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Bei möglicher Stuhlinkontinenz gezielt nach Symptomen fragen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Wenn‘s häufig in die Hose geht, ist das für die Betroffenen unangenehm. Doch nur wenn man die Ursachen kennt, kann man etwas dagegen unternehmen. Wenn‘s häufig in die Hose geht, ist das für die Betroffenen unangenehm. Doch nur wenn man die Ursachen kennt, kann man etwas dagegen unternehmen. © Rawpixel.com – stock.adobe.com
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Der ältere Herr druckst herum und will nicht so richtig mit der Sprache heraus. Mit dem Stuhlgang sei da was nicht in Ordnung, meint er – und Ihnen fällt ein etwas unangenehmer Geruch auf. Ist das etwa …? Könnte sein.

Patienten sprechen nicht gerne über die Beschwerden, die ihnen bei einer Stuhlinkontinenz zu schaffen machen. Umso wichtiger ist es, gezielt danach zu fragen, erklären Dr. Peter Studer von der Universitätsklinik für viszerale Chir­urgie und Medizin des Inselspitals Bern und seine Kollegen.

Zu solchen Fragen gehört beispielsweise die nach dem unbemerkten Abgang von Stuhl (passive Stuhlinkontinenz) oder dem zwar durchaus bemerkten Stuhlabgang, den der Betroffene aber nicht verhindern kann (Drang-Inkontinenz). Stuhlschmieren schließlich tritt nach dem Gang auf die Toilette bei ansonsten kontinenten Personen auf. Überschneidungen dieser Symptome machen es nicht einfacher, die Befunde sicher einzuordnen.

Meist ist der anale Verschlussapparat lädiert

Helfen können Fragebögen, die u.a. erfassen, wie oft unwillkürlich Stuhl abgeht und wie stark das den Alltag der Patienten beeinträchtigt. Gründe für die Erkrankung gibt es viele. Angeborene Ursachen wie Spina bifida oder anorektale Fehlbildungen machen in der Allgemeinpraxis nur einen ganz geringen Prozentsatz der Patienten aus. Meist sind Läsionen des analen Verschlussapparats verantwortlich – aus ganz verschiedenen Ursachen:

  • Peripartale Traumata mit Verletzung des Analsphinkters gelten als eines der Hauptrisiken für eine Stuhlinkontinenz
  • Auch Interventionen wie Hämorrhoiden-OPs, tiefe Rektumresektionen bei Malignomen und gynäkologische Eingriffe wie Hysterektomien prädisponieren dafür.
  • Neurologische Erkrankungen, z. B. ein Schlaganfall, die Multiple Sklerose und – nicht zu vergessen – eine diabetische Polyneuropathie beeinträchtigen die Sensibilität des Rektums oder schwächen den Sphinkter.
  • Schließlich können chronisch-entzündliche Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa ebenso eine Rolle spielen wie das Reizdarmsyndrom.

Patienten auffordern, den Anus zu schließen und zu pressen

Alle diese anamnestischen Faktoren erlauben es Ihnen, die Beschwerden schon ungefähr einzuordnen. Für die anschließende Untersuchung empfehlen die Darmspezialisten einen „Proktologenstuhl“, der „Real-World“-Bedingungen simuliert und auch den Einfluss der Schwerkraft berücksichtigt. Gibt es den nicht, liegt der Patient für Inspektion und Palpation auf der Seite. Schon auf den ersten Blick fallen perianale Hautveränderungen wie Rötungen und Erosionen ins Auge. Dann fordern Sie den Kranken auf, den Anus aktiv zu schließen.

Dabei sehen Sie gegebenenfalls asymmetrische Kontraktionen (Hinweis auf anatomische Defekte) oder insuffiziente Kontraktionen bis hin zum „klaffenden After“ (Hinweis auf neurologische Störungen). Prolabierende Organe fallen auf, wenn Sie den Patienten pressen lassen. Mit der nachfolgenden digital-rektalen Tastuntersuchung lassen sich unter anderem Sphinkterdruck, die Aktivität der Beckenbodenmuskulatur und eventuelle Rektozelen abschätzen.

Mit Anamnese und Untersuchungsbefund lässt sich bei etwa zwei Drittel der Betroffenen die Ursache einer Stuhlinkontinenz zumindest grob klären, erläutern die Schweizer Kollegen. In den restlichen Fällen ist eine speziellere Diagnostik notwendig, für die Sie den Patienten am besten zu einem entsprechenden Kollegen überweisen. Er kann dann eine Proktoskopie bzw. Rektoskopie durchführen, dazu kommen je nach Bedarf eine perineale und endoanale Sonographie, eine anorektale Druckmessung, eine Koloskopie eine (MR-)Defäkographie oder eine Elektromyographie.

Quelle: Studer P et al. Swiss Medical Forum 2019; 19: 313-318