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Armprothese: Implantierte Elektroden ermöglichen anspruchsvolle Handbewegungen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Trotz Amputation Autos reparieren? Mit elektrischer Armprothese ist das möglich. Und auch die Phantomschmerzen verschwinden. Trotz Amputation Autos reparieren? Mit elektrischer Armprothese ist das möglich. Und auch die Phantomschmerzen verschwinden. © pongmoji – stock.adobe.com; Science Photo Library/Marazzi, Dr. P.
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Trotz Armamputation wieder mit beiden Händen zupacken – das ermöglicht eine neuartige Prothese. Sie lässt sich nicht nur nach dem Willen des Trägers steuern, sie gibt auch das Gefühl in der Hand zurück.

Im Humerus verankerte elektrische Armprothesen, deren Hand sich durch Signale aus den Muskelstümpfen von Bizeps und Trizeps willentlich bewegen lassen, existieren bereits. Allerdings muss ihr Besitzer die von äußeren Elektroden gesteuerte Motorik seiner Hand immer visuell oder anhand der Motorengeräusche kontrollieren, schreibt die Arbeitsgruppe um Professor Dr. Max Ortiz-Catalan von der Chalmers Universität Göteborg.

Eine in Schweden entwickelte Prothese hingegen gibt dem Patienten ein sensorisches Feedback direkt aus der künstlichen Hand und macht so die Sicht- und Hörkontrolle überflüssig. Ermöglicht wird dies durch implantierte Elektroden, Sensoren am Daumen und eine Verlagerung der Handnerven. Erproben konnten die neue Technik vier Patienten, die mit der Funktion ihrer bisherigen osseointegrierten Armprothese, die sie über Haut­elektroden steuerten, nicht zufrieden waren bzw. die an Phantomschmerzen litten.

Keine Phantomschmerzen, keine ernsten Nebenwirkungen

Um die anspruchsvollen Handbewegungen zu ermöglichen, transferierten die Operateure bei ihren Patienten den Rest des Nervus ulnaris auf den kurzen Bizepskopf und den Stumpf des Nervus radialis auf den lateralen Trizepskopf. Die distalen Enden dieser Nerven verbanden sie mit den motorischen Ästen von N. musculo­cutaneus bzw. N. radialis.

Um die Signale für die willentliche Handbewegung aufzunehmen, befestigten die Chirurgen Elektroden auf dem Epimysium von Bizeps und Trizeps. Für das sensorische Feedback brachten sie spiralförmige Elektroden an N. ulnaris und N. medianus an. Diese leiteten die aus den Daumensensoren eingehenden Signale via Elektrostimulation an die afferenten Fasern der bei der Amputation durchtrennten Nerven weiter.

Alle Patienten konnten die motorischen Funktionen ihrer Prothese gut im Alltag nutzen. Ein spezielles Training brauchten sie dafür nicht, da sie bereits einen Armersatz mit externen Elektroden gewohnt waren. Die elektrische Stimulation aus den Daumensensoren wurde problemlos der künstlichen Hand zugeordnet. Die Phantomschmerzen verschwanden, und ernste Nebenwirkungen wie Blutungen oder Infektionen wurden während des drei- bis siebenjährigen Gebrauchs nicht be­obachtet.

Der Nutzen des neuen Arms machte sich auch beruflich bemerkbar: Einer der Patienten konnte wegen der verbesserten Funktion wieder ganztags arbeiten, ein anderer reparierte Autos. Außerdem waren Hobbys wie Ski-, Kanu- oder Schneemobilfahren wieder möglich, einer der Patienten fuhr sogar Autorennen.

Quelle: Ortiz-Catalan M et al. N Engl J Med 2020; 382: 1732-1738; DOI: 10.1056/NEJMoa1917537