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Corona geht auf die Nerven: Mehr als ein Drittel der Patienten zeigt neurologische Störungen

Autor: Dr. Elke Ruchalla

Bei mehr als einem Drittel der COVID-19-Patienten treten neurologische Störungen auf. Bei mehr als einem Drittel der COVID-19-Patienten treten neurologische Störungen auf. © iStock/Henrik5000
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Das neue Coronavirus SARS-CoV-2? Klar, das verursacht Lungenentzündungen – so weit, so gut. Das ist aber noch lange nicht alles, wie sich immer mehr herausstellt.

Schon bei früheren Ausbrüchen von Coronavirus-Infektionen wie SARS* fielen Patienten auf, die nach zwei bis drei Wochen neurologische Komplikationen entwickelten, schreiben Dr. Samuel J. Pleasure vom Department of Neurology and Weill Institute for Neurosciences an der University of California in San Francisco und seine Kollegen. Dabei handelte es sich vor allem um periphere axonale Neuropathien und Myopathien. Pathologen zeigten dann, dass bei vielen Betroffenen eine ausgedehnte Vaskulitis vorlag, die auch die großen Gefäße betraf.

Die Forscher um Dr. Ling Mao von der Abteilung für Neurologie des Union Hospital an der Huazhong University of Science and Technology in Wuhan gingen dieser möglichen Beteiligung des Nervensystems nun bei dem aktuellen Ausbruch nach. Dazu werteten sie retrospektiv Krankenakten von 214 Patienten aus, die in drei Kliniken über einen Zeitraum von knapp fünf Wochen behandelt worden waren.

Drei Gruppen nach Lokalisation der Beschwerden eingeteilt

Insgesamt fanden die Wissenschaftler bei mehr als jedem dritten Infizierten (n = 78; 36,4 %) mehr oder weniger ausgeprägte Symptome neurologischen Ursprungs. Die Beschwerden teilten sie nach ihrer Lokalisation in drei Gruppen ein:

  • Symptome des Zentralnervensystems, wie Kopfschmerzen, Schwindel, Bewusstseinsveränderungen, akute zerebrovaskuläre Störungen, Ataxie und Krampfanfälle (bei 53 Patienten)
  • Symptome des peripheren Nervensystems, wie Geruchs-, Geschmacks- und Sehstörungen sowie neuropathische Schmerzen (bei 19 Patienten)
  • Schäden der Skelettmuskulatur (bei 23 Patienten)

Anschließend unterteilten die Wissenschaftler die Betroffenen nach dem Ausmaß der Lungenerkrankung. Danach lag eine schwere Infektion vor, wenn die Patienten auf eine maschinelle Beatmung angewiesen waren. Die 88 zu dieser Gruppe Gehörenden waren älter, wiesen häufiger Begleitdiagnosen auf, vor allem eine Hypertonie, und seltener die COVID-19-„Klassiker“ Husten und Fieber. Und auch neurologische Beschwerden, vor allem zentralnervöse, traten hier öfter auf: bei knapp der Hälfte im Vergleich zu knapp einem Drittel der weniger schwer Erkrankten (45,5 % vs. 30,2 %).

„Normaler“ Schlaganfall muss keiner sein

Interessanterweise fanden die Mediziner fünf akute Schlaganfälle bei den Schwerkranken (einen bei den leicht Erkrankten), darunter vier Ischämien und eine zerebrale Blutung. Die neurologischen Ereignisse Befunde traten meist relativ früh auf, innerhalb der ersten ein bis zwei Tage der Erkrankung, und oftmals wurden sie zunächst nicht als Anzeichen der Infektion erkannt.

In Corona-Zeiten sollten Mediziner bei Patienten mit neurologischen Symptomen auch an SARS-CoV-2 denken. Ein „normaler“ Schlaganfall muss genau das nicht sein, sondern kann auf die Infektion zurückgehen. Das heißt: Parallel zur spezifischen Behandlung die Virusdiagnostik anwerfen und Vorsichtsmaßnahmen ergreifen für sich und andere. 

* Severe Acute Respiratory Syndrome

Quellen:
1. Pleasure SJ et al. JAMA Neurol 2020; DOI: 10.1001/jamaneurol.2020.1065
2. Mao L et al. A.a.O.; DOI: 10.1001/jamaneurol.2020.1127