
Kardioonkologie Wissenswertes zur Betreuung onkologischer Patient:innen

Vor jeder Krebstherapie sollte eine Bewertung des kardialen Risikos erfolgen, forderte Dr. Katharina Seuthe von der Uniklinik Köln. „Das bestimmt alles Weitere: Wie oft müssen die Patient:innen gesehen werden? Welche Therapien können sie bekommen oder nicht?“ Die Gefahr von Toxizitäten hängt zum einen von individuellen Merkmalen ab (z. B. kardiovaskuläre Risikofaktoren und Vorerkrankungen), zum anderen aber auch von Art und Intensität der Behandlung. Zur Risikostratifizierung eignet sich der HFA-ICOS-Score, der sich mittlerweile auch digital errechnen lässt.
Das Ergebnis entscheidet unter anderem darüber, ob und wann eine Überweisung in die Kardiologie erfolgen sollte. Liegt ein mittleres oder hohes Risiko vor, hält die Expertin eine Vorstellung für grundsätzlich angebracht. Sie erinnerte: „Bei Höchstrisikoerkrankten sollte man immer Kardiolog:innen dazuholen.“ Im Falle einer besonders hohen Gefährdung, beispielsweise nach überstandenem Myokardinfarkt oder bei geplanter Anthrazyklin-Reexposition, könne auch eine Prophylaxe mit Beta-Blockern, ACE-Hemmern/ Angiotensinrezeptorblockern und/oder eventuell Statinen erfolgen. Bei Anthrazyklinen können Mediziner:innen zur Risikoreduktion auf die liposomale Form ausweichen.
Die Untersuchungen, die vor Therapiebeginn angeraten sind, hängen neben Patient:innenfaktoren zudem stark vom jeweiligen kardiotoxischen Wirkstoff ab. „Bei Anthrazyklinen würde man auch bei Niedrigrisiko vorher eine Echokardiografie machen“, erörterte Dr. Seuthe beispielhaft und verwies auf Leitlinienempfehlungen. Hinsichtlich CPI, die eher Myokarditiden verursachen, sei dies andererseits nur im Falle eines hohen Risikos nötig.
Ähnliche Unterschiede gelten für das Monitoring unter laufender Therapie. So sollte man bei Hochrisikoerkrankten, die Anthrazykline bekommen, nach jedem Zyklus die Troponinwerte bestimmen und nach jedem zweiten Zyklus eine Echokardiografie durchführen. Behandelte ohne Risikofaktoren benötigen diese Untersuchungen deutlich seltener.
Sonderfall Immuntherapie
Die Behandlung mit Checkpoint-Inhibitoren kann unter anderem Myokarditiden auslösen, erinnerte Dr. Seuthe. Diese treten in nur etwa 2 % der Fälle auf, verlaufen aber teilweise fulminant und enden bei bis zur Hälfte der Betroffenen tödlich. Diagnostisch findet sich eine Erhöhung des Troponins in Verbindung mit einem Befund in der Bildgebung (MRT nicht zwangsläufig auffällig!) und/oder charakteristischen Symptomen.
Als wichtig beschrieb die Expertin, dass diese Patient:innen möglichst schnell hoch dosierte Glukokortikoide erhalten. In ihrer Klinik starten die Ärzt:innen mit 1 g Methylprednisolon i. v./Tag für drei Tage, danach wird die Therapie mit einer Startdosis von 2 mg/kg/Tag fortgesetzt und langsam ausgeschlichen. Meist lasse sich die Nebenwirkung so beherrschen, manchmal brauche es aber auch weitere Immunsuppressiva.
Früherkennung kardialer Toxizität
Zusätzlich zur Ejection Fraction (EF) plädierte die Kardiologin für eine Strain-Analyse, die die Kontraktion der Herzmuskelfasern auswertet. Diese bilde drohende Funktionseinschränkungen des Herzens vermutlich frühzeitiger ab als ein EF-Abfall. In der SUCCOUR-Studie hatten Brustkrebserkrankte unter HER2-gerichteter Therapie eine deutlich bessere Prognose, wenn schon bei einer relativen Reduktion des Global Strain um mindestens 12 % statt einer signifikanten EF-Veränderung (> 10 % absolut) interveniert wurde.
Entwickeln Tumorpatient:innen doch eine symptomatische krebstherapiebedingte kardiale Dysfunktion (CTRCD) mit eingeschränkter Pumpfunktion, orientiert sich die Behandlung im Wesentlichen an der klassischen Herzinsuffizienztherapie. Schon bei Verringerung des Global Strain würde die Referentin jedoch mit kardioprotektiven Medikationen wie RAAS-wirksamen Pharmaka oder Betablockern beginnen.
„Was noch ganz stiefmütterlich behandelt wird, ist die Cancer Survivorship“, gab Dr. Seuthe zu bedenken. Eigentlich müssten die 1,6 Millionen Krebsüberlebenden in Deutschland eine lebenslange Nachsorge erhalten, da manche Komplikationen erst Jahrzehnte später auftreten. Nach Abschluss der Therapie sollte das kardiale Risiko erneut evaluiert und die Intensität des Follow-ups daran angepasst werden. „Ein leichte Kardiotoxizität ist häufig asymptomatisch“, mahnte die Referentin, und bleibe von Patient:innen meist unbemerkt. Kolleg:innen sollten Behandelte entsprechend aufklären, darüber hinaus sollten auch deren Ärzt:innen vor Ort Bescheid wissen und an die kardiologische Nachsorge erinnern.
Quelle:
Seuthe K. 131. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin; Vortrag „Hot Topic Innere Medizin – Onko-Kardiologie“