorblitzen oder Piercings die ärztliche Zunge zieren. Patienten schreckt das offenbar nicht ab.

So mancher Klinik schmeckt der Tattoo- und Piercing-Trend nicht, sie untersagt sichtbare Body-Art. Sie könne den Patienten missfallen und an der Professionalität und Kompetenz des Personals zweifeln lassen – eine Auffassung, die durch einige wenige Studien gestützt wird.

Doch diese Arbeiten können nicht überzeugen, ihnen fehlt der Praxisbezug, kritisieren Dr. Marissa Cohen vom St Luke’s Universitäts-Gesundheits-Netzwerk in Bethlehem, Pennsylvania, und Kollegen. In diesen Untersuchungen ließ man die Patienten zumeist anhand einfacher Fotos über die fachliche Kompetenz der gepiercten oder tätowierten Ärzte entscheiden. Dr. Cohen und ihr Team wollten es deshalb anders machen und mit ihrem klinischen Studiensetting die real stattfindende Arzt-Patienten-Beziehung berücksichtigen.

Ärztinnen untereinander sind wesentlich konservativer

Sieben Assistenzärzte verrichteten neun Monate lang ihren normalen Dienst in einer US-amerikanischen Notaufnahme – mal mit künstlichen Tattoos (Oberarm-Tribal) bzw. aufgeklebten Piercings an Nase oder Ohren, mal mit beidem und mal „clean“. Auf die 924 Patienten, die an der freiwilligen Befragung durch Krankenschwestern teilnahmen, machte das allerdings wenig Eindruck: „Die durch den Patienten wahrgenommene Kompetenz, Professionalität, Ansprechbarkeit und Freundlichkeit eines Arztes wurde nicht durch sichtbare Body-Art beeinflusst“, resümieren die Autoren. Das galt sogar unabhängig von Alter und Bildungsgrad der Befragten.

Möglicherweise, spekulieren die US-Kollegen, seien die Menschen inzwischen den Umgang mit tätowierten Mitmenschen gewohnt. Denkbar sei natürlich auch, dass eine reale Notsituation die Ansprüche an das ärztliche Erscheinungsbild etwas herunterschraube.

Unter den Ärzten scheint allerdings nach wie vor die konservative Denkweise vorzuherrschen, sie erweisen sich als besonders kritisch gegenüber „geschmückten“ Kollegen, schreiben Dr. Cohen et al. Besonders „schlimm“ seien Kolleginnen unter sich. Auf die vermeintlichen Probleme der Patienten mit der Body-Art können sie sich bei ihrer Kritik jetzt allerdings nicht mehr berufen.

Quelle: Cohen M et al. Emerg Med J 2018; 35: 538-543