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Porzine Organtransplantation Der Mann mit dem Schweineherz

Autor: Dr. Anja Braunwarth/Dr. Sascha Gehrken

Spender war ein genetisch modifiziertes Schwein, das in einem US-amerikanischen Unternehmen gezüchtet wurde. (Agenturfoto) Spender war ein genetisch modifiziertes Schwein, das in einem US-amerikanischen Unternehmen gezüchtet wurde. (Agenturfoto) © Georgiy- stock.adobe.com
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Der Fall machte weltweit Schlagzeilen, nun wurde er wissenschaftlich publiziert: Im Januar 2022 bekam ein 57-Jähriger das erste genetisch modifizierte Schweine­herz transplantiert. Zwei Monate später starb er, weil es zu einer Abstoßung kam. Deren Ursache ist bis heute ungeklärt.

Vor der medienträchtigen Operation blieben bei dem schwer kranken Patienten mit nicht-ischämischer Kardiomyopathie kaum Therapieoptionen übrig. Vier verschiedene Herztransplantationskomitees erachteten ihn als ungeeignet für ein menschliches Spenderherz. Denn der 57-Jährige galt als wenig adhärent – ein Ausschlusskriterium für die Allotransplantation. Das Team um Prof. Dr. Bartley Griffith­ vom Department of Surgery der University of Maryland School of Medicine zog schließlich die experimentelle Xenotransplantation in Erwägung, der der Patient zustimmte.

Gene für sechs menschliche Proteine hinzugefügt

Spender war ein genetisch modifiziertes Schwein, das in einem US-amerikanischen Unternehmen gezüchtet wurde. Drei Gene, die für Abstoßungsprozesse verantwortlich sind, waren bei dem Tier ausgeschaltet. Zudem produzierten die Zellen sechs menschliche Proteine, die Inflammation, Komplementkaskade und Koagulation hemmen.

Was den Schutz vor Xenozoonosen anging, so stammte das Spenderschwein von einer PERV*-C-negativen Linie. Es wurde regelmäßig auf Pathogene getestet, darunter PERV-A, PERV-B, PERV-C, porzines Zytomegalievirus (pCMV) und porzines lymphotropes Herpesvirus (pLHV). Die Tests auf PERV-A und PERV-B fielen zwar positiv aus. Bisher gibt es aber weder bei Schweinen noch bei Menschen Beschreibungen über Erkrankungen im ursächlichen Zusammenhang mit porzinen endogenen Retroviren.

Zur Vorbereitung auf den Eingriff bekam der Patient eine umfangreiche Immunsuppression. Am Tag der OP verabreichten die Ärzte 1.000 mg Methylprednisolon. Nach der Transplantation lief die Therapie mit Mycophenolat-Mofetil, einem humanisierten monoklonalen Antikörper und Methylprednisolon in sinkender Dosis weiter. Zudem erfolgten regelmäßige Checks auf die drei PERV-Klassen und andere Erreger. Außerdem erhielt der Mann prophylaktisch Ganciclovir, Isavuconazol sowie Atovaquon.

Vier Tage nach der Operation konnte die ECMO entfernt werden. Wegen eines postoperativen Nierenversagens kam der 57-Jährige kurzfristig an die Dialyse. Unter niedrig dosiertem Nicardipin hatte er einen Blutdruck von 130–170/40–60 mmHg und einen kardialen Output von 5–6 l/min. Das Xenograft blieb im Sinusrhythmus mit einer linksventrikulären Ejektionsfraktion von mindestens 55 %.

Die erste Komplikation kam an Tag 12: Eine passagere Dünndarm-ischämie führte zu einer Peritonitis, die man mittels Spülung behandeln konnte. Vorübergehend musste der Patient enteral ernährt werden. Insgesamt magerte er während des stationären Aufenthaltes stark ab (von 85 auf 62 kg). Darüber hinaus erforderte eine schwere Neutropenie (100/µl) an Tag 21 eine Anpassung der Immunsuppression. Das Spenderherz seinerseits pumpte zufriedenstellend. Und eine Myokardbiopsie an Tag 34 zeigte keine Hinweise auf eine Abstoßungsreaktion.

