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Rheuma Bei Migranten tauchen lang vergessene Bilder wieder auf

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Gut die Hälfte der Migranten in Deutschland stammt aus europäischen Ländern einschließlich der Türkei. (Agenturfoto) Gut die Hälfte der Migranten in Deutschland stammt aus europäischen Ländern einschließlich der Türkei. (Agenturfoto) © pressmaster – stock.adobe.com
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Geflüchtete, die nach Deutschland kommen, leiden oft unter Erkrankungen, die hierzulande kaum noch auftreten. Mit welchen rheumatischen Krankheitsbildern man rechnen sollte, wurde in einer Übersichtsarbeit zusammengefasst.

Mehr als jeder vierte Bewohner in Deutschland weist einen mehr oder weniger lang zurückliegenden Migrationshintergrund auf – gut die Hälfte dieser Menschen stammt aus europäischen Ländern einschließlich der Türkei und den Staaten der früheren Sowjetunion.

Zahlenmäßig fallen die aktuell nach Deutschland kommenden Migranten aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Nord­afrika demgegen­über ab. Sie bringen allerdings nicht selten hierzulande ungewöhnliche Krankheitsbilder mit, schreiben Prof. Dr. Ina ­Kötter und Dr. ­Martin Krusche von der III. Medizinischen Klinik des Universitätsklinikums Eppendorf in Hamburg. Auf einige wesentliche Probleme gehen sie näher ein.

Familiäres Mittelmeerfieber

Bei der vererbten Autoimmunerkrankung liegen verschiedene Mutationen auf dem Chromosom 16 vor, je nachdem entwickeln die Kranken unterschiedlich schwere Symptome. Alle Veränderungen resultieren in einer vermehrten Synthese von Interleukin-1β, das wiederum inflammatorische Symptome auslöst.

Enthesitis bei Tbc, Vaskulitis bei Hepatitis

Folgende Infektionen gehen häufig mit rheumatischen Beschwerden einher:

  • Das HI-Viruskann zahlreiche rheumatologische Symptome hervorrufen. Dazu gehören z.B. Arthralgien, Hautausschläge und (oft HLA-B27-positive) Spondyloarthritiden, ebenso verschiedene Vaskulitiden. Bei Einsatz einer hochaktiven antiretroviralen Therapie droht einige Wochen nach dem Beginn ein Immunrekonstitutionssyndrom, manchmal entwickeln sich auch eine Sarkoidose oder Symptome eines systemischen Lupus erythematodes. Kranke mit einem schon deutlich beeinträchtigten Immunsystem leiden zudem häufig unter septischen Arthritiden.

  • Eine Tuberkulosegeht oft mit Symptomen u.a. einer Spondylitis/Spondylodiszitis und Psoasabszessen einher. Dazu kommen Enthesitiden und Arthritiden vor allem der großen Gelenke.

  • Bei den Hepatitiden finden sich Polyarthritiden, die einer RA ähneln. Dazu sind eine Panarteriitis nodosa (Hepatis B) bzw. kryoglobulinämische Vaskulitiden (Hepatitis C) beschrieben.

  • Parasitosen sollte man vor allem im Hinterkopf haben, wenn zu den rheumatologischen Symptomen eine Eosinophilie im peripheren Blutbild auftaucht. Bei den Erregern kann es sich um Leishmanien, Lamblien, Amöben und verschiedene Würmer handeln.

Am häufigsten kommen die Betroffenen aus der östlichen Türkei, Nord­afrika, Armenien oder den Ländern der Russischen Föderation. Aber auch in Italien und Griechenland tritt das familiäre Mittelmeerfieber öfter auf als in Nord- und Westeuropa. Bemerkbar macht sich die Erkrankung oft mit Spondylo­arthritiden, die aber HLA-B27-negativ sind, erläutern die Experten.

Behçet-Syndrom

Dabei handelt es sich um eine Vaskulitis verschiedener Gefäße, oft lässt sich bei den Kranken HLA-B51 nachweisen. Vor allem bei Zuwanderern aus der Türkei, Syrien, Afghanistan und Nordafrika sollte man an diese Diagnose denken.

Rheumatisches Fieber

Dem rheumatischen Fieber liegt eine vorangegangene, zu spät erkannte oder nicht behandelte Infektion mit Streptokokken der Gruppe A zugrunde. Über Kreuzreaktionen kommt es in der Folge zu einer Autoimmunerkrankung, die vor allem Herz- und Gelenksymptome verursacht. Klassische Spätfolgen sind Herzklappenfehler oft schon bei jungen Erwachsenen. Betroffene kommen häufig aus Entwicklungsländern, aber auch in der Türkei und Syrien spielt die Erkrankung eine Rolle.

Rheumatologische Symptome bei hereditären Hämoglobinopathien

Thalassämien und Sichelzellanämien schützen bei heterozygotem Status in gewissem Maß vor Malaria, daher sind sie in den entsprechenden Endemiegebieten – und demnach auch bei Zuwanderern aus diesen Regionen – keine Seltenheit, so die Hamburger Kollegen. Beide Erkrankungen verursachen rheumatische Beschwerden und können daher primäre rheumatische Erkrankungen imitieren. 

Bei Thalassämien kommt es oft zu Knochenschmerzen und -nekrosen. Häufig bei ­Sichelzellanämien sind Daktylitiden während der Sichelzellkrisen, die langfristig in verkürzte Finger münden. Weitere Folgen sind avaskuläre Knochennekrosen, Wachstumshemmung und Osteo­penien. Die Hämolyse kann außerdem Symptome einer Arthritis ­urica verursachen. Jeder zehnte Patient erlebt im Verlauf eine Infektion, vor allem Osteomyelitiden und septische Arthritiden.

Quelle: Kötter I, Krusche M. Innere Medizin 2023; 64: 426-434; DOI: 10.1007/s00108-023-01514-0