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Sexuell übertragbare Infektionen Den Missbrauch der Jüngsten aufdecken

Autor: Prof. Dr. Lutz Heinemann

Auch HPV und HSV bekommen die Kinder wohl über sexuellen Kontakt. Auch HPV und HSV bekommen die Kinder wohl über sexuellen Kontakt. © iStock/ eranicle
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Viele Kinder mit Anzeichen für sexuell übertragbare Infektionen werden in spezialisierte Kliniken überwiesen. Nur ein Bruchteil kommt an, noch weniger werden untersucht. Eine Klinik nennt Zahlen.

Sexuell übertragbare Krankheiten (STI) bei Kindern wecken den hochgradigen Verdacht auf sexuellen Missbrauch. Doch ist die Assoziation immer so eindeutig, wie es scheint? Dieser Frage gingen  Sarah Driscoll von der Brighton and Sussex Medical School und ihre Kollegen nach. Um ein besseres Bild von den Zusammenhängen zu bekommen, analysierten sie die Patientendaten eines regionalen Children’s Sexual Assault Referral Centre.

Zu fast 80 % waren Mädchen betroffen

Zwischen 2016 und 2019 wurden insgesamt 917 Kinder an das Zentrum verwiesen, von denen lediglich 243 auch dort erschienen. Zwei wurden ausgeschlossen, weil sie mit über 13 Jahren als Heranwachsende galten. Die Mehrheit der Teilnehmer (78,8 %) war weiblich. Von den 241 Kindern testete man 114 auf sexuell übertragbare Krankheiten: Es gab 110 Abstriche und Urinproben auf Neisseria gonorrhoeae und ­Chlamydia trachomatis, sieben Abstriche auf HSV und insgesamt 30 Bluttests auf unterschiedliche Infektionskrankheiten wie Hepatitis B, Hepatitis C, HIV und Syphilis. 55 Teilnehmer hatten über sexuellen Missbrauch berichtet, 58,2 % von ihnen screente man auf STI. Kinder zwischen 0 und drei Jahren erhielten signifikant weniger diesbezügliche Tests. 25 der 32 Kinder in staatlicher Obhut wurden gescreent – ein besonders hoher Anteil von 78,1 %.  

Insgesamt fand man bei zehn Kindern (8,8 %) eine sexuell übertragbare Krankheit, eine Quote, die sich mit früher berichteten Raten deckt. Fünf der Infizierten zeigten weitere Anzeichen für sexuellen Missbrauch. In sieben Fällen fanden sich anogenitale Warzen, also Infektionen mit Humanen Papillomviren (HPV),  zweimal eine Infektion mit dem Herpes-simplex-Virus (HSV) und einmal eine Gonorrhö. HPV kann natürlich auch auf anderen Wegen in den Körper gelangen, doch bei der Mehrzahl der Betroffenen (4/7) gab es Anhaltspunkte für eine sexuelle Übertragung. Ähnliches galt für die zwei Kinder mit genitaler HSV-­Infektion, die ebenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit durch einen Sexualkontakt akquiriert worden waren.

Die Wissenschaftler folgern, dass die meisten sexuell übertragbaren Infektionen bei Kindern auf Missbrauch zurückzuführen sind. Und sie fürchten, dass die Dunkel­ziffer aufgrund fehlender Follow-­ups und der niedrigen Testrate noch viel höher liegt.

Quelle: Driscoll SJ et al. Arch Dis Child 2022; DOI: 10.1136/archdischild-2021-323028