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Corona: Massentestungen in Pflegeheimen und Gefängnissen gefordert

Autor: Kathrin Strobel

„Asymptomatische Infizierte müssen frühzeitig erkannt und isoliert werden“, fordern Experten.
„Asymptomatische Infizierte müssen frühzeitig erkannt und isoliert werden“, fordern Experten. © iStock/gece33
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Die bisher eingesetzten Strategien zur Eindämmung der COVID-19-Pandemie sind unzureichend, so die Meinung einiger Experten. Sie fordern einen anderen Ansatz – zumindest für Einrichtungen wie Pflegeheime und Gefängnisse.

Strategien zur Infektionskontrolle stützen sich in der Regel auf das frühe Erkennen von Erkrankten, um die Ausbreitung einzudämmen. Auf diese Weise ließ sich der SARS-CoV-1-Ausbruch im Jahr 2003 innerhalb von acht Monaten kontrollieren, schreiben Professor Dr. Monica Gandhi und Kollegen vom Department of Medicine der University of California.1 Das Virus hatte bis zu diesem Zeitpunkt insgesamt etwa 8100 Menschen infiziert.

Im Fall von SARS-CoV-2 zeigen die bewährten Strategien jedoch nicht die gewünschte Wirkung. Denn der Erreger kann auch von Infizierten übertragen werden, die (noch) asymptomatisch sind. Das verdeutlicht ein Bericht über ein Pflegeheim in King County, Washington, von Melissa M. Arons und Kollegen, Centers for Disease Control (CDC) and Prevention COVID-19 Emergency Response.2

Hohe Viruslast in den oberen Atemwegen

Am 1. März wurde ein Mitarbeiter der Einrichtung positiv auf SARS-CoV-2 getestet. 23 Tage später konnte die Infektion bei 57 der 89 Bewohner (64 %) nachgewiesen werden. Davon wiesen 27 zum Zeitpunkt der Testung noch keinerlei Symptome auf. Dennoch trugen sie wahrscheinlich maßgeblich zur weiteren Verbreitung des Erregers in der Einrichtung bei, schreiben die Autoren. 24 der zuerst beschwerdefreien Patienten entwickelten im weiteren Verlauf noch Krankheitszeichen, drei der Infizierten blieben asymptomatisch. Bis 3. April mussten insgesamt elf Heimbewohner stationär aufgenommen werden, 15 verstarben. Das entspricht einer Mortalität von 26 %.

Was SARS-CoV-2 so besonders macht, ist die hohe Viruslast in den oberen Atemwegen – und zwar bereits bevor die ersten Symptome auftreten, erklären Prof. Gandhi und ihre Kollegen. Bei anderen viralen Erkrankungen wie der Influenza weisen asymptomatische Patienten in der Regel eine deutlich niedrigere Viruslast auf als schwer Erkrankte. Bei SARS-CoV-2-Infizierten scheint es diesbezüglich keine nennenswerten Unterschiede zu geben: Die Viruslast aller infizierter Bewohner des Pflegeheims war ähnlich hoch – unabhängig davon, ob sie Symptome hatten oder nicht, betonen die CDC-Experten.

In den USA grassiert das Virus bereits in jeder zehnten Pflegeeinrichtung, heißt es in dem Kommentar weiter – und zwar trotz der dort angewendeten Strategien zur Eindämmung. Die bisherigen Maßnahmen seien unzureichend und müssten dringend überdacht werden.

Massentestungen in regelmäßigen Abständen

Die Autoren um Prof. Gandhi fordern einen gänzlich neuen Ansatz, nach welchem in Einrichtungen wie Pflegeheimen – aber auch in Gefängnissen, Obdachlosenheimen, geschlossenen Psychiatrien etc. – nicht nur symptomatische Menschen, sondern alle Bewohner und Mitarbeiter getestet werden sollten. Nur mittels solcher Massentestungen sei es möglich, auch asymptomatische Infizierte sowie deren direkte Kontaktpersonen früh genug zu isolieren. In Einrichtungen ohne Infektionsfälle könne man dann vorsichtig wieder Gruppenaktivitäten aufnehmen. Die Testungen müssten in regelmäßigen Abständen wiederholt werden.

Zudem empfehlen die Experten das Tragen chirurgischer Mund-Nasen-Masken. Und dieser Rat gilt nicht nur für medizinisches Personal, sondern auch für die Allgemeinbevölkerung an Orten, an denen mehrere Menschen auf engem Raum zusammenkommen.

Quellen:
1. Gandhi M et al. N Engl J Med 2020; DOI: 10.1056/NEJMe2009758
2. Arons MM et al. A.a.O.; DOI: 10.1056/NEJMoa2008457