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Kardiovaskuläres Risiko Auf Herz und Nieren prüfen

Autor: Dr. Susanne Meinrenken

Bei einem 72-Jährigen stellt sich die Niere im Schall deutlich verkleinert dar. Bei einem 72-Jährigen stellt sich die Niere im Schall deutlich verkleinert dar. © Science Photo Library/Steven Needell
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In den 2021 publizierten Leitlinien zur Prävention kardiovaskulärer Krankheiten hat die Niere an Bedeutung gewonnen. Das sollten auch Hausärzte auf dem Schirm haben.

Die Autoren der aktuellen ESC-Leitlinie* halten die Messung der Nierenfunktion über die geschätzte glomeruläre Filtrationsrate (eGFR) und den Albumin/Kreatinin-Quotienten im Urin für unerlässlich, um im allgemeinen Screening ein kardiovaskuläres Risiko abzuschätzen. Das unterscheidet sich von der bisherigen Empfehlung, diese beiden Parameter nur bei Patienten mit hohem Risiko für eine chronische Nierenerkrankung zu ermitteln, erklären Dr. Alberto Ortiz von der Autonomen Universität Madrid und Kollegen.

Weltweit leiden etwa 10−12 % der Bevölkerung an einer chronischen Nierenerkrankung (chronic kidney disease, CKD). Da die Prävalenz ansteigt, wird die CKD bis 2040 bei den Todesursachen weltweit an fünfter Stelle stehen. Eine frühzeitige Diagnose zu stellen, ist also essenziell. Wie aktuelle Kohortenstudien zeigen, haben aber nur etwa 23−39 % aller Patienten mit CKD auch diese Diagnose. Das verhindert eine entsprechende ärztliche Betreuung, beispielsweise die Vermeidung nephrotoxischer Medikamente.

Eine CKD wird laut KDIGO-Leitlinien** von 2012 diagnostiziert, wenn die eGFR < 60 ml/min/1,73 m2 und/oder das Verhältnis von Albumin zu Kreatinin im Urin (UACR) > 30 mg/g liegt, also eine Albuminurie besteht. Wichtig: Sobald sich eine deutliche Albuminurie messen lässt, steht die Diagnose CKD – selbst wenn die eGFR noch im Normbereich liegt. Für die Stadieneinteilung gibt es sechs eGFR- und drei UACR-Kategorien.

Die Einteilung der chronischen Nierenkrankheit in den aktuellen Leitlinien folgt den KDIGO-Empfehlungen, wird aber um das kardiovaskuläre Risiko ergänzt. Die ESC grenzt nach den eGFR- und UACR-Kategorien ab:

  • milde CKD
  • moderate CKD: verbunden mit hohem kardiovaskulären Risiko
  • schwere Nierenkrankheit: verbunden mit sehr hohem kardiovaskulären Risiko

Eine hohe UACR gilt als unabhängiger kardiovaskulärer Risikofaktor. Die vereinfachte Nomenklatur könnte dazu beitragen, dass die CKD leichter Einzug in den Check-up erhält.

Das generelle Screening auf das kardiovaskuläre Risiko inklusive der Nierenparameter sollte unabhängig von bereits bekannten Risikofaktoren für alle Männer ab 40 Jahren und alle Frauen ab 50 Jahren oder in der Postmenopause erfolgen und alle fünf Jahre wiederholt werden, bei auffälligen Werten ggf. früher. Wie das Team um Dr. Ortiz schreibt, wäre es zudem wünschenswert, dass jeder Patient seine „ABCDE-Werte“ kennt:

  • Albumin im Urin
  • Blutdruck
  • Cholesterinwerte
  • Diabetesstatus
  • eGFR

Diese Werte sind im Zusammenhang mit offensichtlichen kardiovaskulären Risiken, wie Übergewicht oder Rauchen, einzuordnen. Würden die Empfehlungen, insbesondere die Berücksichtigung von eGFR und Albuminurie als kardiovaskuläre Risikofaktoren, in den Gesundheitssystemen umgesetzt, ließen sich viele Diagnosen einer chronischen Nierenkrankheit früher stellen. Dadurch könnte man sowohl die Niere als auch Herz und Gefäße besser schützen, so die Autoren.

* European Society of Cardiology
** Kidney Disease: Improving Global Outcome

Quelle: Ortiz A et al. Eur J Prev Cardiol 2022; DOI: 10.1093/eurjpc/zwac186