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AIDS Auch bei älteren Patienten an die Möglichkeit von HIV denken

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Ältere Menschen mit beträchtlich erhöhtem Risiko für eine HIV-Infektion sollten über die Möglichkeit der Präexpositionsprophylaxe aufgeklärt werden. Ältere Menschen mit beträchtlich erhöhtem Risiko für eine HIV-Infektion sollten über die Möglichkeit der Präexpositionsprophylaxe aufgeklärt werden. © iStock/atakan
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Immer mehr Patienten infizieren sich jenseits des 50. Lebensjahrs mit HIV. Fast die Hälfte von ihnen sucht die Praxis erst in einem fortgeschrittenen Stadium der Infektion auf.

Als verspätet wird eine HIV-Diagnose üblicherweise definiert, wenn die CD4-Zellzahl bereits zum Zeitpunkt der Erstkonsultation unter 350 pro Mikroliter liegt oder der Patient eine AIDS-definierende Erkrankung aufweist. Möglicherweise haben die Patienten zu diesem Zeitpunkt bereits andere angesteckt. Außerdem profitieren sie natürlich nicht mehr von den Vorteilen einer frühen Therapie. Umso größere Bedeutung haben Präventionsstrategien, die auch die Generation 50 plus erreichen, schreiben Dr. Amy Justice von der Yale University in West Haven und Koautoren.

Eine Möglichkeit wäre ein allgemeines HIV-Screening ohne Beschränkung auf bestimmte Altersgruppen oder Risikokonstellationen. Die generelle Anwendung des Tests würde die damit oft verbundene Stigmatisierung verhindern. Außerdem wissen viele Risikopatienten gar nicht, dass sie vermehrt HIV-gefährdet sind, und schieben etwaige Frühsymptome auf gängige Alterskrankheiten. Gerade ältere Menschen befürchten oft einen Eingriff in ihre Privatsphäre; Angehörige sexueller Minderheiten möchten über ihre Vorlieben eventuell nicht mit einem Arzt sprechen. Ein weiterer Vorteil der generellen HIV-Kontrolle: Sie ließe sich problemlos in gängige Check-ups integrieren.

Auch ein HIV-Selbsttest könnte die vor allem im Alter weit verbreitete Angst vor einer Isolation im Freundes- und Familienkreis verringern. Denn das positive Ergebnis sieht nur der Patient und entscheidet dann selbst, wann und wo er sich behandeln lässt.

Eine weitere Präventionsmöglichkeit: über 50-Jährige routinemäßig auf ihre sexuelle Gesundheit und etwaige Risiken ansprechen. Aber viele Ärzte scheuen dieses Thema. Zu Unrecht, denn laut den Autoren möchten die meisten Patienten gern über ihr Sexualleben reden, wünschen sich aber, dass die Initiative vom Doktor ausgeht.

Elektronische Erinnerung erleichtert Frühdiagnose

Sinnvoll ist zudem die gezielte Fahndung nach Risikoindikatoren, die einen HIV-Test nahelegen. So können sexuell übertragbare Erkrankungen einschließlich Hepatitis auf ein zuvor unbekanntes Gefahrenpotenzial hinweisen. Persistierende Grippesymptome, Pneumonie und Herpes zoster gehören zu den möglichen Frühzeichen einer HIV-Infektion, Gewichtsverlust, Neuropathien und Demenz zu den Spätsignalen.

Ein besonderes Problem besteht darin, dass viele Hausärzte bei ihren älteren Patienten gar nicht an die Möglichkeit von HIV denken. In solchen Fällen kann eine elektronische Erinnerungshilfe in der Praxissoftware eine Frühdiagnose erleichtern.

Ältere Menschen mit beträchtlich erhöhtem Risiko für eine HIV-Infektion sollten über die Möglichkeit der Präexpositionsprophylaxe aufgeklärt werden – aber im Falle einer bestehenden Polymedikation auch über deren Interaktionspotenzial. Für Patienten, die den Schutz nur gelegentlich benötigen, genügt eventuell eine perikoitale Anwendung.

Quelle: Justice AC et al. Lancet HIV 2022; 9: e269-280; DOI: 10.1016/S2352-3018(22)00003-0