An Tag 43 wurde der 57-Jährige somnolent, hypoton und intubationspflichtig. Im Röntgenthorax sah man beidseits Infiltrate, bronchoskopisch infektionsverdächtige Ulzerationen. Die IgG-Spiegel waren stark erniedrigt und im wöchentlichen mikrobiellen zellfreien DNA-Test fand sich ein Anstieg an pCMV im Plasma (erstmals an Tag 20 festgestellt). Jetzt untersuchte man eine Milzprobe des Spenderschweins. Und obwohl die PCR-Tests der Nasenabstriche vor der Herz­entnahme immer negativ ausfielen, war die Milzprobe positiv. Das sprach für eine latente pCMV-Infektion bei dem Tier.

Das Ergebnis jahrzehntelanger Forschung

48 Tage lang pumpte das transplantierte Xenograft wie es sollte. Trotz des tragischen Ausgangs ist allein diese Zeitspanne ein Erfolg. Dass ein Schweineherz in einem Menschen normal funktioniert und das Organ länger als einen Monat nicht abgestoßen wird, fußt auf jahrzehntelanger Forschung in den Bereichen Immunologie, Embryologie, Genetik und Tierzucht, schreibt Dr. Elizabeth Phimister vom New England Journal of Medicine in einem begleitenden Editorial. Den Startschuss für die genetische Modifikation eines ganzen Tieres markierte Klonschaf Dolly vor 26 Jahren. Herausforderungen, die den Erhalt der Spenderherzfunktion betreffen, werden allerdings erst seit Kurzem adressiert. Dr. Phimister hält künftige Fortschritte daher für wahrscheinlich.

Bronchiale Ulzerationen sprachen auf Behandlung an

Die Ärzte stellten die antivirale Therapie von Ganciclovir auf Cidofovir um. Die bronchialen Ulzerationen heilten ab und nach Extubation an Tag 47 startete der Patient wieder mit stationären Rehamaßnahmen. Die Erholung war allerdings nur von kurzer Dauer. Am Abend von Tag 49 stieg das Serum-Laktat, der Mann klagte über ein abdominelles Unwohlsein, er wurde erneut hypoton und beatmungspflichtig. Zudem entwickelte sich eine Akrozyanose, was erstmals seit der Transplantation auf einen verminderten kardialen Auswurf hinwies.

Dramatisch verdickte Wände bei normaler Ejektionsfraktion

Über einen Pulmonaliskatheter ließ sich eine gemischt-venöse Sauerstoffsättigung von 33 % ermitteln. Im Echo lag die LVEF zwar weiterhin bei 65–70 %, man sah aber dramatisch verdickte Wände beider Ven­trikel und eine reduzierte Kammergröße links. In Absprache mit dem Patienten und dessen Angehörigen legten die Ärzte wieder die ECMO an. Eine Myokardbiopsie am Folgetag ergab zwar keine akuten zellulären Abstoßungszeichen, dafür aber fokale kapilläre Schäden samt ex­travasaler Erythrozyten und Ödem.

Ein Anstieg von Troponin I sowie der Nachweis xenograft-spezifischer Antiköper und grafteigener zellfreier DNA sprach schließlich für die atypische Manifestation einer antikörpervermittelten Abstoßung. Die Ärzte leiteten eine entsprechende Behandlung ein und setzten die ECMO – nicht zuletzt auf Wunsch des wachen Patienten – fort. Die antikörpervermittelte Abstoßung bestätigte sich in einer neuerlichen Biopsie an Tag 56, 40 % der Kardiomyozyten waren nekrotisch.

Nach einer gescheiterten ECMO-Entwöhnung ging es nicht mehr voran. Das Spenderherz war irreversibel geschädigt. Gemeinsam mit den Angehörigen fiel der Entschluss, alle Maßnahmen zu beenden, und der Patient starb an Tag 60 nach der Transplantation.

Den Experten geben das plötzliche diastolische Versagen und die pathologische globale Wandverdickung ohne systolische Dysfunktion bis heute Rätsel auf. Insbesondere bleibt unklar, ob und wie der positive pCMV-Befund für den tragischen Verlauf eine Rolle spielte.

*    porzines endogenes Retrovirus

Quellen: 1. Griffith BP et al. N Engl J Med 2022; 387: 35-44;  DOI: 10.1056/NEJMoa2201422 / 2. Phimister E. N Engl J Med 2022; 387: 79-82;  DOI: 10.1056/NEJMe2207422