
Frühzeitiger Klappenersatz? Beobachten oder intervenieren?

Im letzten Jahr gab es dazu gleich drei Studien. Was kam heraus? Und wie werden sich die Ergebnisse auf das anstehende Leitlinienupdate auswirken?
Auch Patientinnen und Patienten mit einer asymptomatischen schweren Aortenstenose können für einen chirurgischen oder kathetergestützten Klappeneingriff in Frage kommen. Die aktuelle europäische Leitlinie sieht eine Intervention bei normaler linksventrikulärer Funktion und unauffälligem Belastungstest vor, wenn das prozedurale Risiko niedrig ist und eines der folgenden Kriterien vorliegt:
- sehr schwere Stenose (mittlerer Gradient ≥ 60 mmHg)
- schwere Klappenverkalkung und Progression der maximal gemessenen Geschwindigkeit über der Klappe von mindestens 0,3 m/s/Jahr
- wiederholte BNP-Erhöhung über das Dreifache des alters- und geschlechtskorrigierten Normwerts
Prof. Dr. Helmut Baumgartner vom Universitätsklinikum Münster zufolge beruhen diese Kriterien zwar nicht auf „wirklich harten Studien“. Aber die meisten Untersuchungen hätten gezeigt, dass entsprechende Patientinnen und Patienten in absehbarer Zeit sehr wahrscheinlich Komplikationen entwickeln.
Im Jahr 2024 kamen drei Publikationen hinzu, die sich genauer mit den Vor- und Nachteilen eines frühen Eingriffs bei asymptomatischer schwerer Aortenstenose beschäftigten. Da wären zunächst die Langzeitdaten der randomisierten AVATAR-Studie. Darin erhielten 157 Personen mit einem medianen STS*-Score von 1,7 % und negativem Belastungstest entweder einen chirurgischen Aortenklappenersatz oder wurden im Sinne eines watchful waiting kontrolliert. Das Durchschnittsalter lag bei 67 Jahren.
Nach nunmehr 63 Monaten medianem Follow-up erwies sich die OP im primären kombinierten Endpunkt** weiterhin überlegen, er ereignete sich darunter bei 23 %, im Vergleichskollektiv bei 47 %. Auch in den Einzelendpunkten Gesamtmortalität und Hospitalisierungsrate überzeugte der chirurgische Ansatz (Hazard Ratio, HR 0,44 bzw. 0,21). Auffällig war jedoch, dass sich die kardiovaskuläre Sterblichkeit zwischen den Gruppen nicht signifikant unterschied, betonte Prof. Baumgartner.
Wie sich die Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) im Vergleich zum abwartenden Vorgehen schlägt, wurde in der EARLY-TAVR-Studie untersucht. 901 Patientinnen und Patienten (mittleres Alter 76 Jahre) mit einem durchschnittlichen STS-Score von 1,8 % nahmen teil. Im primären kombinierten Endpunkt (Tod, Schlaganfall, ungeplante kardiovaskulär bedingte Rehospitalisierung) ergab sich im Laufe der medianen Nachbeobachtungszeit von 3,8 Jahren eine Risikoreduktion um 50 %, wenn interveniert statt engmaschig überwacht wurde. Verantwortlich dafür war vor allem die niedrigere Rate an ungeplanten Klinikeinweisungen, die Gesamtmortalität blieb in dieser Studie unbeeinflusst.
Zudem hob der Referent hervor, dass 87 % der Personen aus der Kontrollgruppe im Verlauf doch eine TAVI erhielten. Gegenüber denjenigen mit früherer Klappenintervention traten prozedurbedingte unerwünschte Ereignisse allerdings nicht häufiger auf. „Das ist schon auch ein wichtiger Aspekt“, sagte Prof. Baumgartner. Schließlich könnte man annehmen, dass der verzögerte Eingriff mit einem höheren Komplikationsrisiko einhergeht.
In die dritte Studie, EVOLVED genannt, waren Patientinnen und Patienten eingeschlossen, die neben einer schweren Aortenstenose eine Myokardfibrosierung aufwiesen. Nach Randomisierung erhielten sie früh eine Klappe via TAVI oder OP oder wurden konservativ behandelt. Wegen Rekrutierungsschwierigkeiten umfasste die Analyse nur 224 der geplanten 356 Teilnehmenden, bedauerte der Kardiologe. Und im Vergleich zum konservativen Ansatz profitierte die Interventionsgruppe weder beim kombinierten Endpunkt – Tod oder ungeplante Krankenhausaufnahme aufgrund der Aortenstenose – noch bei der Gesamtsterblichkeit. Lediglich die Hospitalisierungen gingen nach dem frühen Eingriff deutlich zurück (HR 0,37).
Somit weisen alle aktuellen Untersuchungen auf eine Verringerung ungeplanter Klinikaufenthalte hin, wenn bei asymptomatischer schwerer Aortenstenose früh ein Eingriff erfolgt. Die Daten zur Überlebensrate oder zur Reduktion des Interventionsrisikos sind jedoch nicht konsistent. Laut Prof. Baumgartner bedarf es längerer Nachbeobachtungszeiten und größerer Kohorten. Im Hinblick auf das anstehende Leitlinien-Update in diesem Jahr sagte er: „Mich würden diese Daten nicht überzeugen, wesentlich von den bisherigen Empfehlungen abzuweichen.“ Ein frühzeitiger Eingriff sollte weiterhin ausgewählten Risikogruppen vorbehalten bleiben.
*Society of Thoracic Surgeons
**Tod jeglicher Ursache, akuter Myokardinfarkt, Schlaganfall oder ungeplante Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz
Quelle: Kongressbericht 20. DGK-Kardiologie-Update-Seminar