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Epilepsie Wissenswertes zur Fahrerlaubnis

Autor: Dr. Susanne Meinrenken/Tobias Stolzenberg

Menschen mit Epilepsie dürfen erst wieder hinters PKW-Steuer, wenn sie mindestens ein Jahr lang anfallsfrei waren. Menschen mit Epilepsie dürfen erst wieder hinters PKW-Steuer, wenn sie mindestens ein Jahr lang anfallsfrei waren. © Warakorn – stock.adobe.com
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Die Frage, ob ein Patient nach einem epileptischen Anfall Motorrad, Auto oder gar Lastwagen fahren kann, ist oft schwierig zu beantworten. Was geht und was nicht, ist in der Fahrerlaubnisverordnung geregelt. Ausnahmen sind aber durchaus möglich, wie ein Neurologe erläutert.

„Wer epileptische Anfälle erleidet, ist nicht in der Lage, den Anforderungen zum Führen von Kraftfahrzeugen [...] gerecht zu werden, solange ein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven besteht.“ So wollen es die Begutachtungsleitlinen zur Kraftfahreignung, die auch Teil der Fahrerlaubisverordnung des Bundesverkehrsministeriums sind. Wenn also kein wesentliches Risiko von Anfallsrezidiven besteht, könne man demnach von einer Fahreignung ausgehen, erläutert Prof. Dr. Frank ­Thömke vom Fachbereich Neuologie der DKD ­Helios Klinik ­Wiesbaden. Es ist zu unterscheiden, ob jemand erstmalig einen Krampfanfall erlitten hat oder ob erwiesenermaßen eine Epilepsie besteht. 

Zudem ist in den Leitlinien festgelegt, dass bei Führerscheininhabern mit epileptischen Anfällen „eine jährliche fachneurologische Untersuchung sowie fachneurologische Kontrolluntersuchungen in zunächst jährlichen Abständen erforderlich“ sind, „bei einer langjährigen Anfallsfreiheit“ kann dieses Intervall auch länger ausfallen.

Häufig erleiden Menschen einen Krampfanfall, weil sie völlig übermüdet sind, hohes Fieber haben, an Stoffwechsel-, Elektrolytstörungen oder einer Exsikkose leiden, oder als Folge einer akuten zerebralen Ischämie. Auch im Entzug kann es zu Krampfanfällen kommen. Steht ein einmalig aufgetretener Anfall offensichtlich mit einer auslösenden Situation im Zusammenhang und besteht diese Bedingung nicht mehr, dann kann in der Regel nach einer anfallsfreien Zeit von drei Monaten wieder ein Kraftrad, ein dreirädriges Kfz oder ein Pkw geführt werden, erläutert Prof. ­Thömke. Für Lkw, Busse und schwerere Gespanne müsse man sechs Monate warten. Insbesondere bei Anfällen im Zusammenhang mit Alkoholentzug und infolge des Gebrauchs psychotroper Substanzen sind weitere fachärztliche Untersuchungen nötig, um ein erhöhtes Rezidivrisiko auszuschließen.

Anders verhält es sich bei einem einmaligen Krampfanfall ohne Auslöser. Betroffene dürfen leichtere Fahrzeuge wie Krafträder, dreirädrige Kfz oder Pkw dann erst wieder nach sechs Monaten führen, einen Lkw, Busse und schwere Gespanne erst nach zwei Jahren. 

Fahrverbot beim Ausschleichen

Wird eine antiepileptische Therapie bei bestehender Kraftfahreignung schrittweise beendet, so ist für diese Personen „für die Dauer der Reduzierung des letzten Medikamentes sowie für die ersten drei Monate ohne medikamentöse Therapie“ die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht gegeben. Gut begründete Ausnahmen sind Prof. Thömke zufolge z.B. möglich

  • bei insgesamt wenig Anfällen,

  • bei einem Epilepsiesyndrom mit niedrigem Rezidivrisiko,

  • nach erfolgreicher epilepsiechirurgischer Behandlung.

Kein Auslöser? Beginnende Epilepsie ausschließen!

Zudem sind fachneurologische Untersuchungen inkl. EEG und Bildgebung erforderlich, um ein „grundsätzlich erhöhtes Anfallsrisiko im Sinne einer beginnenden Epilepsie“ auszuschließen. Ein zweijähriges Fahrverbot kann für Berufskraftfahrer eine Umschulung erforderlich machen, meint Prof. ­Thömke.

Ist die Diagnose Epilepsie erst einmal gestellt, werden die Regeln strenger. Die Definition der Erkrankung in den Begutachtungsleitlinien beinhaltet das Auftreten „wiederholter Anfälle“. Andere Regelwerke – etwa die der International ­League ­Against ­Epilepsy (­ILAE) aus dem Jahr 2004 – werden konkreter und fordern zumindest zwei unprovozierte Anfälle im Abstand von mehr als 24 Stunden. Von der ­ILAE hat auch die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) die folgende Definition von Epilepsie für ihre Leitlinie übernommen: „Ein nicht provozierter Anfall oder Reflex­anfall verbunden mit einer Wahrscheinlichkeit, während der nächsten zehn Jahre weitere Anfälle zu erleiden, die vergleichbar ist mit dem allgemeinen Rückfallrisiko (mindestens 60 %) nach zwei nicht provozierten Anfällen.“

Wer an Epilepsie erkrankt ist, darf erst dann leichtere Fahrzeuge wie Krafträder oder Pkw führen, wenn er mindestens ein Jahr ohne Anfall gewesen ist. Zudem darf die Behandlung nicht zu unerwünschten Nebenwirkungen führen, die die Fahreignung einschränken. Laut den Begutachtungsleitlinien muss das EEG dabei nicht zwingend frei von epilepsietypischen Potenzialen sein. Falls es doch zu Anfällen kommt, gibt es – zumindest zum Führen der leichten Fahrzeuge – Ausnahmen. 

Bei rein fokalen Anfällen Fahrerlaubnis möglich

Treten die Anfälle beispielsweise über mindestens drei Jahre ausschließlich im Schlaf auf oder sind es über ein Jahr hinweg ausschließlich fokale Anfälle ohne Bewusstseins­einschränkung und ohne motorische, sensorische oder kognitive Störungen, die das Lenken eines Fahrzeugs beeinträchtigen würden, dürfen die Betroffenen wieder ans Steuer. Gefordert ist, dass die Angaben des Patienten durch Fremdbeob­achtung gesichert sein müssen.

Die Eignung für schwerere Kraftfahrzeuge hingegen bleibt bei Epilepsie „dauerhaft ausgeschlossen“, heißt es in den Begutachtungsleitlinien. Ausnahmen wären bei einer fünfjährigen Anfallsfreiheit ohne antiepilept­ische Therapie und nach einer fachärztlichen Untersuchung zwar theoretisch möglich. Das dürfte in der Realität – zumal für Berufskraftfahrer – allerdings kaum eine Rolle spielen. Wer mit dem Lenken von Bussen, Lkw oder schweren Gespannen seinen Lebensunterhalt verdient und an Epilepsie erkrankt, ist nach Einschätzung von Prof. ­Thömke de ­­facto berufsunfähig.

Quelle: Thömke F. Ärzteblatt Rheinland-Pfalz 2022; 73: 17-21