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Auditive Unterstützung Besser hören, besser denken?

Autor: Anna Millenaar/Dr. Anja Braunwarth

Wer nicht hören will, baut ab. Zwar kann ein Hörgerät die Demenz an sich nicht verhindern, der Hörverlust erhöht jedoch das Risiko. Wer nicht hören will, baut ab. Zwar kann ein Hörgerät die Demenz an sich nicht verhindern, der Hörverlust erhöht jedoch das Risiko. © Ingo Bartussek – stock.adobe.com
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Ein nachlassendes Hörvermögen im mittleren Alter gilt als Risikofaktor für die Entwicklung einer Demenz. Bedeutet dies im Umkehrschluss, dass sich durch hörrehabilitative Maßnahmen kognitive Beeinträchtigungen vorbeugen lassen? 

Wie die Lancetkommission zu Prävention und Versorgung der Erkrankung aus dem Jahr 2020 berichtet, lässt sich durch Anpassen von Lebensstil und medizinischen Beeinträchtigungen das Auftreten einer Demenz verzögern oder verhindern. Eine wichtige Rolle spielte dem Bericht zufolge eine Hörminderung im mittleren Lebensalter. Umgekehrt lässt dies vermuten, dass man durch hörrehabilitative Maßnahmen kognitiven Beeinträchtigungen im Alter vorbeugen könnte. Prof. Dr. Piers Dawes vom University of Queensland Centre for ­Hearing Research in Brisbane und Prof. Dr. Christiane Völter vom Hörkompetenzzentrum der HNO-Klinik der Universität Bochum haben diese These näher untersucht. 

In ihr Review schlossen sie 18 bis Ende 2022 veröffentlich­te Studien ein, drei zu Cochlea-­Implantaten und 15 zu Hörgeräten. Alle Publikationen hatten eine Mindestbeobachtungsdauer von drei Jahren. Die Ergebnisse fielen sehr variabel aus. Die drei Publikationen zu Cochlea-Implantaten lieferten vielversprechendere Resultate als die zu Hörgeräten, wiesen aber methodische Mängel auf. 

Prof. Dawes und Prof. Völter betonen die Schwierigkeit, die möglichen Benefits richtig zu interpretieren. So gab es kaum untersuchte Relationen zwischen der jeweiligen Intervention und den verschiedenen Demenzformen. Außerdem wurde in den einzelnen Studien eine Vielzahl unterschiedlicher kognitiver Teilbereiche getestet. Die apparative Hörunterstützung beeinflusste in einigen Untersuchungen nur einzelne Teilbereiche positiv, in anderen sah man gleichermaßen günstige Effekte für alle Bereiche. Auch die Methoden, wie die jeweiligen Studienautoren eine kognitive Beeinträchtigung quantifizierten, variierten stark. Teilweise kamen Screeningtests wie der Mini Mental Status Test zum Einsatz, ein anderes Mal war die klinische Diagnose ausschlaggebend. 

Die beiden Autoren warnen davor, gefundene Korrelationen als Kausalität zu fehlinterpretieren. Mögliche gemeinsame Risikofaktoren von Hörminderung und Demenz – beispielsweise körperliche Inaktivität, Rauchen, Hypertonus und Adipositas – könnten eine Rolle als Störfaktoren spielen. Und nicht zuletzt wirken sich kognitive Faktoren selbst auf das Ergebnis eines Hörtests aus. 

Länger eigenständig den Alltag bewältigen können

Insgesamt betonen die Kollegen, dass anhand der aktuellen Studienlage auch laut WHO (noch) keine ausreichende Evidenz dafür vorliegt, Interventionen gegen Hörverlust zur Prophylaxe von Demenzerkrankungen zu empfehlen. Der Hauptvorteil könne darin liegen, Alltagsfunktionalität und Eigenständigkeit der Betroffenen länger zu erhalten. Damit lässt sich möglicherweise der Zeitpunkt nach hinten verschieben, an dem aus kognitiven Defiziten eine manifeste Demenz wird. Um das zu überprüfen, sind weitere Studien erforderlich, die insbesondere funktionale Aspekte über einen längeren Zeitraum betrachten.

Quelle: Dawes P, Völter C. Z Gerontol Geriatr 2023; DOI: 10.1007/s00391-023-02178-z