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HIV Bitteres Erbe zum Start ins Leben

Autor: Dr. Judith Lorenz

Wie die Mutter so das Kind. Dabei ließe sich eine HIV-Übertragung mittlerweile durchaus vermeiden. Wie die Mutter so das Kind. Dabei ließe sich eine HIV-Übertragung mittlerweile durchaus vermeiden. © sewcream – stock.adobe.com
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HIV-Übertragungen von Müttern auf ihre Kinder sind grundsätzlich vermeidbar. Die größten Hürden scheinen heutzutage für Migrantinnen zu bestehen, unter anderem durch erschwerten Zugang ins Versorgungssystem.

HIV-Infektionen bei Kindern unter 15 Jahren gehen in Deutschland fast ausschließlich auf Mutter-Kind-Übertragungen zurück. Diese finden während der Schwangerschaft, im Rahmen der Geburt oder beim Stillen statt, schreiben der Infektionsepidemiologe Dr. Ulrich Marcus vom Robert Koch-Institut (RKI) in Berlin und Kollege. Durch eine antiretrovirale Therapie der Schwangeren, primäre Sectio, Postexpositionsprophylaxe des Neugeborenen sowie Stillverzicht lassen sie sich prinzipiell verhindern.

Die HIV-Übertragungsrate pro 100.000 Lebendgeburten ist hierzulande deutlich gesunken, berichten die Wissenschaftler: von im Mittel 1,8 (Jahrgänge 1999–2007) auf 0,8 (2008–2016). Daten des HIV-Melderegisters am RKI belegen 331 HIV-Diagnosen bei zwischen 1999 und 2016 geborenen Kindern im Alter unter 15 Jahren. In 313 Fällen erwies sich dabei die Mutter-Kind-Übertragung als der wahrscheinlichste Infektionsweg. Von diesen 313 Kindern waren 162 (52 %) in Deutschland zur Welt gekommen, aber nur 82 Mütter (26 %) stammten aus Deutschland. 140 Kinder (45 %) reisten, bereits mit HIV infiziert, nach Deutschland ein.

Bei 59 % der in Deutschland infizierten Kinder war der HIV-Status der Mutter den Geburtshelfern nicht bekannt. Obwohl mittlerweile die meisten Schwangeren ein HIV-Screening in Anspruch nehmen, erhielten 2017 noch immer ca. 5 % keinen HIV-Test. Ein weiteres großes Problem, das es zu lösen gilt, so die Autoren, sind Versorgungslücken und -barrieren für werdende Mütter mit Migrationshintergrund.

Quelle: Marcus U, Beck N. Monatsschr Kinderheilkd 2022; 170: 403-411; DOI: 10.1007/s00112-020-00865-4