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Bei schlechter Pumpfunktion ist ein Bypass offenbar besser als der Stent

Autor: Dr. Anja Braunwarth

Die Bypass-OP trumpft unter anderem mit einer geringeren Mortalitätsrate. Die Bypass-OP trumpft unter anderem mit einer geringeren Mortalitätsrate. © iStock/bymuratdeniz
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Nicht nur Patienten, auch viele Ärzte fürchten bei schlechter Pumpfunktion die Bypass-OP mehr als die Katheterintervention. Diese Bedenken werden nun ausgeräumt.

Patienten mit einer therapiebedürftigen KHK und stark reduzierter Ejektionsfraktion (EF) haben nach einer Bypass-OP die deutlich bessere Prognose als nach perkutaner Katheterintervention. Das fand das Team um Dr. Louise­ Y. Sun vom University of Ottawa Heart Institute für diese bisher in Studien unterrepräsentierte Gruppe heraus. Es schloss in seine retrospektive Untersuchung 12 113 Patienten mit einer EF < 35 % und wenigstens einem dieser KHK-Befunde­ ein:

  • ≥ 50%ige Stenose der linken Hauptstammarterie
  • ≥ 70%ige Einengung des Ramus interventricularis anterior
  • ≥ 70%ige Stenose in mindestens zwei großen epikardialen Arterien

Aus diesem Kollektiv verglichen die Forscher 2397 Patienten nach perkutaner koronarer Intervention (PCI) mit der gleichen Zahl an gematchten Personen nach Bypass. Die Gesamtmortalität als primärer Endpunkt lag bereits nach 30 Tagen in der Kathetergruppe höher (4,8 % vs. 4 %). Auch im Hinblick auf kardiovaskulären Tod und schwere kardiovaskuläre Ereignisse (MACE) zeichnete sich zu diesem Zeitpunkt schon ein Vorteil der OP ab.

Auf lange Sicht bestätigte sich das. Nach einem medianen Follow-up von 5,2 Jahren sah man eine signifikant höhere Mortalitätsrate nach PCI als nach Bypass (30 % vs. 23,3 %, Hazard ratio, HR 1,6). Der Benefit fand sich in allen definierten Subgruppen (z.B. komorbider Diabetes) und unabhängig von der Art des verwendeten Stents. Die interventionell Versorgten erlitten zudem deutlich öfter ein MACE (HR 2,0) oder starben wegen eines kardiovaskulären Leidens (HR 1,4). Lediglich bei der Schlaganfallrate schnitt die PCI besser ab (HR 0,7).

Die Autoren führen den Vorteil der OP u.a. darauf zurück, dass damit öfter eine vollständige Revaskularisierung gelingt. Außerdem ändern etwaige neue proximale Läsionen nichts an der Durchblutung distal der Gefäßbrücken. Die höhere Schlaganfallgefahr beruht wohl zum einen auf den Risiken, die mit der Aortenabklemmung verbunden sind. Zum anderen besteht während des offenen Eingriffs eine größere Emboliegefahr und die Patienten werden intraoperativ häufiger hypoton­.

Der Kommentator Dr. Eric J. Velazquez von der Yale School of Medicine in New Haven hält die Resultate für einschneidend. Sie sollten Patienten wie Ärzte nachdenklich machen. Viele von ihnen gehen vermutlich davon aus, dass die PCI initial weniger risikoreich und langfristig gleichwertig zum Bypass ist. Genau das stellt die aktuelle Analyse infrage. Allerdings wäre es wünschenswert, in weiteren Studien zu prüfen, wie sich die bei Herzinsuffizienz oft eingeschränkten kongnitiven Fähigkeiten und die Lebensqualität nach den Interventionen entwickeln.

Quellen:
1. Sun LY et al. JAMA Cardiol 2020; e200239; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.0239
2. Velazquez EJ. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamacardio.2020.0597