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COPD Beim Management zählen nicht nur Dyspnoe, Lungenfunktion und Exazerbationen

Autor: Dr. Angelika Bischoff

COPD-Leitlinien müssen die Multimorbidität in Zukunft stärker berücksichtigen, fordern Prof. ­Fabbri und Kollegen. (Agenturfoto) COPD-Leitlinien müssen die Multimorbidität in Zukunft stärker berücksichtigen, fordern Prof. ­Fabbri und Kollegen. (Agenturfoto) © Angelov – stock.adobe.com
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Die meisten COPD-Patienten haben mindestens eine, durchschnittlich sogar fünf weitere chronische Erkrankungen, die therapeutisch relevant sind. Diese verschlechtern die Prognose und müssen bei der Betreuung von Anfang an berücksichtigt werden.

Neueren Erkenntnissen zufolge ist die chronisch obstruktive Lungenerkrankung als Teil eines multimorbiden Syndroms zu betrachten. Besonders häufig tritt sie zusammen mit kardiovaskulären sowie anderen respiratorischen Erkrankungen, Osteoporose, metabolischen und neuropsychiatrischen Störungen, chronischer Niereninsuffizienz, gastroösophagealem Reflux, Anämie und Krebs auf. Derartige Erkrankungen entwickeln sich bei COPD-Patienten 15–20 Jahre früher als bei Gesunden. Bekannt ist auch, dass zudem z.B. das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse nach einer COPD-Exazerbation deutlich ansteigt. Die meisten COPD-Patienten sterben nicht an respiratorischem Versagen, sondern vor allem aufgrund einer kardiovaskulären oder onkologischen Ursache.

Aktuelle Leitlinien fokussieren sich in erster Linie allein auf die COPD. Bei der Diagnose und Behandlung geht es um respiratorische Symptome, Exazerbationen, Lungenfunktion und Belas­tungstoleranz – ungeachtet irgendwelcher Komorbiditäten. Im GOLD*-Report wird die COPD seit 2017 als Teil eines multimorbiden Status bezeichnet. Doch die Empfehlung, das Management an der Einzel­erkrankung auszurichten, hat nach wie vor Bestand. Diese eingeschränkte Wahrnehmung kann dazu führen, dass Komorbiditäten in Diagnostik und Therapie unter den Tisch fallen, mahnen Prof. Dr. ­LEONARDO ­FABBRI von der Universität Ferrara und Koautoren in einem aktuellen Review.

Möglichkeiten der Prävention nutzen

Eine Reihe von Maßnahmen zielen darauf ab, Multimorbidität bei Patienten mit COPD möglichst gering zu halten. Insbesondere geht es darum, Risikofaktoren zu modifizieren. Dazu zählen Rauchen, mangelnde Bewegung, ungesunde Ernährung und Luftverschmutzung. Ein weiteres wichtiges Standbein in der Prävention stellen Impfungen gegen Influenza, COVID-19, Pneumokokken und RSV dar. Zudem sollten Blutdruck, Glukose und Lipide frühzeitig und regelmäßig kontrolliert werden.

Es ist kein Zufall, dass die COPD mit einer Reihe von Komorbiditäten auftritt. Vielmehr stecken zahlreiche gemeinsame pathobiologische Mechanismen und Risikofaktoren hinter der Koinzidenz. Vor allem Signalwege, die in Alterungsprozesse involviert sind, z.B. systemische Inflammation, Fibrose, Proliferation und Apoptose, spielen hier eine wichtige Rolle.

Individuelles Therapiekonzept muss etabliert werden

Vor diesem Hintergrund sollte man die COPD nicht nur als einzelne Erkrankung betrachten, schreiben die Autoren. Es sei Zeit, Empfehlungen auf Basis eines sogenannten ­treatable traits approach zu erarbeiten. Alle behandelbaren Komponenten der Erkrankungen, die bei einem Patienten vorliegen, müssen in Abhängigkeit von ihrer Schwere für ein individuelles Therapiekonzept berücksichtigt werden.

Kohortenstudien zeigen, dass man in Bezug auf die COPD-Phänotypen differenzieren muss. Der inflam­matorische Phänotyp zeichnet sich beispielsweise aus durch einen erhöhten Body-Mass-Index (BMI), vermehrte Entzündungsmarker im Blut, das gehäufte Auftreten von Bronchitiden, metabolischem Syndrom, Diabetes und KHK. Ein anderer Phänotyp („imploding“) ist gekennzeichnet durch einen niedrigen BMI, Veränderungen bei Biomarkern, die mit Reparaturfunktionen assoziiert sind (z.B. reduzierte sRAGE**-Level), einem multiplen Gewebsverlust in Organen, Muskelatrophie, Emphysem, Osteoporose, Lungenkrebs, arterielle Steifigkeit und vermehrte Exazerbationen. Derartige Morbiditätscluster sollten analysiert werden, um die Therapie gezielt abzustimmen, fordern die Autoren.

Multimorbide COPD-Patienten werden heutzutage meist fragmentiert betreut, d.h. verschiedene Spezialisten kümmern sich jeweils um einen Aspekt der Multimorbidität – ohne Absprache untereinander. Das erhöht nicht nur die Kosten, sondern kann den Patienten regelrecht gefährden, z.B. wenn verordnete Therapien miteinander wechselwirken. Durch eine interdisziplinäre Herangehensweise, die sich an treatable traits orientiert, kann die Betreuung der Patienten optimiert werden.

Im Rahmen einer solchen inte­grierten Versorgung sollten alle Patienten mit symptomatischer COPD ein Screening auf die häufigsten Risiko­faktoren und Morbiditäten durchlaufen. An oberster Stelle stehe jene, die die Prognose unabhängig vom Schweregrad der COPD verschlechtern: Hyperlipidämie, Hypertonie, Herzinsuffizienz, Vorhofflimmern, KHK, Lungenkrebs, Angst und Depression. Dazu kommen weitere Komorbiditäten mit negativen Auswirkungen auf den Gesundheitszustand, z.B. Osteoporose und Sarkopenie.

COPD-Leitlinien müssen die Multimorbidität in Zukunft stärker berücksichtigen, fordern Prof. ­Fabbri und Kollegen. Enthalten sein sollten auch praktische Empfehlungen für das Management häufiger Begleitkrankheiten.

* Global Initiative for Chronic Obstructive Lung Disease
** soluble receptor for advanced glycation end-products

Quelle: Fabbri LM et al. Lancet Respir Med 2023; DOI: 10.1016/S2213-2600(23)00261-8