
Nierentransplantation Darmmikrobiom als Vorhersagefaktor für Nierenabstoßung?

Um zu dieser Frage einen Beitrag zu leisten, haben Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin, des Max Delbrück Center für Molekulare Medizin sowie des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung (DZIF) die Veränderungen in der Zusammensetzung und Funktion des Darmmikrobioms von Nierentransplantierten analysiert. Dabei entdeckten sie eine veränderte Signatur im Darmmikrobiom, die Abstoßungsreaktionen des Transplantats vorausgingen.
Weniger entzündungshemmende kurzkettige Fettsäuren
Über 90% des Mikrobioms sind Bakterien. Diese Bakterien und die Substanzen, die sie herstellen, kommunizieren mit unserem Körper – sie helfen dabei, unser Immunsystem zu steuern und zu stärken. Bei Patient:innen mit chronischer Nierenerkrankung ist die Zusammensetzung des Darmmikrobioms stark verändert, was zu einer niedrigeren Konzentration an entzündungshemmenden kurzkettigen Fettsäuren (SCFA) und erhöhten Konzentrationen an entzündungsfördernden Metaboliten aus dem Mikrobiom führt.
Das Team um die Erstautoren Johannes Holle und Rosa Reitmeir aus der Arbeitsgruppe von Nicola Wilck vom Experimental and Clinical Research Center, einer gemeinsamen Institution der Charité und des Max Delbrück Center in Berlin, haben in ihrer Studie Veränderungen im Mikrobiom festgestellt, die bereits vor der Abstoßungsreaktion des Transplantats nachweisbar waren. Alle in dieser Studie analysierten Patient:innen waren Teil der prospektiven Kohortenstudie des DZIF, die an fünf deutschen Transplantationszentren durchgeführt wurde. Diese Zentren decken zusammen über 20% der Organtransplantationen in Deutschland ab und liefern ein repräsentatives Bild des Verlaufs nach der Nierentransplantation.
Dynamische Regeneration
Die Analyse der insgesamt 562 Stuhlproben, gruppiert nach gesunden Nierenspender:innen, Patient:innen vor der Nierentransplantation, 0-3 Monate nach der Nierentransplantation, 3-12 Monate, 12-24 Monate und über 24 Monate nach Nierentransplantation, zeigt eine dynamische Regeneration des Mikrobioms im Laufe der Zeit nach der Nierentransplantation, wobei sich das Mikrobiom wieder dem natürlichen und gesunden Zustand annähert.
„Da wir diese dynamische Veränderung beobachtet haben, wollten wir verstehen, ob und wie Transplantatabstoßungen diesen Prozess beeinflussen“, erklärt Johannes Holle. „Und auch umgekehrt, wie sich Mikrobiomveränderungen auf die Immunität und Abstoßung von Transplantaten auswirken können“, ergänzt Rosa Reitmeir. Die Forschenden stellten fest, dass Patient:innen, bei denen es zu einer Transplantatabstoßung gekommen ist, bereits vor der klinisch auffälligen und bioptisch nachgewiesen Abstoßungsreaktion eine veränderte Zusammensetzung des Mikrobioms aufwiesen. So war auffällig, dass bei denjenigen, die eine Abstoßungsreaktion zeigten, Bakterien wieder zunahmen, die typischerweise bei fortgeschrittenem Nierenversagen vorkommen, wie Fusobacterium und krankheitsassoziierte Gattungen wie Streptococcus. Bei der „Nicht-Abstoßungs-Gruppe“ war das nicht der Fall. Insgesamt zeigten die Analysen, dass sich das Produktionspotenzial kurzkettiger Fettsäuren im Stuhl vor der Abstoßung der Niere reduziert. Darauf weist die verminderte Häufigkeit von bakteriellen Enzymen, aus denen kurzkettige Fettsäuren hervorgehen, hin.
Zukünftig am Mikrobiom Gefahr der Abstoßung früher erkennen?
Die zuvor festgestellte dynamische Regeneration des Mikrobioms nach einer Nierentransplantation ist im Falle einer Transplantatabstoßung womöglich erheblich gestört: Vor der Abstoßung treten tiefgreifende Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms auf, die durch eine verminderte Diversität und eine geringe Anzahl von SCFA produzierenden Bakterienpopulationen gekennzeichnet sind. „Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass das Mikrobiom eine wichtige Rolle dabei spielt, wie das Immunsystem nach einer Nierentransplantation reagiert. Diese Beobachtung kann dabei helfen, die Gefahr einer Transplantatabstoßung frühzeitig zu erkennen oder vielleicht therapeutisch zu beeinflussen“, fassen Johannes Holle und Rosa Reitmeir zusammen.
Quelle: Originalpublikation: Holle J, Reitmeir R, Behrens F et al. Gut microbiome alterations precede graft rejection in kidney transplantation patients. Am J Transplant. 2025 Feb 18:S1600-6135(25)00093-0. doi: 10.1016/j. ajt.2025.02.010. Epub ahead of print. PMID: 39978595. https://doi.org/10.1016/j.ajt.2025.02.010