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Diabetes Typ-3c Die große Unbekannte

UEG Week 2023 Autor: Friederike Klein

Nicht immer wird dieser Diabetestyp richtig erkannt. Nicht immer wird dieser Diabetestyp richtig erkannt. © Jo Panuwat D - stock.adobe.com
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Es wird angenommen, dass ein Diabetes als Folge einer Erkrankung des exokrinen Pankreas (Typ-3c-Diabetes) mit einer Inzidenz von 1,13 pro 1.000 Einwohner auftritt. Das entspricht etwa 1,5 % aller Patienten mit Diabetes mellitus. Nicht immer wird dieser Diabetestyp aber richtig erkannt.

In einer populationsbasierten Studie aus Großbritannien entwickelten 31.789 von 2,36 Millionen Patienten in der Primärversorgung als Erwachsene einen Diabetes mellitus. In 559 Fällen war dem eine Erkrankung des Pankreas vorausgegangen. Demnach läge bei Erwachsenen die Inzidenz eines Typ-3-Diabetes höher als die eines Typ-1-Diabetes (2,59 vs. 1,64 pro 100.000 Personenjahre). Der Zusammenhang zwischen Pankreas­erkrankung und Diabetes wurde aber häufig nicht hergestellt. Die meisten Erkrankungen waren als Typ-2-Diabetes fehldiagnostiziert, hob Prof. Dr. Djuna­ Cahen­ von der Erasmus Universitätsklinik in Rotterdam hervor. Auffällig war die schlechte glykämische Kontrolle bei diesen Patienten im Vergleich zu denjenigen mit tatsächlichem Typ-2-Diabetes. 

Folgende Charakteristika sprechen für einen Typ-3c-Diabetes und gegen einen Typ-2-Diabetes: 

  • niedriger BMI
  • kein metabolisches Syndrom
  • Brittle-Diabetes
  • Insulinbedarf

Die Pathomechanismen des Typ-3c-Diabetes überlappen mit den beiden anderen Diabetestypen: Wie bei einem Typ 1 ist die Insulinsekretion durch einen Verlust von Betazellen reduziert, wie bei einem Typ-2-Diabetes liegt aber auch eine Insulinresistenz vor. 

Diagnostische Kriterien sind nicht gut validiert

Wichtig ist, dass nicht nur Betazellen, sondern auch andere Inselzellen verloren gehen und damit bei Typ 3c nicht nur Insulin, sondern auch andere pankreatische Regulationshormone wie Glukagon oder Somatostatin fehlen. Das erklärt die häufig vorkommenden Hypoglykämien.  

Die diagnostischen Kriterien des Diabetes Typ 3c (s. Tab.) sind nicht gut validiert, erläuterte Prof. Cahen. Zudem sind die entsprechenden Laboruntersuchungen aufwendig und teuer. Das Hauptkriterium für den Verdacht auf einen Typ 3c bleibt das Auftreten des Diabetes nach einer pankreatischen Erkrankung, betonte sie. Weitaus am häufigsten ist einem Review zufolge eine Pankreatitis die Ursache (79 %), gefolgt von einem Pankreasmalignom (8 %) und der Pankreaschirurgie (4 %). Andere Ursachen können beispielsweise Hämochromatose (7 %) oder zystische Fibrose (2 %) sein. Nach einer akuten Pankreatitis entwickeln laut einer Metaanalyse 23 % einen Typ-3c-Diabetes, wobei der Anteil bei alkoholischer Ätiologie deutlich höher ist als bei einer biliären Ätiologie (28% vs. 12 %). Das Risiko für einen Typ-3c-Diabetes bleibt nach einer akuten Pankreatitis länger erhöht. Daher empfahl Prof. Cahen ein Screening über mindestens zwei Jahre im Anschluss an die Erkrankung. Darauf sollte man den betreuenden Arzt hinweisen. 
 

Diagnostische Kriterien für einen Typ-3c-Diabetes

Majorkriterien

  • exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI)

  • pathologischer Befund in der Pankreasbildgebung

  • keine Autoimmunmarker eines Typ-1-Diabetes

Minorkriterien

  • beeinträchtigte Betazellfunktion (HOMA-B, C-Peptid/Glukose-Verhältnis)

  • beeinträchtigte Insulinsekretion (GLP-1, Pankreaspolypeptid)

  • niedrige Serumspiegel lipidlöslicher Vitamine (A, D, E, K)

 

Viele Medikamente, die man bei Typ 2 einsetzt, sind kontraindiziert

Nach einer chronischen Pankreatitis ist es nicht anders. Etwa 50 % der Betroffenen entwickeln über zehn Jahre einen Typ-3c-Diabetes, sagte sie. Risikofaktoren sind Parameter, die mit einem Verlust von Betazellen assoziiert sind: 

  • verkalkte Pankreasstrukturen, 
  • exokrine Pankreasinsuffizienz (EPI) oder 
  • Pankreasresektion. 

Eine EPI ist mit einem 3,8-fach erhöhten Risiko für eine Diabetesentwicklung verbunden. Jede 100. Diabetesdiagnose im Alter von über 50 Jahren weist eine Assoziation mit einem duktalen Adenokarzinom des Pankreas (PDAC) auf. Beide Erkrankungen beeinflussen sich wechselseitig. Häufig erfolgt ein Enzymersatz zur Therapie einer EPI, aber es wird zu wenig auf das Entstehen eines Typ-3c-Diabetes geachtet, glaubt Prof. Cahen. Die chirurgische Therapie des PDAC geht ebenfalls je nach Ausmaß mit der Entstehung eines Typ-3c-Diabetes einher.   
Ein Typ-3c-Diabetes ist mit mehr Komplikationen und einem höheren Mortalitätsrisiko assoziiert als ein Typ-2-Diabetes. Während kardiovaskuläre Komplikationen ähnlich häufig sind, ist das Risiko für renale und infektiöse Komplikationen deutlich höher. Vor allem sollte bei Patienten mit neu aufgetretenem Diabetes nach einer chronischen Pankreatitis auch immer an das hohe Risiko für ein Pankreaskarzinom gedacht werden. Außerdem empfahl Prof. Cahen, die Knochendichte im Blick zu haben – das Osteoporoserisiko ist bei diesen Patienten hoch. 
Die Betreuung von Patienten mit Typ-3c-Diabetes sollte beim Diabetologen erfolgen, nicht beim Hausarzt, riet die Kollegin. Leitlinienempfehlungen zur Therapie des Typ-3c-Diabetes gibt es nicht. 

Die Zukunft sind wohl Closed-Loop-Systeme

Viele Medikamente, die für einen Typ-2-Diabetes zugelassen sind, sind bei dieser Diabetesform kontraindiziert. Sulfonylharnstoffe gehen mit einem zusätzlichen Hypoglykämierisiko einher, SGLT2-Inhibitoren sind aufgrund des Risikos für euglykäme Ketoazidosen, Inkretine aufgrund des erhöhten Pankreatitisrisikos nicht indiziert. Die Standardtherapie basiert auf Metformin und Insulin, wobei Insulin ähnlich wie beim Typ-1-Diabetes dosiert wird. Die Zukunft sind wahrscheinlich Closed-Loop-Systeme, glaubt Prof. Cahen. Erste bihormonelle künstliche Pankreassysteme mit Insulin- und Glukagonsensoren und -pumpen können eine gute glykämische Kontrolle ermöglichen, wenn sowohl Alpha- als auch Betazellen fehlen, beispielsweise nach Pankreaschirurgie.

Quelle: UEG* Week 2023
*    United European Gastroenterology