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Schaufensterkrankheit Alte Patienten besser versorgen

Autor: Dr. Anne Benckendorff

Die Behandlung der PAVK richtet sich nach den Beschwerden und den Einschränkungen. Die Behandlung der PAVK richtet sich nach den Beschwerden und den Einschränkungen. © Alex – stock.adobe.com
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Die PAVK-Dunkelziffer ist insbesondere bei alten Menschen und Bewohnern von Seniorenheimen hoch. Doch sogar diagnostizierte Patienten erhalten oft nicht die optimale medikamentöse Therapie.

Allein in Europa leiden 40 Millionen Menschen an einer Durchblutungsstörung der Extremitätenarterien. Chronischen Verläufen liegt fast immer eine Arteriosklerose zugrunde, bei akuten Ereignissen ist die Ursache meist eine Atherothrombose. Bedingt durch die identischen Risikofaktoren – Nikotin­abusus, Diabetes mellitus, arterielle Hypertonie, Adipositas und Lipidstoffwechselstörung – liegen typischerweise zusätzlich KHK, Herzinsuffizienz, Diabetes und/oder eine Niereninsuffizienz vor. Daneben prädisponieren Alter, männliches Geschlecht und genetische Faktoren für die PAVK.

Die Stadieneinteilung erfolgt in Deutschland i.d.R. nach Fontaine. Das Staduim II (Claudicatio intermittens), die symptomatische PAVK, wird in IIa und IIb unterteilt, je nachdem ob eine Gehstrecke von mehr bzw. weniger als 200 m schmerzfrei zurückgelegt werden kann.

Lebensqualität wichtiger als schmerzfreie Gehstrecke

Wie Dr. Astrid Stula und Kollegen von der Klinik für Gefäßchirurgie und Angiologie des Alfried Krupp Krankenhauses in Rüttenscheid anmerken, erscheint ihnen jedoch die inoffizielle Orientierung an der Lebensqualität sinnvoller. Denn manche Patienten kommen mit einer Gehstrecke unter dieser Grenze noch gut klar, während andere sich bereits eingeschränkt fühlen, obwohl sie deutlich längere Wege schaffen.

Die Diagnostik beinhaltet neben körperlicher Untersuchung apparative Diagnoseverfahren inklusive Belastungsuntersuchungen sowie bildgebende Verfahren.

Diagnostik PAVK

Anamnese:

  • Einzelheiten der Beschwerden
  • Vorerkrankungen und potenzielle Risikofaktoren

Klinische Untersuchung:

  • Blutdruck an beiden Armen
  • Inspektion der Extremität (inkl. Abtasten, Pulsstatus und Auskultation der Gefäße)

Laboruntersuchungen:

  • Risikofaktoren: LDL, ggf. Lipoprotein A, HbA1c, Kreatinin und glomeruläre Filtrationsrate

Apparative Diagnostik und Belastungsuntersuchungen:

  • Knöchel-Arm-Index (ankle-brachial-index, ABI) = Quotient aus Knöchelarterien- und Armdruck. Werte < 0,9 gelten als beweisend für eine PAVK
  • Pole-Test (Doppler-Druckmessung am angehobenen Bein), z.B. falls ABI wegen Ulzera oder Ödemen nicht möglich ist
  • max. Gehstrecke per Laufbandergometrie (ergänzend)
  • transkutane Sauerstoffsättigung und elektronische Oszillo­grafie (ergänzend)
  • Bildgebung zur Lokalisation (Goldstandard Duplex­sonografie)

Goldstandard der nicht-invasiven Gefäßdarstellung ist die farbcodierte Duplexsonografie, mit der sich Gefäßverengungen und -verschlüsse der Aorta, Becken- und Beingefäße mithilfe der verschiedenen Modi darstellen lassen. Bei nicht-eindeutigen Befunden kommen weitere Verfahren wie CT-Angiografie, Magnetresonanzangiografie oder digitale Subtraktionsangiografie zum Einsatz. Eine invasive Gefäßdarstellung geht zwar mit einem deutlichen Komplikationrisiko einher, bietet aber gleichzeitig die Möglichkeit zur Intervention.

Die Behandlung der PAVK richtet sich nach den Beschwerden und den Einschränkungen. Bis zum Stadium II kommen vor allem konservative Ansätze zum Einsatz, bestehend aus einer möglichst guten Kontrolle der Risikofaktoren, dem strukturierten Gehtraining und der medikamentösen Therapie.

Zu den modifizierbaren Risikofaktoren gehören Hypertonus, Dyslipidämie, Diabetes, Rauchen und Adipositas. Während sich die ersten drei – Therapietreue des Patienten vorausgesetzt – mit Medikamenten gut einstellen lassen, erweisen sich eine Raucherentwöhnung und die Reduktion des Übergewichts in der Praxis oft als schwierig bis unmöglich. Zum einen fehlt es den Patienten häufig an Motivation, den eigenen Lebensstil tiefgreifend zu ändern; zum anderen ist gerade bei hohem Alter, starken Beschwerden und zusätzlichen kardialen und Gelenkproblemen ein Mehr an Bewegung, das wirkungsvoll zur Gewichtsreduktion beitragen könnte, kaum umzusetzen.

Mit dem strukturierten Gehtraining lässt sich die schmerzfreie Gehstrecke um mehr als 200 % steigern, schreiben die Autoren. Strukturiert bedeutet 3 x 30–60 min Gehen pro Woche über drei Monate, wobei möglichst oft die Schmerzgrenze erreicht werden sollte. Optimal ist eine Gehsportgruppe, die es allerdings nicht überall gibt.

Unverzichtbar ist darüber hinaus die medikamentöse Therapie. Um den LDL-Zielwert von < 55 mg/dl zu erreichen, werden in erster Linie Statine (Simvastatin, Atorvastatin) eingesetzt, die mit Ezetimib kombiniert werden können. Schafft man den Zielwert damit nicht, kommen PCSK9-Hemmer zum Einsatz.

Kombitherapie mit ASS und Rivaroxaban erwägen

Betablocker sind bei simultan bestehender KHK indiziert. Für Patienten mit isolierter PAVK ohne KHK (oder Linksherzinsuffizienz) empfehlen die Autoren sie dagegen nicht in der Erstlinie.

Leitlinien empfehlen zudem die Gabe von ASS (alternativ Clopidogrel) zur Kardio- und Gefäßprophylaxe. Gemäß COMPASS- und VOYAGER-PAD-Studie sollte Patienten nach Nutzen-Risiko-Abwägung auch eine Kombinationstherapie aus ASS und Rivaroxaban angeboten werden, da hier ein Vorteil gegenüber der alleinigen Therapie mit ASS gezeigt werden konnte, schreiben Dr. Stula und Kollegen. In Ausnahmefällen (u.a. sehr kurze schmerzfreie Wegstrecke, fehlende andere Optionen) seien auch PDE-3-Hemmer im Stadium II denkbar.

Quelle: Stula A et al.  internistische praxis 2022; 65: 216-228 © Mediengruppe Oberfranken – Fachverlage GmbH & Co. KG, Kulmbach