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Erstbetreuung Infektionen bei Flüchtlingskindern beachten

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Besonders bei den Kindern sollte nach Ankunft so früh wie möglich eine Immunisierung vorgenommen werden. Besonders bei den Kindern sollte nach Ankunft so früh wie möglich eine Immunisierung vorgenommen werden. © Lydia Geissler – stock.adobe.com
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Geflüchtete Kinder und Jugendliche leiden häufig an Infektions­krankheiten. Wer die jungen Patienten als erstes sieht, sollte besonders an die Erkrankungen denken, die sich durch Impfungen verhindern lassen.

Vielen jungen Flüchtlingen fehlt ein ausreichender Impfschutz. Das birgt die Gefahr von Ausbrüchen unter den Geflüchteten selbst und – in geringerem Ausmaß – in der einheimischen Bevölkerung. Zur Prävention wird empfohlen, schon beim Erstkontakt den Impfstatus zu erheben. Eine nicht dokumentierte Vakzinierung gilt als nicht erfolgt, schreiben Dr. ­Benedikt Spielberger vom Zentrum für Kinder- und Jugendheilkunde am Universitätsklinikum Freiburg und Kollegen. 

Um die Lücken rasch zu schließen, empfehlen die Autoren, bereits in den ersten Tagen nach der Ankunft in der Erstaufnahmeeinrichtung gegen Masern, Mumps, Röteln und Varizellen zu immunisieren. Gleiches gilt für Tetanus, Diphtherie, Pertussis und Polio. Außerdem rät das Robert Koch-Institut zur Meningokokken-C-Impfung für alle Kinder und der gegen Rotaviren für Säuglinge. 

Kinder unter fünf gegen HiB und Hepatitis B impfen

Säuglinge und Kleinkinder bis zum Alter von zwei Jahren benötigen darüber hinaus eine Immunisierung gegen Pneumokokken. Wichtig auch: Der Schutz vor Haemophilus influenzae Typ B und Hepatitis B (bis zum fünften Geburtstag). Kinder und Jugendliche ab neun Jahren sollten eine Vakzine gegen HPV erhalten. 

Bei Bewohnern von Gemeinschaftseinrichtungen ist auf eine ausreichende Immunität gegenüber Influenza zu achten. Die Vakzinierung gegen COVID-19 erfolgt analog der deutschen Bevölkerung, wobei zwischen der priorisierten Masern- und der COVID-Impfung mindestens 14 Tage Abstand liegen sollten. 

Bei einer Herkunft aus Ländern mit hoher HIV-Prävalenz (z.B. Subsahara-Afrika, Osteuropa) empfiehlt sich ein Test für Kinder und Jugendliche, besonders wichtig ist dieser für Schwangere. Eine chronische Hepatitis B lässt sich über das HbS-Ag ausschließen. Geflüchteten aus Hochprävalenzgebieten für Hepatitis C (z.B. Ukraine, Naher und Mittlerer Osten, Afrika) sollte ein serologischer HCV-Test offeriert werden. 

Frühzeitiges Tbc-Screening

Die Tuberkulose (Tbc) tritt in den Ländern, aus denen aktuell die meisten Flüchtlinge kommen, häufiger auf als in Deutschland. Auch der Anteil der Infektionen mit „multidrug-resistant“ Stämmen (MDR-Tbc) ist dort relativ hoch (z.B. in der Ukraine). Deshalb wird für minderjährige Geflüchtete, insbesondere aber die Kinder im Säuglings- und Vorschulalter ein frühzeitiges Tbc-Screening empfohlen. Diese Maßnahme dient in erster Linie der Gesundheit der Migranten. Kinder sind nur selten infektiös, haben aber ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf.

Das Screening erfolgt überwiegend mit dem Tbc-spezifischen Interferon-Gamma-Release-Assay. Bei Kindern unter fünf Jahren ist auch ein Tuberkulinhauttest möglich. Dieser kann jedoch nach einer BCG-Impfung (in der Ukraine Standard) falsch-positiv ausfallen. Bei Mangelernährten und unter Immunsuppression muss man mit falsch-negativen Resultaten rechnen.

Unter den parasitären Erkrankungen dominiert die meist klinisch diagnostizierbare Skabies. Die Therapie erfolgt mit Permethrincreme und/oder oralem Ivermectin (Wiederholung der Einnahme nach 7 bis 14 Tagen). Auch Leishmaniose, kutane Diphtherie und andere infektiöse Hauterkrankungen können vorliegen. Informative Bilder finden sich in Online-Lexika (z.B. dermnetnz.org). 

Unter den multiresistenten Erregern (MRE) haben neben den säurefesten Stäbchen vor allem MRSA und „multidrug-resistant“ gramnegative Bakterien (MDRGN) Bedeutung. Geflüchtete Minderjährige weisen wesentlich häufiger MRSA auf als in Deutschland geborene. Auch ukrainische Kinder tragen vermehrt MRE. 
Wichtig für die Abklärung etwaiger Symptome sind Herkunftsland und Fluchtweg. Chronische gastrointes­tinale Beschwerden wecken den Verdacht auf parasitäre Darmerkrankungen wie Schistosomiasis, Giardiasis und Wurminfektionen. Eine gezielte Diagnostik sollte nur bei Verdachtsmomenten erfolgen wie anhaltendem Gewichtsverlust, Diarrhö und/oder Eosinophilie. Die Schistosomiasis ist vor allem in Subsahara-Afrika und der Nilregion verbreitet. Die Strongyloidose kommt in Afrika, Asien, Mittel- und Süd­amerika sowie Ozeanien häufiger vor. 

Eine Untersuchung auf Hämoparasitosen wie Malaria, Leishmaniasis oder Trypanosomiasis sowie Zystizerkose und Echinokokkose wird nur empfohlen, wenn verdächtige Symptome vorliegen und der Geflüchtete sich in einem Endemiegebiet aufgehalten hat. Ein Test auf Treponema pallidum sollte bei Minderjährigen nicht vorgenommen werden, wohl aber bei Schwangeren. 

Genauere Informationen liefert z.B. das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin: www.bnitm.de

Quelle: Spielberger B et al. Monatsschr Kinderheilkd 2023; 171: 679-689; DOI: 10.1007/s00112-023-01799-3