Anzeige

Anamnese, anschauen, ausziehen und anfassen – Diagnostik orthopädischer Leiden

Autor: Maria Fett

Um beispielsweise Probleme mit der Wirbelsäule zu diagnostizieren, sollten immer verschiedene Punkte abgeklärt werden. Um beispielsweise Probleme mit der Wirbelsäule zu diagnostizieren, sollten immer verschiedene Punkte abgeklärt werden. © WavebreakMediaMicro – stock.adobe.com
Anzeige

Als „Anhänger des Primärarztwesens“ liegt dem Orthopäden Dr. Johannes Flechtenmacher die Zusammenarbeit mit Hausärzten am Herzen. Deshalb geizt er auch nicht mit Tipps zur strukturierten Diagnostik muskuloskelettaler Erkrankungen.

Bei „Anfassen heilt“ sollte man nicht nur an therapeutische Massagen denken, sondern auch an die Palpation als diagnostisches Basisinstrument. Um die Beschwerden bei orthopädischen Erkrankungen korrekt zu adressieren, sei es nämlich wichtig, dass sich die Patienten auch mal ausziehen und von den Haus­ärzten angefasst werden, betonte Dr. Johannes­ Flechtenmacher­. Bei orthopädischen Krankheitsbildern arbeitet man am besten Punkt für Punkt ab, empfahl der Orthopäde aus Karlsruhe seinen Hausarztkollegen. Beziehungsweise A für A.

Im Gespräch entsprechende Fragebögen parat haben

In der Anamnese kann man sich zu Beginn an den W-Fragen orientieren: was? (z.B. klin. Symptome), wie? (genauer Hergang und Charakter der Beschwerden), wo? (genaue Lokalisation) und wann? (Zeitdauer inkl. tageszeitl. Auftreten, nach Belastung/Bewegung/in Ruhe, Wärme oder Kälte). Abgefragt werden sollten allerdings auch bio-psycho-soziale Faktoren:

  • Bestehen andere (Vor-)Erkrankungen? Gab es Unfälle?
  • Wie steht es um die „geistige Gesundheit“, sprich liegen psychische Komorbiditäten vor?
  • Was für einen Lebensstil pflegt der Patient? Bewegt er sich im Alltag, sitzt er die meiste Zeit, welchen Sportarten und Hobbys geht er nach?
  • Wie sieht die Ernährung aus?
  • Beschäftigen ihn aktuell Probleme im Job oder in der Familie?
  • Gab es jüngst einen Arztwechsel oder (schmerzbedingte) Krankenhausaufenthalte, Rehas oder OPs?

Teil jeder Anamnese sollten natürlich auch ein Blick auf die Medikamentenliste sein – Stichwort Polypharmazie und Wechselwirkungen – sowie eine Einschätzung der physischen Leistungsfähigkeit. Für Letzteres braucht es keine besondere Technik. Es reicht, im Anam­nesegespräch die entsprechenden Fragebögen parat zu haben. Ohnehin plädierte der Orthopäde für einen eher sparsamen Einsatz von Apparaten.

Dies gilt auch für die erste klinische Untersuchung. Als Faustregeln solle man sich merken: Anschauen­ und Ausziehen. Den Patienten natürlich. Nur so lassen sich insbesondere Achsverhältnisse, ein möglicher Beinlängenunterschied sowie Zeichen einer Muskelatrophie erkennen. Ebenfalls wichtig ist es aus Sicht von Dr. Flechtenmacher, das Gangbilde des Patienten zu prüfen und auf etwaige Gelenkschwellungen oder Rötungen sowie Hautveränderungen zu achten. Schmerzen durch einen Herpes Zoster seien z.B. kein Fall für die Orthopädie, wie der Referent seine Kollegen erinnerte.­

Anschauen allein reicht aber nicht, sondern der Arzt muss auch Hand anlegen. Beim Anfassen ist auf Ergüsse, tastbare Schwellungen und eine Überwärmung zu achten. Währenddessen sollte man ein Ohr für mögliche Schmerzäußerungen des Patienten und Krepitationen haben. Beweglichkeit von Gelenken und Wirbelsäule, Reflexe sowie Muskelkraft werden neuroorthopädisch und manuell erhoben. So folgt beispielsweise die Statikprüfung der gesamten Wirbelsäule den Grundsätzen der orthopädisch-traumatologischen Befundung.

Mit den „vier A“ falsche Diagnosen vermeiden

Erfahrungsgemäß können zahlreiche Erkrankungen zu Schmerzen in den Gelenken oder im Rücken-/Hüftbereich führen. Hat man die „vier A“ sorgfältig befolgt, lassen sich falsche Diagnosen in der Regel vermeiden, erklärte der Referent, „Fehler werden meist am Anfang gemacht.“

Quelle: 14. Allgemeinmedizin-Update-Seminar (Online-Veranstaltung)