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Wirbelsäulenmetastasen können sich mit nächtlichen Schmerzen bemerkbar machen

Autor: Manuela Arand

Bei tauben Extremitäten, Kribbeln und Gangstörung im Dunkeln: Ab ins MRT. Bei tauben Extremitäten, Kribbeln und Gangstörung im Dunkeln: Ab ins MRT. © Prof. Uhl
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Nach Leber und Lunge ist der Knochen, insbesondere die Wirbelsäule, häufiger Metastasierungsort. Vor allem Rückenschmerzen, die nachts und in Rückenlage stärker werden, sollten hellhörig machen. Achten Sie daher auf die typischen „Red Flags“!

Am häufigsten streuen Mamma-, Prostata- und Lungenkarzinome in die Wirbelsäule. Sie machen zusammen 70 bis 80 % der Primärtumoren aus, erklärte Professor Dr. Eberhard Uhl, Chef der Neurochirurgie am Universitätsklinikum Gießen. In bis zu 10 % der Fälle lässt sich kein Primarius finden.

Bei drei von vier Patienten sitzen die Metastasen in der Brustwirbelsäule. Zur malignen Rückenmarkskompression kommt es, wenn der Tumor sich in den Epiduralraum ausbreitet oder wenn der Wirbel kollabiert und Knochenfragmente in den Spinalkanal drängen. Ödematöse Schwellungen verstärken den Druck auf das Rückenmark, neurologische Ausfälle können die Folge sein. Das kommt jedoch eher selten vor (10–15 %), Schmerzen sind bei Weitem das häufigste Symptom.

Umso wichtiger ist es, auf „Red Flags“ zu achten, wenn ein Patient über Rückenschmerzen klagt. Der Schmerz kann lokal, radikulär oder pseudoradikulär daherkommen und tritt zumeist vor allen anderen Symptomen auf. Die Schmerzintensität nimmt im Verlauf zu. Wachsamkeit ist natürlich gefragt, wenn schon eine Tumor­erkrankung in der Anamnese bekannt ist, aber auch bei:

  • höherem Lebensalter
  • B-Symptomen wie Gewichtsverlust, Appetitlosigkeit oder rascher Ermüdbarkeit
  • Schmerz, der in Rückenlage zunimmt
  • starken nächtlichen Schmerzen

„Natürlich können wir nicht jeden Patienten mit Rückenschmerzen ins MRT schieben“, sagte Prof. Uhl. „Aber bei solchen Symptomen muss man darüber nachdenken, den Patienten einer Diagnostik zuzuführen.“ Viele Patienten klagen auch über Sensibilitätsstörungen, etwa einer aufsteigenden Taubheit in den Extremitäten oder Parästhesien. Gangstörungen kommen häufig vor, sie verstärken sich in Dunkelheit, weil die Tiefensensibilität fehlt. Ausgeprägte Blasen- oder Mastdarmstörungen finden sich meist erst im Spätstadium der Myelonkompression. Liegen neurologische Symptome vor, duldet die Abklärung keinen Aufschub. 

Kaum Symptome, aber Riesenmetastase im MRT

„Es ist manchmal erstaunlich, wie wenig Symptome ausgedehnte Wirbelsäulenfiliae verursachen“, sagte Prof. Uhl. Er illustrierte dies am Beispiel eines Patienten, bei dem die Metastase eines Urothelkarzinoms auf Höhe der Cauda equina praktisch den gesamten Wirbelkanal ausfüllte und sich durch das Neuroforamen vorwölbte (s. Abbildungen). Einziges Symptom waren Schmerzen, die ins linke Bein ausstrahlten. Neurologische Defizite lagen nicht vor, insbesondere die Blasenfunktion war in keiner Weise beeinträchtigt.

Die Diagnostik dient neben der Diagnosesicherung dazu, die lokale Tumorausdehnung zu dokumentieren, Resektabilität und Stabilität zu beurteilen. Röntgen hat dabei weitgehend ausgedient, denn Osteolysen sind damit erst bei einem Knochenverlust ab 50 % zu erkennen und vier von zehn Wirbelmetastasen werden übersehen.

Unbekannter Primarius macht Biopsie erforderlich

Goldstandard ist die Kernspintomographie der gesamten Wirbelsäule mit und ohne Kontrastmittel, ergänzt um die segmentale Computertomographie zwecks Stabilitätsbeurteilung und Staging. Ist der Primärtumor nicht bekannt, sollte versucht werden, eine Biopsie zu gewinnen. Eine Angiographie führen die Gießener Kollegen nur bei speziellen Indikationen durch, etwa um bei einer solitären Metastase eines Nierenzellkarzinoms die Blutversorgung zu prüfen und schon vor der Resektion durch Embolisation größeren Blutverlusten vorzubeugen. Score-Systeme wie der Spine Instability Neoplastic Score können anschließend bei der Entscheidung helfen, ob dieser Patient operiert werden soll und kann oder nicht. „Aber sie dürfen nicht alleine die Grundlage für die Therapieentscheidung bilden“, betonte Prof. Uhl.