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Kneipptherapie Anwendungen können eine Vielzahl von Beschwerden lindern

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Das bekannteste Element der Kneippkur ist die Hydrotherapie – doch das ganzheitliche Konzept fußt auf vier weiteren Säulen. Das bekannteste Element der Kneippkur ist die Hydrotherapie – doch das ganzheitliche Konzept fußt auf vier weiteren Säulen. © Dozey – stock.adobe.com
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Viele Patienten schwören darauf, ganze Kurorte leben davon, doch ist die Wirksamkeit einer Kneipptherapie nach wie vor umstritten. Eine Übersicht zum Stand der Forschung bringt Licht ins Dunkel.

Die Kneipptherapie beinhaltet weit mehr als Wassertreten, Waschen und Wickeln, betonen Dr. Marita Stier-Jarmer und Kollegen von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Es handelt sich vielmehr um ein ganzheitliches Gesundheitskonzept, das auf den fünf Säulen Wasser, Bewegung, Ernährung, Heilpflanzen und Regulation der inneren Ordnung basiert. Die Behandlung wird meist als drei- bis vierwöchige Kur angeboten und beinhaltet neben der Hydrotherapie als Hauptbestandteil noch eine Reihe weiterer Ansätze (s. Kasten).

Die fünf Elemente einer Kneippkur
HydrotherapieAnwendung mit kaltem und/oder warmem Wasser (Güsse, Bäder, Packungen, Wickel, Tau- und Wassertreten)
Bewegungstherapie
moderate körperliche Aktivität bzw. Sport
Ernährungabwechslungsreiche Vollwertkost
PhytotherapieBehandlung und Prophylaxe mit Heilpflanzen, deren Teilen und Zubereitungen
Ordnungstherapie Maßnahmen, die zu einer gesunden und bewussten Lebensweise führen

Um die Wirksamkeit einzuschätzen, führten die Münchner Wissenschaftler eine umfangreiche Datenbankanalyse durch. In ihrer Literaturübersicht berücksichtigten sie 25 Studien, die in den Jahren 2000 bis 2019 publiziert worden waren. Diese beschäftigten sich mit verschiedensten Indikationen und kamen zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Positive Auswirkungen einer alle fünf Elemente umfassenden Kneipptherapie ermittelten die Autoren bei Kindern mit Neurodermitis, allergischer Rhinitis und/oder Asthma bronchiale. Der Hautzustand der jungen Patienten besserte sich deutlich, ein Drittel von ihnen wurde symptomfrei. Auch die Rhinitis ging bei einem Großteil der Probanden zurück und die pulmonalen Symptome verschwanden.

Kneippen auch für Gesunde

Eine Hydrotherapie zeigt auch ohne konkreten Anlass Wirkung: Kältestimuli steigern die kognitive Funktion. Tägliches Wassertreten härtet ab. Wer sich dazu durchringen kann, ist seltener erkältet und demnach weniger oft arbeitsunfähig. Zu den positiven Effekten einer Kneippkur, die alle fünf Elemente umfasst, zählt die Harmonisierung des Vegetativums.

Effekt einer antihypertensiven Therapie lässt sich steigern

Keine Auswirkungen hatte die Hydrotherapie dagegen bei Vorschulkindern mit häufigen Erkältungen, obwohl sie allgemein gern zur Abhärtung empfohlen wird: Die alleinige Inhalation von Kochsalzlösung senkte die Zahl der Schnupfenepisoden ebenso gut wie in Kombination mit Hydrotherapie. Bei Erwachsenen zählen Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu den möglichen Indikationen für eine Kneipptherapie. Patienten mit leichter chronischer Herzinsuffizienz (NYHA II–III) konnten durch häusliche Wasseranwendungen ihre Lebensqualität in Eigenregie signifikant verbessern. Auch der Effekt einer antihypertensiven Behandlung ließ sich durch Hydrotherapie steigern. Wadenwickel mit Lehm oder Quark, kalte Kniegüsse und Wassertreten förderten das Wohlbefinden bei chronisch-venöser Insuffizienz, die zusätzliche lokale Anwendung eines Arnika-Gels verstärkte den Effekt. Auch für das Gehen und Baden in Mineralwasser konnte eine positive Wirkung gezeigt werden. Patienten mit chronisch-obstruktiver Lungenerkrankung (COPD) profitierten von mehrmals wöchentlichen Obergüssen und kalten Waschungen des Oberkörpers und der Arme. Dieses Vorgehen stärkte das Immunsystem und verringerte nachweislich die Infektanfälligkeit. Patienten mit Polyneuropathie erfuhren durch Wasseranwendungen eine Linderung der quälenden Par­ästhesien und fanden zu verbessertem Schlaf.  Bei arthrotisch bedingten Schmerzen in Hüft- und Kniegelenk wurden Hydro- und Bewegungstherapie sowie eine Kombination beider Verfahren getestet. Ein signifikanter Unterschied zwischen den drei Strategien ließ sich nicht nachweisen. Den numerisch stärksten Effekt erzielte die alleinige Hydrotherapie. Unter den verschiedenen Optionen konnte speziell für Heusack-Anwendungen eine Wirkung auf rheumatische Symptome gezeigt werden. Auch gastrointestinale Störungen sind der Kneipptherapie zugänglich. Nach einer stationären naturheilkundlichen Behandlung aufgrund anderer Indikationen konnten zwei Drittel der Patienten ihre zuvor benötigte Dyspepsiemedikation absetzen oder zumindest in der Dosis reduzieren.

Schlafspezifische Kneippkur sorgt für ruhigere Nächte

Auch im Klimakterium bewährt sich die Kneippsche Hydrotherapie, wie eine Studie zeigen konnte. Nach zwölfwöchiger Selbstbehandlung waren die unangenehmen Wechseljahresbeschwerden so gut wie verschwunden. Zu viel sollten Frauen in dieser Situation allerdings nicht erwarten: Bei Brustkrebspatientinnen mit menopausalen Symptomen konnten begleitende Depressionen und Angst nicht gelindert werden. Schlafstörungen ohne organische Ursache sind dagegen eine sehr geeignete Indikation. Nach drei Wochen schlafspezifischer Kneippkur hatte sich die Nachtruhe der Studienteilnehmer nachhaltig verbessert. Mit positiven Effekten darf man offensichtlich auch noch im hohen Alter rechnen: Bewohnern von Seniorenheimen verhalf die Kombination aus Hydro-, Bewegungs- und Phytotherapie zu erheblich mehr Wohlbefinden.

Quelle: Stier-Jarmer M et al. Complement Med Res 2021; 28: 146-159; DOI: 10.1159/000510452