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Cannabis: Was Deutschland aus der Legalisierung in Kanada lernen kann

Autor: Friederike Klein

Die Steuereinnahmen für Cannabis sind so hoch wie für alkoholische Getränke. Die Steuereinnahmen für Cannabis sind so hoch wie für alkoholische Getränke. © iStock/OpenRangeStock
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In der Diskussion um die Legalisierung von Cannabis mag der Blick über den Atlantik helfen: Vor einem Jahr hat Kanada die Droge für den Freizeitgebrauch freigegeben. Während das versprochene Public-Health-Konzept noch auf sich warten lässt, kassiert der Staat kräftig ab.

Der Cannabislegalisierung im Oktober 2018 war ein stetig steigender Gebrauch der Droge bei Erwachsenen vorausgegangen: 70 % der Cannabiskonsumenten in Kanada sind laut Professor Dr. Christian G. Schütz von der Universität von British Columbia in Vancouver älter als 25 Jahre. Auch über 40-Jährige beginnen noch mit dem Konsum.

Wichtige Eckpunkte der Cannabisfreigabe in Kanada sind das Verkaufsmonopol des Staates und der eingeschränkte Zugang zur Droge über eine begrenzte Zahl staatlicher Verkaufsstellen. Hinzu kommen Jugendschutzmaßnahmen, Preis- und Qualitätskontrollen sowie ein Werbeverbot. Vorgesehen sind auch Investitionen in Aufklärung und Prävention, gerade im Hinblick auf das Autofahren unter Cannabis, und die Ausweitung von Behandlungsangeboten für Abhängige.

Akutreaktionen immer häufiger

Der Vorteil von Cannabis gegenüber vielen anderen Substanzen ist: Die potenziell letale Dosis liegt bei mehr als dem Tausendfachen der wirksamen Dosis und kann daher kaum erreicht werden. Zum Vergleich: Bei Heroin ist schon das Fünffache der wirksamen Dosis todbringend. Das Abhängigkeitsrisiko von Cannabis wird als relativ gering eingestuft. Allerdings sind in den letzten Jahren die Notaufnahmen und stationären Behandlungen in Kanada im Zusammenhang mit Cannabis angestiegen. Das betrifft auch die „Cannabisvergiftung“, die sich in Form von Angstzuständen und Panik äußert, mit Tachykardie und erhöhtem Blutdruck, Wahnvorstellungen und/oder Halluzinationen, schwerer Übelkeit und/oder Erbrechen und Atembeschwerden oder Brustschmerzen. Bei diesen Ereignissen handelt es sich laut Prof. Schütz meist um akute Reaktionen auf Cannabis. Eine Ursache der vermehrten Akutreaktionen vermutet er im gestiegenen Gehalt an Tetrahydrocannabinol der Cannabisprodukte.

Nach wie vor verboten ist der Verkauf und die Weitergabe von Cannabisprodukten an Jugendliche. Erwachsene dürfen nicht mehr als 30 Gramm legales Cannabis besitzen und höchstens vier Pflanzen an ihrem Wohnort kultivieren. Der Markt, der sich durch die Legalisierung auftut, ist bedeutend: Schon 2017 gaben die Kanadier für Cannabisprodukte im medizinischen Bereich und für den freien Gebrauch mehr als 5,5 Milliarden kanadische Dollar aus. Dabei ist der Preis für die Droge seit der Jahrtausendwende gesunken, sonst würde diese Zahl noch viel höher liegen, wie Prof. Schütz erläuterte. Er ist überzeugt davon, dass die Umsätze mit den Produkten rund um das legale Cannabis weiter steigen werden. Marktforscher rechnen bis zum Jahr 2022 mit einem Wachstum auf weltweit 32 Milliarden US-Dollar. Das dürfte den Regierungen, die den Cannabisgebrauch freigegeben haben, zusätzliches Geld bescheren. So nehmen etwa die US-Bundesstaaten, die Cannabis legalisiert haben, mit mehr als einer Milliarde US-Dollar derzeit fast so viel Steuern mit der Droge ein wie mit den Abgaben auf Bier, Wein und Hochprozentiges. Die eine Hälfte des legalen Marktes in Kanada dürfte künftig Produkte ausmachen, die zum Cannabisrauchen benötigt werden, etwa getrocknete Pflanzen oder vorgefertigte Filterhülsen, schätzt der Experte. Die andere Hälfte entfällt auf Extrakte für E-Zigaretten oder spezielle Inhalatoren sowie Cremes, Sprays und anderes. Bislang noch nicht zugelassen wurden Produkte wie Cannabis-Gummibärchen oder andere essbare Erzeugnisse und Cannabis-Getränke, die mit ihrer bunten Verpackung junge Menschen besonders ansprechen dürften. Wie sich der Konsum in Kanada ausweiten könnte, zeigte der Referent anhand der Entwicklung im US-Bundesstaat Colorado. Dort nahm der monatliche Marihuana-Gebrauch bei den 18- bis 25-Jährigen in den drei Jahren nach der Legalisierung um ein Drittel zu, bei den Älteren verdoppelte er sich. Erste Zahlen legte Prof. Schütz für Kanada vor: Dort stieg einer Umfrage zufolge der Anteil der über 15-jährigen Cannabiskonsumenten von 14 % im ersten Quartal 2018, also vor der Freigabe, auf 18 % im ersten Quartal 2019 an.

Wo bleiben die Therapieangebote?

So hat die Legalisierung von Cannabis für den Freizeitgebrauch in Kanada seit dem Herbst 2018 zu einem wachsenden Markt und bereits jetzt zu einer Zunahme des Konsums geführt. Parallel zur steigenden Nachfrage und den wachsenden staatlichen Einnahmen aus dem Cannabisverkauf dürften auch die Probleme, die mit der Droge in Zusammenhang stehen, zunehmen. Doch die zugesagte Ausweitung der Therapieangebote lässt auf sich warten, kritisierte Prof. Schütz. Dem illegalen Markt macht die Freigabe der Droge im Übrigen nicht automatisch ein Ende, stellte der Referent klar. Solange illegales Cannabis billiger zu haben ist als das legale, wird es auch weiterhin nachgefragt. In der bereits erwähnten Umfrage gab im ersten Quartal 2019 noch ein gutes Drittel der kanadischen Konsumenten (38 %) an, Cannabis illegal zu erwerben. 12 % hatten zudem in den letzten drei Monaten neu mit dem Cannabisgebrauch begonnen.

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