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Geburtshilfliche Periduralanalgesie Aktuelle Studiendaten zum Risiko für das Kind

Autor: Ulrike Viegener

Etwa jede fünfte­ Schwangere in Deutschland wünscht sich eine Geburt mit Peridural­analgesie. Etwa jede fünfte­ Schwangere in Deutschland wünscht sich eine Geburt mit Peridural­analgesie. © iStock/Henadzi Pechan
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Besteht ein Zusammenhang zwischen Autismus und geburtshilflicher Periduralanalgesie? Zwei Forscherteams gingen der Frage nach – und kamen zu unterschiedlichen­ Ergebnissen.

Seit einigen Jahren steigen die Inzidenzen bei Autismus-Spektrum-Störungen (ASD). Die Suche nach möglichen Risikofaktoren konzentriert sich vor allem auf äußere Einflüsse, darunter Gestationsdiabetes und -hypertonie. Zudem steht seit einiger Zeit der Verdacht im Raum, dass eine geburtshilfliche Periduralanalgesie (PDA) mit einem erhöhten ASD-Risiko assoziiert sein könnte.

Wissenschaftler um Professor Dr. Gillian Hanley vom Vancouver General Hospital erfassten im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie1 alle Frauen, die zwischen 2000 und 2014 in der Provinz British Columbia termingerecht einen Einling zur Welt gebracht haben. Zur Auswertung kamen 388.254 vaginale Geburten, 111.480 davon (28,7 %) mit PDA. Die Kinder wurden postnatal im Mittel neun Jahre lang beobachtet­.

Insgesamt wurde bei 5.192 Kindern (1,34 %) die Diagnose ASD gestellt. Während der Anteil in der PDA-Gruppe 1,53 % betrug, war er unter den nicht-exponierten Kindern mit 1,26 % etwas niedriger. Die Assoziation zwischen PDA und ASD zeigte sich zwar nur schwach, überschritt aber gerade die Signifikanzschwelle: Nicht-adjustiert lag die Hazard Ratio (HR) bei 1,32. Nach Berücksichtigung diverser sozio­demografischer und perinataler Variablen sank sie allerdings auf 1,09. Der auffälligste Unterschied zwischen PDA- und Kontrollgruppe war die Dauer der ersten Geburtsphase (8,5 vs. 4,4 h).

Es fehlt eine plausible pathogenetische Erklärung

Zeitgleich zu der kanadischen Studie wurde eine dänische Studie2 publiziert, in der landesweit alle lebend geborenen Kinder der Jahre 2006 bis 2013 berücksichtigt wurden. Von den erfassten 479.178 Kindern waren 19,4 % während der Geburt einer Periduralanalgesie ausgesetzt. Bei diesen Kindern be­obachteten Dr. ­Anders ­Pretzmann ­Mikkelsen vom Kopenhagener Rigshospitalet und Kollegen im Follow-up-Zeitraum von median sieben Jahren im Vergleich zu nicht-exponierten Kindern kein signifikant erhöhtes ASD-Risiko. Die Inzidenzraten betrugen 23,1 pro 10.000 Personenjahre bei PDA-Kindern vs. 18,5 pro 10.000 bei den Kontrollen. Dies entsprach einer HR von 1,29 bzw. bereinigt 1,05.

In einem Kommentar3 zu den beiden Studien wird die Evidenz für ein erhöhtes ASD-Risiko als nicht ausreichend bewertet, um daraus Konsequenzen mit Blick auf die neuraxiale Wehenanalgesie abzuleiten. Dies betreffe sowohl Indika­tionsstellung und Beratung als auch den Wunsch der Schwangeren. Nicht nur sei die Evidenz sehr schwach, auch fehle eine plausible pathogenetische Erklärung, wie die extrem niedrigen Anästhetikakonzentra­tionen, die in den fetalen Organismus gelangen, im weiteren Verlauf für die Entwicklung von Autismus-Spektrum-Störungen prädestinieren könnten.

1. Hanley GE et al. JAMA 2021; 326: 1178-1185; DOI: 10.1001/jama.2021.14986
2. Pretzmann Mikkelsen A et al. JAMA 2021; 326: 1170-1177; DOI: 10.1001/jama.2021.12655
3. Wong CA, Stevens H. JAMA 2021; 326: 1155-1157; DOI: 10.1001/jama.2021.15369