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Insomnie Bettzeiten verkürzen, Schlafdruck erhöhen

Autor: Dr. Dorothea Ranft

Denn das starre Fokussieren auf den Schlaf und der unbedingte Wille, schnell einzuschlafen, ist bei Insomnie nicht hilfreich. Denn das starre Fokussieren auf den Schlaf und der unbedingte Wille, schnell einzuschlafen, ist bei Insomnie nicht hilfreich. © Woraphon – stock.adobe.com
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Patienten mit ausgeprägter Insomnie finden mit guten Ratschlägen allein kaum in den notwendigen Schlaf. Vielen hilft eine kogni­tive Verhaltenstherapie. Medikamente hingegen sollen nur in ganz ­bestimmten Situationen zum Einsatz kommen.

Die Prävalenz der insomnischen Störung ist hoch: Etwa 6–10 % der Gesamtbevölkerung sind davon betroffen, bei Menschen mit körperlicher oder psych­iatrischer Erkrankung fast jeder dritte. Therapie erster Wahl ist eine spezielle kognitive Verhaltenstherapie, erläutert ein Autorenteam um Dr. phil. Elisabeth­ Hertenstein­ vom Universitätsklinikum Bern.

Üblicherweise umfasst die Intervention sechs bis zwölf Termine, wobei Einzelsitzungen und Gruppentherapie ähnliche Effekte erzielen. Auch Patienten mit psychiatrischer oder körperlicher Begleit­erkrankung profitieren hinsichtlich Insomnie sowie mit Blick auf die physische und psychische Gesundheit, so Dr. Hertenstein und Kollegen. Zudem spricht eine hohe Evidenz für die Wirksamkeit von Online-Angeboten.

Ziel der kognitiven Verhaltenstherapie für Insomnie (KVT-I) ist die Begrenzung der Bettliegezeit und ein Verzicht auf Tagschlaf, um den homöostatischen Schlafdruck zu erhöhen. Mit der kognitiven Komponente werden schwierige Gedanken, die den Patienten wach halten, erkannt und gezielt verändert. Teil der Therapie sind Entspannungs­übungen wie die progressive Muskelrelaxation.

Eine medikamentöse Behandlung soll nur angeboten werden, wenn die KVT-I nicht verfügbar, nicht durchführbar oder nicht effektiv ist, betonen die Autoren. Im Akutfall eignen sich kurz wirksame Benzodiazepine und Benzodiazepinrezeptor­agonisten für maximal vier Wochen. Bei längerem Einsatz kommt es häufig zur Toleranz mit Dosissteigerung und Abhängigkeit. Alternativ eignen sich sedierende Anti­depressiva wie Trazodon, Trimipramin und Mirtazapin. Bei schweren und akuten psychiatrischen Erkrankungen verordnet man Antipsychotika wie Quetiapin und Olanzapin.

Jeder dritte Patient hat auch eine Schlafapnoe

Vor Beginn der Verhaltenstherapie sind organische Erkrankungen als Ursache für die Schlafstörung auszuschließen. Etwa jeder dritte Insomniebetroffene leidet zugleich an einem Schlaf­apnoesyndrom, was man jedoch leicht übersieht, da die Patienten ihre Atemaussetzer nicht bemerken. Vielfach berichten sie  aber über Kopfschmerzen und einen trockenen Mund beim Erwachen sowie Abgeschlagenheit und Müdigkeit am Tage. Behandelt wird bei höherem Schweregrad vorzugsweise mittels CPAP*-Beatmung.

Leicht mit einer Insomnie verwechselt wird das Restless-Legs-Syndrom. Die zugehörigen Beschwerden treten anfangs vor allem abends oder zu Beginn der Nacht auf und gehen mit Einschlafstörungen einher. Nicht alle Betroffenen berichten die typischen Symptome, weshalb sie gezielt zu erfragen sind. Nach Ausschluss eines sekundären Restless-Legs-Syndroms etwa infolge eines Eisenmangels ist die medikamentöse Therapie angebracht, z.B. mit Dopaminrezeptoragonisten.

Organisch bedingte Schlafstörungen lassen sich allein verhaltenstherapeutisch nicht erfolgreich behandeln. Psychisch und körperlich bedingte Insomnie treten oft gemeinsam auf. Zunächst sollte dann die organische Erkrankung behandelt und bei remittierenden Symptomen die Verhaltenstherapie angeschlossen werden.

Ein- und Durchschlafstörungen finden sich bei psychiatrischen Patienten sehr häufig. Lange ging man davon aus, dass sich die Insomnie nach erfolgreich behandelter Grundkrankheit zurückbilden würde. Das ist jedoch nicht uneingeschränkt richtig, stellen Dr. Hertenstein­ und Kollegen klar. Insomnie ist vielmehr ein unabhängiger Risikofaktor für psychische Erkrankungen. Nach erfolgreicher Behandlung etwa einer depressiven Phase persistieren die Schlafprobleme häufig und erhöhen die Rezidivrate. Die Betroffenen lassen sich aber mit einer Verhaltenstherapie erfolgreich behandeln.

Eine ergänzende Option bietet möglicherweise die Akzeptanz-Commitment-Therapie. Sie kommt für Patienten infrage, die auf eine KVT alleine nicht ausreichend ansprechen, was immerhin bei jedem dritten Patienten der Fall ist. Ziel der Akzeptanz-Commitment-Therapie ist eine bessere psychische Flexibilität. Die Betroffenen lernen, trotz belastender Gedanken ein erfüllendes Leben zu führen. Diese Herangehensweise passt gut zur Insomnie, erläutern die Autoren: Denn das starre Fokussieren auf den Schlaf und der unbedingte Wille, schnell einzuschlafen, ist bei Insomnie nicht hilfreich. Pilotstudien ergaben, dass sich die Akzeptanz-Commitment-Therapie gut mit Komponenten der KVT-I kombinieren lässt.

*    continuous positive airway pressure

Quelle: Hertenstein E et al. DNP 2023; 24: 60-67; DOI: 10.1007/s15202-023-5755-9